Zwei Jahre Haft auf Bewährung für falschen Kripo-Beamten

Das Waiblinger Jugendschöffengericht verurteilt den Drahtzieher der Aktion zu zwei Jahren Haft auf Bewährung, seine Mitangeklagten kommen glimpflicher davon.

Über schreiende Kinder mit einer Pistole vor der Nase lache keiner, begründete der Richter sein Urteil. (Symbolbild)

© Peter Steffen

Über schreiende Kinder mit einer Pistole vor der Nase lache keiner, begründete der Richter sein Urteil. (Symbolbild)

Von Heike Rommel

Aspach/Backnang. Keiner der Prozessbeteiligten hat sich erklären können, was das Trio geritten hat, als es sich vor über einem Jahr mit einer gefälschten Polizeimarke in Aspach und Backnang als Drogenfahnder ausgegeben hat. Das Waiblinger Jugendschöffengericht verurteilte den 22-jährigen Haupttäter zu zwei Jahren Haft auf Bewährung – „Special Police“ ist dieser damit wohl die längste Zeit gewesen. Die beiden weiteren Täter sind etwas glimpflicher davon gekommen.

Der 22-jährige Drahtzieher der Aktion hatte eine Schreckschusswaffe, Handschließen, Pfefferspray und eine gefälschten Polizeimarke mit der Aufschrift „Special Police“ organisiert. Damit drangen er, seine 19-jährigen Freundin und ein 21-jähriger Freund am 15. Februar 2023 in eine Aspacher Flüchtlingsunterkunft ein, in welcher er selbst einmal gelebt hatte. Eine 39-jährige Ukrainerin wiegte dort gegen 23 Uhr noch ihr Kind in den Schlaf. Ihr Ehemann und ihr 10-jähriger Sohn waren schon im Bett, als plötzlich die drei Angeklagten ziemlich laut an der Tür auftauchten.

Der Sohn wachte auf und begann aus Angst vor den fremden Menschen zu schreien und zu weinen, woraufhin die 19-Jährige mit der Schreckschusspistole vor der Nase des Kindes herumfuchtelte. „Mein Mann fragte: Wer sind Sie, verlassen Sie bitte die Wohnung“, schilderte die Mutter die Situation vor Gericht. Der 22-Jährige habe währenddessen ihre Schubladen durchsucht. Etwa eine Stunde später sei das falsche Kripo-Trio zu ihren Nachbarn hoch gegangen. Danach habe sie durch das Fenster gesehen, wie die drei schließlich von der echten Polizei abgeführt wurden, erzählte die Ukrainerin.

Der Nachbar oben hatte die Zimmertüre nicht abgeschlossen und wurde von einer Taschenlampe aus dem Schlaf gerissen. „Sie haben meine Kopfhörer mitgenommen“, sagte der 28-jährige Azubi vor Gericht.

Die Täter rissen dem Café-Betreiber sein Handy aus der Hand

Zwischen den beiden als Polizeieinsatz getarnten Übergriffen waren die drei Personen nicht untätig, sondern fuhren nach Backnang zu der Wohnung eines Café-Betreibers, bei dem der Hauptangeklagte einmal zu Gast gewesen war. „Zeigen Sie ihren Ausweis“, sagte der 68-jährige Betreiber zu den falschen Polizisten und bemerkte dabei, dass die Glasscheibe an der Haustüre kaputt ist. Die drei Täter rissen dem Mann sein Handy aus der Hand, damit er nicht die richtige Polizei rufen kann. „Das sind keine Polizisten“, bemerkte auch sein Sohn, dem es schließlich gelang, die Polizei zu informieren.

Die Metallmarke mit der Aufschrift „Special Police“ sah für den vorsitzenden Richter Martin Luippold eher aus wie eine von der Fasnet. Von einer spaßigen Angelegenheit war allerdings keine Rede mehr, als er, die zwei Laienrichter und der Stuttgarter Staatsanwalt Timo Kaufmann hören, wie es der ukrainischen Familie mit der Aktion der falschen Kriminalpolizisten ergangen ist. Als „Sauerei“ bezeichnete der Ankläger die Tat in seinem Plädoyer, in welchem er zwei Jahre und zehn Monate Gefängnis für den 22-Jährigen forderte. Die Mutter des 10-Jährigen nahm vor dem Jugendschöffengericht keine Entschuldigung an. Die Täter hätten die Kindheit ihres Sohnes zerstört und es gebe möglicherweise Spätfolgen bis ins Erwachsenenalter, sagte sie. Ihr Sohn habe nun Angst vor Menschen und werde kinderärztlich behandelt.

Mit dem Urteil von zwei Jahren Haft auf Bewährung nach Erwachsenenstrafrecht landete der mit 13 Jahren alleine nach Deutschland gekommene 22-jährige Iraker an der Grenze dessen, was gerade noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. An die Eltern des traumatisierten 10-Jährigen muss er 3000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Von der 19-jährigen Täterin, die vor dem Kind mit der Waffe herum gefuchtelt hat, bekommen die Eltern außerdem 1000 Euro. Sie ist selbst Ukrainerin. Die Schreckschusswaffe hatte sie auf der Fahrt zum Backnanger Polizeirevier in einem Streifenwagen in ein Seitenfach gestopft. Eine zweite Schreckschusswaffe wurde im Auto des 22-Jährigen gesichert.

Die beiden Jüngeren des Trios machen bereits einen sozialen Trainingskurs

Am wenigsten zur Tat beigetragen hat der 21-Jährige. Er hat lediglich die falsche Polizeimarke vorgezeigt. Er muss nun ebenfalls 1000 Euro an die ukrainische Familie bezahlen. Vor Gericht kam gut an, dass er, wie auch die 19-Jährige, aktuell gemeinnützig arbeitet und schon vor dem Prozess mit einem sozialen Trainingskurs der Jugendgerichtshilfe angefangen hat.

Alle drei Täter standen zum ersten Mal vor Gericht. Aber über schreiende Kinder mit einer Pistole vor der Nase lache kein Mensch, begründet der Richter sein Urteil. Die ukrainische Familie leide bis heute.

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Erstellt:
8. Juni 2024, 06:00 Uhr

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