Zwang als Mittel zum Zweck

Die Vorschläge Seehofers für mehr Abschiebungen nagen gefährlich am geltenden Recht

Die Vorschläge Seehofers für mehr Abschiebungen nagen gefährlich am geltenden Recht.

Berlin Die Diagnose des Bundesinnenministers ist sicher richtig: Wenn geltendes Recht nicht durchgesetzt werden kann, dann entsteht ein unermesslicher Vertrauensschaden bei den Bürgern in ihren Staat. Nur gibt es in der Tat viele Felder, auf denen das Recht nicht so durchgesetzt wird, wie es wünschenswert wäre.

Schlimmer ist eigentlich nur, wenn der Staat selbst geltendes Recht vorübergehend außer Kraft setzt – und als genau das hat Seehofer den Zustrom von Flüchtlingen im Sommer 2015 stets bewertet. Das, und nicht ein unhaltbarer Zustand in der Realität, ist der Hintergrund, auf dem nun weitere Verschärfungen geplant werden, obwohl die letzten Neuerungen noch nicht bewertet werden können. Die Union sagt, sie reagiere mit ihrem Entwurf auf die Klagen von Praktikern – Polizisten, Behörden, Gerichte –, die sich an ihrer Aufgabe, Menschen abzuschieben, aufreiben, weil ihnen das Recht Grenzen setzt, die ihre Arbeit ineffektiv und teuer erscheinen lassen.

Das klingt nachvollziehbar. Aber die vorgeschlagene Lösung ist da vermutlich keine: Sie sieht mehr Zwang vor, beschneidet Rechte, darunter das Grundrecht der Freiheit. Sie tut so, als müsse Zwang nicht das allerletzte Mittel sein, sondern können wegen seiner Effektivität angewandt werden. Falls der Entwurf so durchkäme – was unwahrscheinlich ist und der Koalitionspartner SPD kaum mit sich machen lassen kann –, würden Menschen ohne richterliche Anordnung eingesperrt. Wie das nicht rechtswidrig sein soll, muss der Verfassungsminister Seehofer erst noch erklären. Gerichte werden sich ohnehin damit beschäftigen.

katja.bauer@stzn.de

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Erstellt:
15. Februar 2019, 03:04 Uhr

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