Zwei neue Flüchtlingsunterkünfte
Die Stadt Backnang empfiehlt aufgrund der gestiegenen Flüchtlingszahlen Gemeinschaftsunterkünfte in Form von zweigeschossigen Containeranlagen in der Öhringer Straße und im Aurelis-Areal zu errichten. So könnten insgesamt 120 Flüchtlinge untergebracht werden.
Von Matthias Nothstein
Backnang. Die Zahl der Flüchtlinge, die auch im Rems-Murr-Kreis untergebracht werden müssen, wird in nächster Zeit deutlich steigen. Die Stadt Backnang, auf deren Gebiet derzeit keine Gemeinschaftsunterkunft existiert, plant nun den Bau von zwei solcher Unterkünfte, in denen insgesamt 120 Flüchtlinge untergebracht werden könnten. Die Entscheidung darüber beziehungsweise über die Standorte soll heute Abend im Ausschuss Technik und Umwelt des Backnanger Gemeinderats fallen.
Der Vorschlag der Verwaltung sieht vor, die Asylbewerber auf zwei jeweils zweigeschossige Containeranlagen zu verteilen. Insgesamt wurden vier Standorte geprüft. Die Empfehlung der Verwaltung lautet nun: Die Container sollen in der Öhringer Straße und auf dem Aurelis-Areal in der Maubacher Straße aufgestellt werden.
Die Vorteile für den Standort Öhringer Straße sind, dass sich die Fläche im Eigentum der Stadt befindet, Baurecht besteht und das Projekt schnell umsetzbar ist. Zudem existiert für die Bewohner eine gute Nahversorgung. Und auch aus polizeilicher Sicht ist die Fläche laut Stadt sehr gut geeignet. Die Nachteile hingegen halten sich in Grenzen. So ist etwa der Erschließungsaufwand aufgrund der Topografie erhöht. Negativ schlägt ferner zu Buche, dass die soziale Integration in einem Gewerbegebiet erhöhte Anforderungen mit sich bringt. Und es müsste eventuell ein Lärmschutz zur angrenzenden B14 hin errichtet werden.
Beim Aurelis-Areal könnte der Lärmschutz indes wegen der Bahnlinie erforderlich werden. Das ist jedoch der einzige Nachteil. Die Liste der Vorteile ist lang: gute soziale Integration, Eigentum der Stadt, Baurecht ist vorhanden, zeitnahe Umsetzbarkeit, zentrale Lage, gute ÖPNV-Anbindung und gute Nahversorgung.
Zwei Standorte erhaltennicht die oberste Priorität.
Die beiden anderen untersuchten Standorte sind die Gartenstraße/Obere Walke und das Mittelfeld neben dem Tennisgelände. Für die Gartenstraße/Obere Walke würde die gute soziale Integration, die zentrale Lage, das vorhandene Baurecht, die gute Versorgungssituation und die gute ÖPNV-Anbindung sprechen. Dagegen jedoch, dass die Stadt nicht Eigentümer des Geländes ist und in der näheren Umgebung eine „Einsatzhäufigkeit der Polizei“ vorliegt.
Im Gegensatz dazu ist das Mittelfeld neben dem Tennisgelände im Eigentum der Stadt. Unter Vorteilen sind ferner aufgelistet gute Versorgungslage und ÖPNV-Anbindung. Und die Nachteile? Für die Realisierung wäre die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich. Zudem wäre die soziale Integration durch die fehlende Wohnbebauung in der Nachbarschaft unzureichend. Zu bedenken gibt die Verwaltung zudem den hohen Aufwand für die Ver- und Entsorgung des Grundstücks und die Geländemodellierung. Und: Über dem Grundstück verläuft eine 110-kV-Stromleitung.
Unter Abwägung aller Vor- und Nachteile bei den jeweiligen Standorten bewertet die Verwaltung die Standorte Öhringer Straße und Aurelis-Areal in der Maubacher Straße mit höchster Priorität. Das letzte Wort haben jedoch heute die Ausschussmitglieder.
Wenn die Stadt künftig wieder Gemeinschaftsunterkünfte anbieten kann, dann wirkt sich dies auch auf die Zahl der Asylbewerber aus, die ihr zugeteilt werden. Denn die Regelung funktioniert so: Im Rems-Murr-Kreis erfolgt die Verteilung der Geflüchteten auf Grundlage der Einwohnerzahlen der einzelnen Kommunen. Daraus ergibt sich eine Quote für die Anschlussunterbringung. Um all jene Kommunen zu entlasten, auf deren Gemarkung eine Gemeinschaftsunterkunft des Landkreises betrieben wird, erhalten diese Kommunen einen Abschlag auf die Quote jener Flüchtlinge, die sie in der Anschlussunterbringung versorgen müssen. Bislang hatte dies die Konsequenz, dass die Stadt Backnang eine erhöhte Zuweisung in der Anschlussunterbringung bekam, da sie keine Gemeinschaftsunterkunft unterhalten hat.
In der Sitzung gibt die Verwaltung auch einen Bericht über die Entwicklung der Anschlussunterbringung. So gibt es derzeit in der Hohenheimer Straße zwei Gebäude mit einer Belegung von derzeit 39 Personen sowie einen Container mit einer Belegung von aktuell 14 Personen. Die Stadt muss das betroffene Gelände jedoch an die Waldorfschule übergeben, um deren bauliche Entwicklung nicht zu behindern. Die Gebäude müssen bis Ende 2022 geräumt werden.
Dies hat zur Konsequenz, dass der im Eigentum der Stadt befindliche Wohncontainer mit 20 Plätzen von der Hohenheimer Straße auf das Gelände der Fabrikstraße 5/1 (frühere Obdachlosenunterkunft) umgesetzt werden muss. Das Baugesuch ist in Arbeit. Der Verlust dieser Plätze bedeutet, dass weitere Alternativen gefunden werden müssen, zumal die weitere Entwicklung in der Ukraine schwer abschätzbar ist und nach neuesten Prognosen von einer Zuweisung von mindestens 250 ukrainischen Flüchtlingen für Backnang auszugehen ist. Die Stadtverwaltung empfiehlt daher mit Blick auf die jüngsten Untersuchungen und den Eigentumsverhältnissen den Standort Mittelfeld neben der Tennisanlage als temporäre AU-Unterkunft in Betracht zu ziehen. Zeitgleich könnte die Beschaffung der Containeranlage eingeleitet werden, sodass diese Unterkunft bis zum Jahresende zur Verfügung steht. Der Standort Gartenstraße/Obere Walke wird mit Priorität 2 bewertet und bei Bedarf und entsprechender Entwicklung der Flüchtlingszahlen als Standort für die Gemeinschafts- oder Anschlussunterbringung festgelegt.
Entlastung Der Wunsch des Landkreises, in Backnang Gemeinschaftsunterkünfte mit 120 Plätzen einzurichten, wird als angemessen und verteilungsgerecht angesehen. Die in den Gemeinschaftsunterkünften untergebrachten Personen werden auf die AU-Quote der Stadt Backnang im Verhältnis 3:1 angerechnet. Also: Die Bereitstellung von GU-Plätzen reduziert die AU-Quote. So müssen weniger Flüchtlinge in städtischen Anschlussunterkünften versorgt werden, die städtischen Unterkünfte werden entlastet.
Gemeinschaftsunterkünfte Der Rems-Murr-Kreis ist bestrebt, die Gemeinschaftsunterkünfte dezentral und entsprechend der Einwohnerzahl auf die Kommunen zu verteilen. Es ist ein Ziel des Landkreises, eine möglichst große Verteilungsgerechtigkeit herbeizuführen. In den nachfolgenden Städten sind folgende Gemeinschaftsunterkünfte vorhanden:
Aspach 65 Plätze
Murrhardt 56 Plätze
Kirchberg 83 Plätze
Weinstadt 155 Plätze
Schorndorf 141 Plätze
Leutenbach 104 Plätze
Waiblingen 156 Plätze
Winnenden 40 Plätze
Welzheim 44 Plätze
Verteilung Die Backnanger Stadtverwaltung und die Stadträte haben in mehreren Ausschusssitzungen vorberaten. Um eine ausgewogene Verteilung auf das Stadtgebiet zu gewährleisten, bestand Einigkeit, 120 Personen auf zwei Standorte zu verteilen. Dies bedeutet, dass pro Standort eine zweigeschossige Containeranlage in der Größe 26,8 mal 14,6 Meter erstellt werden soll.
Ukraine Der Ukrainekrieg hat eine neue Dynamik in der Flüchtlingsunterbringung ausgelöst, die das Land, den Landkreis und die Stadt vor große Herausforderungen stellt. Die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge kann nicht verlässlich prognostiziert werden. Auf dem Gebiet der vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft Backnang sind aktuell 256 Flüchtlinge, davon 104 im Stadtgebiet Backnang, ausländerrechtlich registriert (Stand 28. März).
Wohnungen Die ukrainischen Flüchtlinge sind bislang ganz überwiegend in privatem Wohnraum untergekommen. Der Krieg hat bei der Bevölkerung große Hilfsbereitschaft ausgelöst. Unmittelbar nach seinem Ausbruch wurden der Stadt Backnang Wohnungen angeboten, inzwischen sind es mehr als 60 Wohnungen für 100 bis 120 Personen. Die meisten Wohnungen sind in einem ausgezeichneten Zustand und zum Teil möbliert sind. Der Renovierungsaufwand ist überschaubar. Die Stadt hofft, dass mit diesen Angeboten die erste Flüchtlingswelle abgedeckt werden kann. Es ist geplant, die Wohnungen anzumieten. Für die Miethöhe dient der Backnanger Mietspiegel als Orientierungshilfe.