Krieg in Nahost
Zeit für Waffenruhe in Gaza wird knapp
Die USA wollen den Kriegsparteien Israel und Hamas laut Medienberichten ein „finales“ Angebot unterbreiten.
Von Thomas Seibert
Letzte Versuche“ hat es bei den Bemühungen um eine Feuerpause im Gaza-Krieg schon einige gegeben. Gebracht haben sie nichts: Der Krieg in Gaza geht weiter. Nun wollen die USA den Kriegsparteien Israel und Hamas in den kommenden Tagen laut Medienberichten ein „finales“ Angebot unterbreiten – möglicherweise nicht als Grundlage für weitere Verhandlungen, sondern als Lösungsmodell, das von Israel und Hamas nur angenommen oder abgelehnt werden kann.
Viel Zeit für eine Einigung bleibt nicht mehr. Die Hamas hat mit der Ermordung von Geiseln begonnen, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt Kompromisse ab, und das Trio der Vermittler USA, Ägypten und Katar hat alle Möglichkeiten ausgeschöpft. „Die Uhr tickt“, sagte der israelische Hamas-Experte und frühere Geisel-Unterhändler Gershon Baskin unserer Zeitung. Wenn der jetzt angekündigte US-Versuch scheitert, wird der Krieg nach Baskins Einschätzung weitergehen, bis Israel den Hamas-Chef Jahja Sinwar töten kann, der sich in Gaza versteckt hält. Dies wiederum wäre nach Baskins Meinung das Todesurteil für die rund 70 noch lebenden Geiseln der Hamas, denn die militante Palästinensergruppe würde die Gefangenen wohl erschießen, wenn ihr Anführer von Israel getötet werden sollte.
Eile sei geboten, sagte ein US-Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur Reuters. Grundsätzlich sind Israel und Hamas mit einem Plan einverstanden, der in einer ersten Phase eine sechswöchige Waffenruhe vorsieht. Die „New York Times“ zitierte Gewährsleute in der US-Regierung mit den Worten, der „finale“ Entwurf müsse zwei Probleme lösen: Umstritten ist zum einen Ablauf und Umfang des geplanten Austausches von Hamas-Geiseln und palästinensischen Häftlingen aus israelischen Gefängnissen in der ersten Phase der Waffenruhe.
Das zweite Problem betrifft die künftige Kontrolle über den Philadelphi-Korridor, die Grenze zwischen Gaza und Ägypten. Israels Delegation bei den Verhandlungen sagte laut Medienberichten vor wenigen Tagen zu, dass die Armee nach den ersten sechs Wochen der Waffenruhe den Philadelphi-Korridor verlassen werde. Dagegen erklärte Netanjahu, Israel werde den Korridor nicht aufgeben. Netanjahus Position wird nicht nur von der Hamas abgelehnt, sondern auch von Ägypten, das keine dauerhafte israelische Truppenpräsenz an der Grenze will. US-Unterhändler wollen den Streit entschärfen, indem sie einen israelischen Rückzug aus Teilen des Philadelphi-Korridors fordern. Dies würde den Vorgaben widersprechen, denen die Kriegsparteien grundsätzlich zugestimmt haben. Hamas erklärte nach Netanjahus jüngster Äußerung, dieser benutze „Fallen und Tricks“, um die Vermittlungsbemühungen und den Krieg in die Länge zu ziehen. Als Ausweg aus der Sackgasse, in der die Verhandlungen stecken, erwägen die amerikanischen und arabischen Vermittler, den „finalen“ Plan nicht als Verhandlungsgrundlage zu unterbreiten, sondern als fertige Lösung: Weitere Gespräche gäbe es dann nicht mehr.
Weil es so schwer ist, Israel und Hamas zu einer Einigung zu bewegen, prüft Amerika nach Medienberichten inzwischen einen anderen Weg. Die US-Regierung berät über eine eigene Vereinbarung mit der Hamas ohne Israel, wie der Sender NBC unter Berufung auf Regierungskreise berichtet. Demnach soll die Hamas die vier amerikanischen Staatsbürger unter den Geiseln freilassen und dafür mit der Entlassung von Hamas-Sympathisanten aus US-Gefängnissen belohnt werden. Die israelischen Geiseln würden in Gefangenschaft bleiben.