Zurückhaltung beim Thema Luftfilter

Trotz der in Aussicht gestellten Fördermittel des Landes ist noch nicht sicher, ob und nach welchem Prinzip für die hiesigen Schulen Lüftungsgeräte besorgt werden. Kosten und Nutzen der Anlagen werden noch abgewogen.

Schulleiter Heinz Harter und Konrektor Timm Ruckaberle testen in der Max-Eyth-Realschule derzeit einen Raumluftfilter.  Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Schulleiter Heinz Harter und Konrektor Timm Ruckaberle testen in der Max-Eyth-Realschule derzeit einen Raumluftfilter. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Wenn im Herbst das neue Schuljahr beginnt, könnte in so manchem Klassenzimmer ein Luftfiltergerät zum Einsatz kommen. Zumindest wenn es nach der Landesregierung geht, die angekündigt hat, im Rahmen eines Förderprogramms 60 Millionen Euro dafür zur Verfügung zu stellen. Inwiefern die hiesigen Schulen darauf einsteigen, bleibt noch abzuwarten. „Das hängt stark vom jeweiligen Gebäude ab“, erklärt Heinz Harter, geschäftsführender Schulleiter der Backnanger Schulen. Manche Räume ließen sich sehr gut klassisch lüften, andere weniger. Für die Schulen auf der Maubacher Höhe komme mit der Baustelle durch den Neubau der Karl-Euerle-Halle noch hinzu, dass das Öffnen der Fenster einen gewissen Lärmeintrag bedinge. Die Stadtverwaltung teilt mit, dass während der Bauzeit „bei ungefähr 25 bis 30 Klassenzimmern das Lüften nicht oder nur erschwert möglich“ sei. Deshalb werde dort – vorbehaltlich des Entscheides durch den Gemeinderat – geplant, für etwa 150000 Euro Raumluftfilter anzuschaffen. Der Beschluss des Gremiums könne jedoch erst erfolgen, wenn die Förderrichtlinien für die Mittel des Landes vorliegen.

An der Max-Eyth-Realschule sowie am Max-Born-Gymnasium ist derzeit jeweils ein solches Gerät testweise im Einsatz. „Die Rückmeldung des Lehrpersonals ist bisher positiv ausgefallen“, berichtet Harter. Entgegen den Erwartungen sei die Anlage leise und störe den Unterricht daher nicht. Das sei im Hinblick auf die zu erwartende Baustelle sehr angenehm. Nicht überall teilt man diese Erfahrungen. Sabine Hagenmüller-Gehring, die Leiterin des Staatlichen Schulamts Backnang, hat auch schon von Luftfiltern gehört, deren Lautstärke vom Lehrpersonal als störend empfunden wurde. An manchen Bildungsstätten seien die Geräte schon seit einiger Zeit im Einsatz, jedoch längst nicht an allen, weiß sie.

„Klassisches Lüften und Masken tragen sind deswegen nicht vom Tisch.“

Die Schulen und die Schulträger als verantwortliche Stellen für die Ausstattung der Bildungseinrichtungen stecken ihres Erachtens in einem Dilemma. „Einerseits sind solche Geräte mit hohen Kosten verbunden und der Nutzen ist momentan noch nicht ausreichend bekannt“, erklärt sie. Gleichzeitig aber werde vor allem von Elternseite Druck aufgebaut, diesbezüglich aktiv zu werden. „Die Eltern habe große Hoffnung, dass die Filter die Lage verbessern und fordern sie daher.“ Allerdings, macht die Schulamtsleiterin klar, sind auch die mobilen Raumluftfilter keine Allheilmittel. „Klassisches Lüften und Masken tragen sind deswegen nicht vom Tisch.“

Umfrage

Sollen Städte und Gemeinden Luftfiltergeräte für die Schulen anschaffen?

479 abgegebene Stimmen

Die Backnanger Stadtverwaltung hebt hervor: „Bisher sind an den Schulen die geltenden Hygienebestimmungen wie Lüften, Masken tragen, Abstand halten zum Maßstab genommen und umgesetzt worden. Die bisherige Resonanz der Schulleitungen ist für alle Schutzmaßnahmen, die eine Verbesserung im Sinne des Infektionsschutzes darstellen, positiv.“ Beispielsweise haben Schüler wegen der Abstandsregelungen auch schon Klausuren in der Stadthalle geschrieben. Ähnliches berichtet auch Hagenmüller-Gehring: Man beschäftige sich auf Schulleiterebene intensiv damit, wie der Unterricht für Schüler und Lehrpersonal möglichst sicher gestaltet werden kann. In einer Sitzung der geschäftsführenden Schulleiter seien die Raumluftfilter jedoch nicht ausdrücklich gefordert worden. Wichtig werde es in den kommenden Wochen, dass sich die Schulträger in der Region gemeinsam mit dem Gesundheitsamt in ihrer Vorgehensweise abstimmen, sagt Hagenmüller-Gehring. „Nur wenn alle eine gemeinsame Linie fahren, wird sich das auch gut kommunizieren lassen“, sagt sie. Grundsätzlich tue es der Debatte gut, sie zu beruhigen und eine Versachlichung reinzubringen.

Heinz Harter berichtet, dass an der Max-Eyth-Realschule das Thema Luftfilter keine großen Wellen geschlagen habe. Allerdings ließen sich im Gebäude auch die meisten Räume recht gut belüften. Er verfolge die Diskussion um die Geräte intensiv, macht aber klar: „Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Geräte sind andere zuständig.“ Ihm sei es wichtig, dass schrittweise und differenziert vorgegangen wird, es gebe vermutlich keine Musterlösung für alle Schulen.

Die Stadt Backnang als Schulträgerin will sich bei über das Geplante hinausgehenden Anschaffungen an den Vorgaben der Landesregierung und den Entscheidungen durch den Gemeinderat orientieren. Die Priorität und Sinnhaftigkeit muss nach wissenschaftlicher Prüfung auf Landesebene entschieden und finanziert werden. All das gelte im Übrigen auch für den Bereich der Kitas.

Geht es nach der Landesregierung, so sollen die mobilen Lüftungsanlagen, genauso wie sogenannte CO2-Ampeln (Geräte, die den Kohlenstoffdioxidgehalt in der Luft messen), vorrangig in Räumen zum Einsatz kommen, welche nicht belüftet werden können. Außerdem seien die Luftfilter für die Klassenzimmer von Schülern der 1. bis 6. Klasse gedacht, denn sie haben bisher noch keine Möglichkeit, sich impfen zu lassen. Die Beschaffung der Anlagen werde also nur als weiterer Baustein neben den bestehenden Vorgehensweisen wie regelmäßiges Testen, Masken, den eingeübten Hygiene- und Schutzmaßnahmen und gezieltem Impfen vorgeschlagen.

Studie der Hochschule Heilbronn zeigt Wirksamkeit von Luftfiltern

Raumluftreiniger werden als Mittel zur Eindämmung der Coronapandemie für Schulen und Hochschulen kontrovers diskutiert. Einer der Hauptübertragungswege für die Viren sind kleinste luftgetragene Tröpfchen, sogenannte „Aerosole“, die beim Atmen, Sprechen, Niesen, Husten und Singen ausgestoßen werden. Mobile Raumluftfilter zielen auf eine Reduktion des indirekten Infektionsrisikos, indem sie Aerosolpartikel entfernen. Bisher war jedoch noch nicht klar, welche Rolle die Position und Ausrichtung eines Raumluftfilters hat, ob diese Geräte an allen Positionen immer zu einer ähnlichen Reduktion des Infektionsrisikos führen beziehungsweise dieses eventuell in Sonderfällen lokal erhöhen können.

Eine Studie der Hochschule Heilbronn weist nun eine um bis zu 90 Prozent reduzierte Aerosolpartikelkonzentration beim Einsatz eines Raumluftfilters bei empfohlener Einstellung und bestmöglicher Aufstellung nach. Es wurden die belegten Plätze im Testhörsaal, der Ort des „Infizierten“, der Aufstellort und die Ausrichtung des Raumluftreinigers sowie der Volumenstrom variiert sowie die Temperatur und die relative Feuchte untersucht. Auch bei ungünstiger Position und Ausrichtung des Luftreinigers wird die Partikelkonzentration durchschnittlich um etwa 60 Prozent gesenkt. Es ist allerdings darauf zu achten, dass durch die Richtung der Ausblasung keine Partikeln von Person zu Person transportiert werden.

Eine von der Stadt Stuttgart in Auftrag gegebene Untersuchung bestätige allerdings, dass klassisches Lüften am wirksamsten für den Luftaustausch sei. Mobile Luftfilter seien nur sinnvoll, wenn aus baulichen Gründen kein wirksames Stoßlüften möglich ist. Auch das Umweltbundesamt vertritt die Meinung, dass Luftfilter nur eine Ergänzung zum aktiven Lüften sein könnten. Der Städtetag Baden-Württemberg äußerte sich dahingehend, dass mobile Lüftungsanlagen die Pandemie nicht bekämpfen könnten.

Zum Artikel

Erstellt:
9. Juli 2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen