US-Wahlkampf

Zu sexistisch für eine Frau im Weißen Haus?

Viele US-Bürgerinnen möchten eine Frau als US-Präsidentin sehen. Doch manche befürchten, ihr Geschlecht stehe Kamala Harris im Weg.

Vizepräsidentin Kamala Harris und Ehemann Douglas Emhoff nach der Landung in New Castle Delaware.

© AFP/ERIN SCHAFF

Vizepräsidentin Kamala Harris und Ehemann Douglas Emhoff nach der Landung in New Castle Delaware.

Von Michael Weißenborn

Viel hat sich in den USA getan, seit Hillary Clinton 2016 damit gescheitert ist, zur ersten Präsidentin in der Geschichte der USA gewählt zu werden: Auf der einen Seite gibt es auf dem Arbeitsmarkt inzwischen mehr am College ausgebildete Frauen als Männer, und die MeToo-Bewegung konnte mächtige Männer wegen sexueller Übergriffe stürzen – auf der anderen kassierte das US-Verfassungsgericht das bundesweite Recht auf Abtreibung.

Nicht dasselbe Erbe wie Clinton

Kamala Harris ist die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten kaum mehr zu nehmen. Doch wie bereits bei Clinton wird auch jetzt die Frage gestellt, ob die USA bereit sind für eine Frau an der Staatsspitze. Und noch ein Szenario wiederholt sich voraussichtlich: In einem Präsidentschaftswahlkampf mit Harris träte der Republikaner Donald Trump abermals gegen eine Frau in einer Spitzenposition der Regierung an, die zuvor im US-Senat tätig war. Doch Harris trägt nicht dasselbe Erbe mit sich herum wie Clinton. Und anders als 2016 ist Trump diesmal eine bekannte Größe.

„Klar sind die Leute bereit, eine Frau zur Präsidentin zuwählen“, ist Cindy Hilby aus Mississippi überzeugt. Nach der Zahl der abgegebenen Stimmen 2016 habe auch Hillary Clinton Trump deutlich hinter sich gelassen, betont sie. Sie möchte ihren wahren Namen nicht in der Zeitung lesen, weil sie für das US-Militär in Stuttgart arbeitet. Dass Harris einen asiatisch-schwarzen Hintergrund hat, sieht Hilby ebenfalls durchweg positiv. „Das ist ein Plus“, meint die junge schwarze Frau, „weil das viele Menschen betrifft“. Hilby ist eigentlich Republikanerin, aber Trump kommt für sie nicht infrage.

Frauenfeind Trump

Obwohl viele US-Bürgerinnen zornig sind wegen des Abtreibungsurteils sowie wegen der zahlreichen frauenfeindlichen Aussagen Trumps und daher diesmal definitiv eine Frau ins Weiße Haus wählen wollen, fürchten manche, dass es für Kamala Harris schwer werden könnte. „Der Sexismus betrifft eine Menge Frauen überall“, ist sich Elena Fort sicher. Die 39-jährige Englisch-Lehrerin aus Oregon, die seit sieben Jahren in Stuttgart lebt, führt an, dass Trump Harris jüngst als verrückt und hysterisch hinstellte. „Das bedient das uralte Klischee, dass Frauen zu emotional sind.“

Wichtiger als das Geschlecht ist in den USA Untersuchungen zufolge die Parteizugehörigkeit. 55 Prozent der Wählerinnen überzeugte Joe Biden 2020 von sich, im Jahr 2016 errang Hillary Clinton 54 Prozent der Wählerinnen. Donald Trumps Anteil bei den Frauen wuchs von 39 Prozent 2016 auf 44 Prozent im Jahr 2020.

Kamala Harris scheint einen besonderen Draht zu schwarzen Frauen und zu jüngeren Wählern und Wählerinnen zu haben. „Da stelle ich derzeit erhöhte Aktivitäten in den sozialen Medien fest“, berichtet Elenor Fort.

Sexismus „nicht mehr entscheidend“

Der Politikwissenschaftler Martin Thunert sieht Sexismus schon länger nicht mehr als entscheidenden Faktor im US-Präsidentschaftswahlkampf. „Hillary Clinton ist 2016 nicht gescheitert, weil sie eine Frau ist, sondern weil sie im Wahlkampf schwere Fehler begangen hat“, sagt der USA-Experte vom Heidelberg Center for American Studies (HCA). Trump begehe mit frauenfeindlichen und rassistischen Äußerungen seinerseits „schwere Fehler“.

Thunert hält Harris zugute, dass sie sich schon früh des Themas Abtreibung angenommen hat. Das mobilisiere die Demokraten. Die Tatsache, dass das Urteil des US-Verfassungsgerichts von 2022 Abtreibungen erschwerte, hatte einen nachhaltig aufrüttelnden Effekt auf viele Frauen. Dabei geht es nicht nur um Abtreibung, sondern auch um Problemschwangerschaften und die Gesundheitsversorgung von Frauen generell. „Wenn die Partei sie geschlossen unterstützt, hat Kamala Harris eine echte Siegchance gegen Trump“, so Thunert.

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Erstellt:
23. Juli 2024, 16:58 Uhr
Aktualisiert:
23. Juli 2024, 17:09 Uhr

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