Zu wenige Plätze für junge Geflüchtete

Der Rems-Murr-Kreis bemüht sich darum, unbegleitete minderjährige Ausländer geeignet unterzubringen.

Notunterkünfte sind sehr knapp. Symbolfoto: Edgar Layher

© Edgar Layher

Notunterkünfte sind sehr knapp. Symbolfoto: Edgar Layher

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. In verschiedenen Regionen sind bewaffnete Konflikte ausgebrochen, die Flüchtlingszahlen hierzulande steigen. Das betrifft die Ausländerbehörde, aber auch das Jugendamt. Den neben vielen Erwachsenen fliehen auch unbegleitete minderjährige Ausländer, kurz: Umas. „Die Zahlen steigen enorm“, stellte Landrat Richard Sigel in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses des Kreistags fest. Das stelle die Behörde vor große Herausforderungen. Kreisjugendamtsleiter Holger Gläss stellte einen Sachstandsbericht vor und legte darin aktuelle Zahlen vor.

172 Umas sind demnach aktuell im Rems-Murr-Kreis untergebracht (Stand: 15. November). Die meisten Jugendlichen – vor allem junge Männer – kommen aus Afghanistan und Syrien. Die Verteilung der Herkunftsländer sei vergleichbar mit der Flüchtlingswelle 2015. Geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine kämen meist in Verbünden und in Begleitung eines Erziehungsberechtigten, sie zählen damit nicht zu den Umas. „Der Sollwert liegt bei 198“, so Gläss – das wäre der Wert laut Königsteiner Verteilschlüssel. Folglich ist der Kreis mit 26 Plätzen im Minus, die Erfüllungsquote liegt bei etwa 85 Prozent. „Damit liegen wir im unteren Drittel – auch weil wir ein großer Landkreis sind.“ Eine Diskrepanz zwischen Ist- und Sollzustand weist der Rems-Murr-Kreis bereits seit über einem Jahr auf. Dass sie noch immer besteht liege allerdings nicht daran, dass man untätig gewesen sei. „Die Zahlen haben sich nach und nach aufgebaut, obwohl wir ungeheure Anstrengungen unternommen haben, Plätze auszubauen“, erklärte Holger Gläss. Allein seit Januar dieses Jahres wurden 80 zusätzliche Plätze geschaffen – „das ist eine große Leistung“.

Bis zu 35 neue Plätze in der Pipeline

Der Druck lässt deshalb aber noch lange nicht nach. Daher stellte der Jugendamtsleiter klar: „Was wir am dringendsten brauchen, sind neue Plätze.“ Hierfür sei die Behörde mit mehreren Trägern im Gespräch. Beispielsweise könnten auf der Burg Reichenberg in Oppenweiler zehn weitere Plätze der Notfallunterbringung durch die Paulinenpflege entstehen. In Berglen-Steinach ist eine dezentrale Wohngruppe in Zusammenarbeit mit dem SOS Kinderdorf angedacht. Klappt alles so, habe man bis zu 35 neue Plätze in der Pipeline, so Gläss. „Ich wäre schon froh, wenn bis Ende des Jahres 20 davon umsetzbar sind.“

Denn oftmals scheitere das Vorhaben am Fachkräftemangel. Die Notfallunterbringung gehöre längst zum Regelangebot. Wegen der geringen Betreuungsdichte sind die Jugendlichen in derartigen Unterkünften nachts allein, abgesehen von einem Sicherheitsdienst vor Ort. In Murrhardt müssen sogar manche Umas in einer Gemeinschaftsunterkunft leben. „Das erachten wir alle nicht für ideal“, räumte der Jugendamtsleiter ein. Er hob jedoch positiv hervor, dass auch die Träger großen Einsatz bei der Suche nach Lösungen zeigten. „Es helfen alle zusammen.“ Am besten für die Integration der Umas seien Gastfamilien, die die Jugendlichen bei sich aufnehmen. Aktuell habe man im Rems-Murr-Kreis aber nur wenige solche Angebote belegt. „Wir hoffen, dass sich da was tut, große Entlastung erwarten wir hier aber nicht.“

Erschwerend kommt hinzu, dass das baden-württembergische Sozialministerium erwägt, zusätzlich zur bundesweiten Verteilung von Umas auch noch eine landesweite Verteilung zu starten. Das soll die Disparitäten zwischen den Stadt- und Landkreisen ein Stück weit ausgleichen. Was als politisches Signal für eine gerechte Verteilung verständlich wäre, würde sich für den Rems-Murr-Kreis „relativ dramatisch“ auswirken, so Gläss. „Wir wüssten nicht, was wir dann tun.“ Aktuell erstelle man einen Notfallplan für das Szenario, dass das Land dem Rems-Murr-Kreis quasi über Nacht zehn bis 15 Umas zuteilt. Landrat Richard Sigel konstatierte: „Das Land verteilt schlicht und ergreifend weiter, weil es keine eigenen Kapazitäten mehr hat.“ Allerdings kämen auch die Landkreise an ihre Grenzen und das nicht erst seit heute.

Die Notfallunterbringung von Umas gehöre längst zum Regelangebot, so Gläss.

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Erstellt:
22. November 2023, 06:00 Uhr

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