Zwischen 15 Minuten und 15 Tagen
So arbeitet die Redaktion (19): Wie lange braucht es, um einen Artikel zu schreiben?
Von Matthias Nothstein
BACKNANG. Nicht nur bei Besuchen in Schulklassen ist es eine der Standardfragen schlechthin: „Wie lange braucht es, um einen Artikel zu schreiben?“ Auch wenn von Journalisten kraft Amtes klare Antworten erwartet werden, so muss die Leserschaft in diesem Fall enttäuscht werden. Die Zeit, die Journalisten oder Redakteure für einen Bericht benötigen, schwankt extrem. Es kann sein, dass ein Artikel der vorliegenden Länge in 15 Minuten verfasst ist, in anderen Fällen braucht er dafür Tage, Wochen oder gar Monate. Es kommt immer darauf an, wie gut oder schlecht sich der jeweilige Schreiber in der Materie auskennt und wie viele Ansprechpartner er benötigt.
Einen Artikel über ein Thema zu verfassen, das zu den Steckenpferden des Autors zählt, dauert in der Regel nur kurze Zeit. Einen solchen Beitrag können die meisten aus der schreibenden Zunft einfach aus dem Ärmel schütteln.
Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn der Journalist von dem Thema selbst keine große Ahnung hat und auf Fachleute angewiesen ist. Dann gilt es erst einmal, sich einzulesen. Sei es ganz klassisch in Büchern oder – inzwischen die viel häufigere Variante – im Internet auf qualifizierten Seiten.
Sobald sich das Thema etwas genauer abzeichnet, kommen die richtigen Ansprechpartner ins Spiel. Und genau das kann Zeit kosten. Um Gesprächstermine zu vereinbaren können Tage, je nach Terminkalender des gewünschten Gesprächspartners auch Wochen vergehen, bevor der erste Kontakt stattfinden kann. Und auch dann ist längst noch nicht klar, ob es auch schon inhaltlich um das Thema geht. Im günstigsten Fall kann das Gespräch direkt und am Telefon geführt werden. Denkbar ist aber auch, dass erst ein Treffen vereinbart werden muss. Zudem ist es aus journalistischer Sicht geboten, nicht nur eine Seite zu hören. Also müssen auch jene Vertreter zu Wort kommen, die eventuell eine abweichende Meinung vertreten. Unter Umständen werden auch Sachverhalte, die in einem ersten Gespräch notiert wurden, wieder infrage gestellt. Dann heißt es, die Recherche nochmals zu wiederholen.
Auch wenn alle Informationen vorliegen, geht nicht jeder Artikel leicht von der Hand. Der Einstieg soll den Leser wenn schon nicht fesseln, dann zumindest nicht langweilen. Oft muss viel gefeilt werden, bis die Formulierungen stimmen. Umstellen, verwerfen, neu beginnen – das kann dauern.
Wohl dem, der Zeit dafür hat. Denn all dies wird sehr eingeschränkt, wenn es darum geht, einen Artikel aktuell zu verfassen. Wenn die Handballer des HCOB bis nach 21 Uhr auf Torejagd gehen, der Neujahrsempfang sich in die Länge zieht oder die Polizei erst um 22 Uhr die Informationen zu einem schweren Unfall bietet – dann tickt die Uhr vernehmbar. Im technischen Betrieb der Backnanger Kreiszeitung scharren dann die Mitarbeiter mit den Hufen, muss doch die Druckmaschine spätestens nach Mitternacht anlaufen, wenn die Auslieferung der Zeitungen nicht in Verzug kommen soll.
Viele Redakteure laufen unter diesem Zeitdruck zu Hochform auf. Sie arbeiten dann sehr konzentriert, effizient und schnell. Dann ist ein Artikel dieser Länge auch einmal in wenigen Minuten getippt. Das schöne an diesem Beruf ist die Abwechslung. Und so gibt es halt keine klare Antwort auf die Frage, wie lange braucht es, um einen Artikel zu schreiben. 15 Minuten sind eine Möglichkeit, aber auch 15 Tage. Je nach Thema.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Wenn sich die Recherche zu einem Thema in die Länge zieht, weil etwa die Ansprechpartner nicht erreichbar sind, dann dreht der Redakteur in der Zwischenzeit nicht Däumchen, sondern es werden andere Arbeiten vorgezogen. Schließlich gibt es nicht nur ein Thema. Und die Zeitung muss jeden Tag mit interessantem Material gefüllt werden.