Die Vorteile einer außergerichtlichen Einigung
Zum Schlichter statt zum Richter
Streit in der Familie, mit Verwandten, Nachbarn oder Kollegen – ein Gerichtsprozess ist selten der beste Weg, Konflikte zu lösen. Die Alternative ist eine außergerichtliche Einigung. Wie funktioniert das?
Von Harald Czycholl
Die Verteilung des Erbes sorgt für Ärger zwischen Geschwistern. Hunde des Nachbarn bellen die halbe Nacht. Die Versicherung will für einen Schaden nicht zahlen, den der Nachwuchs angerichtet hat. Der Arbeitgeber streicht den lange bewilligten Urlaub. In solchen Fällen denkt man schnell darüber nach, die Gegenseite zu verklagen. Doch ein Gerichtsverfahren kann Jahre dauern, der Ausgang ist ungewiss – und die Kosten können hoch sein.
Hinzu kommt der persönliche Aspekt: Mit der Familie oder den Nachbarn muss oder will man schließlich auch nach dem Verfahren noch umgehen können – was schwer ist, wenn nach einem Gerichtsurteil eine Seite als Gewinner und die andere als Verlierer dasteht.
„Günstiger und schneller zu einer Lösung als Gerichtsprozesse“
Einen Ausweg bietet die außergerichtliche Streitbeilegung mit Hilfe von Schlichtungsstellen, Schiedsleuten und Mediatoren. „Sie führen günstiger und schneller zu einer Lösung als Gerichtsprozesse“, betont Michael Sittig von der Stiftung Warentest.
Auf diese Weise könnten sich Konflikte gütlich und langfristig beilegen lassen. Und im Vordergrund steht die Lösung des Konfliktes und nicht ein Urteil, das die Streitenden in Gewinner und Verlierer unterteilt. Bei Ärger zwischen Unternehmen kann zudem die Konfliktlösung über private Schiedsgerichte Vorteile bieten.
„Die Beteiligten hinterlassen keine verbrannte Erde, sondern kommen auf Augenhöhe zusammen, vor allem bei einer Einigung“, so die Düsseldorfer Rechtsanwältin Ulrike Gantenberg, die Vorsitzende des Ausschusses Außergerichtliche Konfliktbeilegung im Deutschen Anwaltverein ist. So können sie später wieder gut miteinander leben, arbeiten oder wohnen.
Welche Arten der Schlichtung gibt es?
Es gibt verschiedene Formen von außergerichtlichen Verfahren.
Zum einen die Mediation, bei denen professionell ausgebildete Schlichter – die Mediatoren – Streitgespräche moderieren und die Konfliktparteien zu einer gütlichen Lösung anleiten.
Verbraucherschlichtungsstellen lösen vor allem Konflikte zwischen Verbrauchern und Unternehmen.
Und vor Schiedsgerichten treffen meist Unternehmen aufeinander – hier treffen Schiedsrichter eine Entscheidung, die wie ein Urteil wirkt. Das Ziel ist aber jeweils das gleiche: die unbürokratische, schnelle Lösung von Konflikten.
Bei einem Mediationsverfahren liegt die Verantwortung für die Lösung eines Streits bei den Konfliktparteien – dabei unterstützt sie ein Mediator, indem er das Verfahren begleitet und als neutraler Dritter moderiert. Ziel ist es, einen Kompromiss zu finden, mit dem alle Seiten leben können. Voraussetzung dafür: „Alle Beteiligten müssen es wollen und bereit sein, sich vertrauensvoll auf das Verfahren einzulassen“, erklärt Rechtsanwältin Gantenberg.
Mediator bittet zum Gespräch mit allen Beteiligten
Der Mediator führt zunächst getrennte Gespräche mit den Parteien und macht sich ein Bild von der Lage. Dann setzt er sich mit allen an einen Tisch und sorgt dafür, dass die Beteiligten eine gemeinsame, konstruktive Gesprächsebene finden. In der Regel bleibt es nicht bei einer Sitzung, am Ende des Verfahrens steht ein Lösungsvorschlag.
Im Unterschied dazu erfolgt ein Schlichtungsverfahren bei einer Schlichtungsstelle meist schriftlich und endet mit einem Schlichterspruch. Die Schlichtungskommissionen sind dabei unabhängig besetzt, sodass sich die betroffenen Verbraucher darauf verlassen können, dass ein kompetenter, ausgewogener Schlichterspruch dabei herauskommt.
Die Schlichtungsstellen werden oft von den jeweiligen Branchenverbänden getragen. Der Versicherungsombudsmann etwa vermittelt in Konfliktfällen zwischen Versicherungsunternehmen und ihren Kunden und versucht, eine schnelle und unbürokratische Lösung herbeizuführen. Die Kfz-Schiedsstellen, angesiedelt bei den jeweiligen Kfz-Innungen, klären Differenzen bei Serviceleistungen und beim Autokauf zwischen Kfz-Betrieben und ihren Kunden. Und die Schlichtungsstellen der Handwerkskammern versuchen, Lösungen bei Konflikten zwischen Handwerkern und ihren Kunden herbeizuführen.
Schlichtungsstellen sind spezialisiert
Beim Bundesamt für Justiz (BfJ) in Bonn wiederum sind gleich drei Schlichtungsstellen angesiedelt: Die Schlichtungsstelle Luftverkehr, die Schlichtungsstelle Video-Sharingplattform-Dienste und die Schlichtungsstelle Urheberrechts-Dienste.
„Viele Schlichtungsverfahren enden mit einer für beide Seiten zufriedenstellenden Einigung zwischen den Beteiligten, sodass Gerichte entlastet werden und langwierige Gerichtsverfahren mit Beweisaufnahmen entbehrlich sind“, sagt BfJ-Sprecherin Pia Figge. Auch wenn es zu keiner Einigung zwischen den Beteiligten komme, würden sie im Rahmen des Verfahrens eine erste rechtliche Einschätzung der Sach- und Rechtslage bekommen. Insgesamt seien Schlichtungsstellen ein bewährtes Instrument, um Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmen zu klären.
Schlichtung kann man jederzeit abbrechen – und doch vor Gericht ziehen
Die Teilnahme an Mediations- oder Schlichtungsverfahren ist für Verbraucher komplett freiwillig. Sie können das Verfahren auch jederzeit abbrechen – der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten bleibt offen. Unternehmen sind mitunter verpflichtet, an Schlichtungsverfahren teilzunehmen. Das gilt etwa für Energieversorger, Fluggesellschaften oder Versicherungsunternehmen.
„Für Verbraucher ist die unabhängige Schlichtung eine gute Alternative zum teuren Gerichtsverfahren“, sagt Jutta Gurkmann von der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). „Streitigkeiten mit Unternehmen lassen sich auf diese Weise meist schneller, unbürokratischer und günstiger klären.“
Bei Schiedsgerichtsverfahren wurde meist im Vorfeld bei Vertragsschluss zwischen den Parteien festgelegt, dass Streitigkeiten auf diesem Weg geklärt werden sollen und das Urteil von beiden Seiten anerkannt werden muss. Hier ist die Teilnahme dann auch verpflichtend.
Die Kosten für eine Schlichtung variieren stark
Die Kosten hängen von der Art des außergerichtlichen Verfahrens ab. Ein Mediator kostet pro Stunde durchschnittlich um die 150 Euro, der Stundensatz kann aber auch höher sein. Die Kosten können sich die Konfliktparteien teilen oder dies auch anders festlegen – man sollte sich nur im Vorfeld darauf verständigen, um nicht gleich den nächsten Streit auszulösen.
Schlichtungsstellen und Schiedspersonen sind meist günstiger. Hier fallen je nach Bundesland zwischen 50 und 100 Euro Gebühren an, manchmal werden die Kosten auch von den Verbänden getragen, die die Schlichtungsstelle ins Leben gerufen haben. Bei privaten Schiedsgerichten ist mitunter wie bei ordentlichen Gerichtsverfahren auch der Streitwert ausschlaggebend.
Wann hat eine Schlichtung keinen Sinn?
Es gibt aber natürlich auch Fälle, in denen eine außergerichtliche Streitbeilegung keinen Sinn macht. „In manchen Fällen ist sie nicht möglich oder nicht sinnvoll“, sagt Elke Umbeck, Rechtsanwältin und Partnerin in der Kanzlei Heuking.
Zum Beispiel, wenn eine Partei keine Bereitschaft zu Kooperation oder Kompromiss zeigt, wenn eine rechtlich verbindliche Klärung einer grundsätzlichen Frage erforderlich ist oder wenn eine Partei der anderen überlegen oder von ihr abhängig ist. „Gleiches gilt, wenn die rechtliche Lage eindeutig, einfach oder günstig für eine der Parteien ist, oder wenn es um grundlegende Rechte, Pflichten oder Interessen geht, die nicht verhandelbar oder kompromissfähig sind“, so Umbeck.
Letztlich ist die Entscheidung für oder gegen eine außergerichtliche Streitbeilegung eine individuelle und situationsabhängige Abwägung, die von den Parteien selbst oder mit Hilfe von Beratern, Anwälten oder Vermittlern getroffen werden sollte.