Mordprozess vor dem Landgericht Gießen
Zeugin sieht keine Schuldgefühle bei Ayleens Mörder
TV-Konsum rund um die Uhr und kaum Sozialkontakte - so schildern Zeugen den Haftalltag von Ayleens Mörder. Reue oder Schuldgefühle soll er in Gesprächen bisher dort nicht gezeigt haben.
![Zeugin sieht keine Schuldgefühle bei Ayleens Mörder Der Angeklagte verbirgt sein Gesicht hinter einem Aktenordner und bekommt vor dem Prozess im Beisein seines Verteidigers Henner Maaß (r.) von einem Justizmitarbeiter die Handschellen abgenommen (Archivfoto).](/bilder/der-angeklagte-verbirgt-sein-gesicht-hinter-einem-872015.jpg)
© dpa/Christian Lademann
Der Angeklagte verbirgt sein Gesicht hinter einem Aktenordner und bekommt vor dem Prozess im Beisein seines Verteidigers Henner Maaß (r.) von einem Justizmitarbeiter die Handschellen abgenommen (Archivfoto).
Von red/dpa
Der Mörder der 14-jährigen Ayleen aus Baden-Württemberg hat nach den Worten einer im Gefängnis tätigen Psychotherapeutin in bisherigen Gesprächen weder Scham noch Schuldgefühle gezeigt. Eher sei ihm eine „Neutralität“ anzumerken, sagte die Therapeutin als Zeugin im Prozess gegen den 32-Jährigen vor dem Landgericht Gießen. Ihr Eindruck sei, dass sich der Mann mit dem Alltag und dem „was hinter der Haftraumtür passiert“ nicht beschäftigen wolle, zumal er offenbar täglich und rund um die Uhr im Bett liegend Fernsehserien schaue.
Zwar lehne er mittlerweile Gespräche nur noch selten ab, der Inhalt sei aber „schwankend“, sagte die Therapeutin. Bei Dingen, über die er gerne spreche, etwa frühere Jobs, zeige er auch positive Gefühle, zu anderen Themen schweige er oder rede, teils mit starrem Blick, daran vorbei. Häufig zeige er kontrollierendes Verhalten. Sie habe zwar keine Diagnose erstellt, gehe aber mindestens von einer Persönlichkeitsakzentuierung oder sogar Persönlichkeitsstörung aus, die „in die dissoziale Richtung“ gehe, sagte die Zeugin.
In dem Prozess geht es vor allem um die Frage der Sicherungsverwahrung für den bereits rechtskräftig wegen Mordes an Ayleen verurteilten Mann. Nachdem er Revision gegen das Ende September 2023 verkündete Urteil eingelegt hatte, muss das Landgericht über diesen Punkt neu entscheiden.
Nacktfotos von Ayleen gefordert und sie damit erpresst
Der Deutsche hatte Ayleen über sexualisierte Chats in sozialen Netzwerken kennengelernt, sie massiv bedrängt, Nacktfotos von ihr gefordert und sie damit erpresst. Schließlich holte er die Jugendliche im Juli 2022 in Gottenheim nahe Freiburg ab, brachte sie in ein Waldstück nahe Langgöns in Mittelhessen und tötete sie. Die Leiche wurde einige Tage später in einen See im Wetteraukreis gefunden.
Der Mann wurde unter anderem wegen Mordes, versuchter Vergewaltigung und Nötigung sowie wegen des Beschaffens kinderpornographischer Inhalte zu lebenslanger Haft verurteilt, außerdem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest und ordnete Sicherungsverwahrung an.
Weil zwischenzeitlich jedoch der Strafrahmen für die Beschaffung kinderpornographischer Inhalte gesetzlich abgesenkt wurde, lagen die Voraussetzungen für die Sicherungsverwahrung nicht mehr vor und der BGH hob diese auf. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft sollen mit dem neuen Prozess diese Voraussetzungen wieder geschaffen werden.
Schülerin schickte dem Mann Nacktfotos und auch ein Video von sich
Angeklagt ist der Mann im aktuellen Prozess wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes ohne Körperkontakt. Er soll während eines Videotelefonats mit einer 13-Jährigen onaniert haben - ein Vorwurf, der bereits im ersten Prozess zur Sprache gekommen, jedoch nicht angeklagt gewesen war und den er eingeräumt hat. Am zweiten Verhandlungstag wurde ein bereits im ersten Prozess gezeigtes Video der Zeugenanhörung des Opfers gesichtet. Darin schilderte die Schülerin, dass der Angeklagte sie schon bald nach der Kontaktaufnahme nach einem Treffen gefragt und ihr auch vorgeschlagen habe, zu ihm zu ziehen. Teils weinend berichtete die Zeugin zwei Polizistinnen, dem Mann Nacktfotos und auch ein Video von sich übersandt zu haben. Schließlich habe sie ihn blockiert, da der Kontakt „zu komisch“ geworden sei.
Als Zeuge wurde zudem ein in der Justizvollzugsanstalt Gießen tätiger Sozialarbeiter gehört, der von wöchentlichen Gesprächen mit dem Angeklagten berichtete. Der 32-Jährige habe sich sehr isoliert, schaue täglich Fernsehen und verlasse seine Zelle nicht, was aufgrund von „Anfeindungen“ auch nachvollziehbar sei. Die Straftaten des Mannes thematisiere er nicht mit ihm, sagte der Sozialarbeiter. „Da mach ich schon einen Bogen drum.“