Abschied der Generation Weltmeister

Für Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels ist in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft kein Platz mehr

DFB-Elf - Mit der Ausbootung von Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels treibt Bundestrainer Joachim Löw den Umbruch im DFB-Team voran. Was wird aus Kapitän Manuel Neuer?

Stuttgart Im La Strada, einem beige-blauen Businesshotel im Süden von Kassel, hat Joachim Löw bei seinem ersten offiziellen Termin in diesem Jahr deutliche Worte gefunden. Vehement zog er auf dem DFB-Amateurkongress am vorvergangenen Wochenende gegen „Rudelbildung, Schwalben und Simulanten“ zu Felde und forderte, dem Treiben Einhalt zu gebieten. Gut erholt präsentierte sich der Bundestrainers, der es zu schätzen weiß, dass er zwischen den Länderspielterminen monatelang abtauchen darf.

Den unangenehmsten, aber mit Abstand wichtigsten inoffiziellen Termin zwischen dem letzten Länderspiel des Jahres 2018 Mitte November in den Niederlanden und dem ersten im Jahr 2019 am 20. März gegen Serbien legte Löw weit ans Ende seiner viermonatigen Auszeit. Mitsamt Co-Trainer Marcus Sorg und DFB-Direktor Oliver Bierhoff ist der Bundestrainer am Dienstag nach München gereist, um drei langjährigen ­Mitstreitern eine unerfreuliche Neuigkeit mitzuteilen: Die Weltmeister Thomas Müller (29), Jérôme Boateng (30) und Mats Hummels (30) gehören künftig nicht mehr der deutschen Nationalmannschaft an.

Es sei an der Zeit, „die Weichen für die Zukunft zu stellen“, so ließ sich Löw anschließend auf der DFB-Homepage zitieren. Man wolle der Mannschaft „ein neues Gesicht geben“, er sei „überzeugt, dass das der richtige Schritt ist. Die jungen Nationalspieler erhalten den nötigen Raum zur vollen Entfaltung. Sie müssen nun die Verantwortung übernehmen.“ Flankiert wurde die Nachricht vom Beifall des DFB-Präsidenten Reinhard Grindel, der „die harte Entscheidung nur begrüßen“ konnte: Der Auftakt der Qualifikation für die EM 2020, der vier Tage nach dem Serbien-Spiel in den Niederlanden folgt, sei „genau der richtige Zeitpunkt für personelle Veränderungen“.

Es ist ein radikaler Schnitt, der dem Bundestrainer einige schlaflose Nächte bereitet haben dürfte. Der 59 Jahre alte Südbadener ist ein Harmoniemensch, dem nichts schwerer fällt, als langjährige Weggefährten enttäuschen zu müssen. Auch deshalb scheute er sich unmittelbar nach der desaströsen WM in Russland, den nötigen personellen Umbruch in Angriff zu nehmen. Erst als nach dem 0:3-Debakel gegen die Niederlande Mitte Oktober seine eigene Ablösung kurz bevorstand, konnte sich Löw zu einer Kurskorrektur durchringen. Erstmals rückte er erkennbar von seinen Weltmeistern ab.

Die Ausbootung von Müller, Boateng und Hummels ist nun der vorerst letzte und größte Schritt, nachdem es zuvor bereits Sami Khedira (31) getroffen und Mesut Özil (30) sich im Zuge des Erdogan-Gate selbst aus dem Spiel genommen hatte. Ein Zurück wird es für niemanden geben. Er sei immer „extrem stolz“ gewesen, das Trikot der ­Nationalmannschaft zu tragen, erklärte Boateng: „Dennoch hätte ich mir natürlich einen anderen Abschied für uns gewünscht. Ich bin überzeugt, dass ich weiterhin auf höchstem Niveau spielen kann.“

Es ist das Ende der goldenen Weltmeister-Ära, das Philipp Lahm, Per Mertesacker und Miroslav Klose mit ihren Rücktritten gleich nach dem Titelgewinn 2014 eingeleitet hatten. Neben den damaligen Hinterbänklern Julian Draxler (25) und Matthias Ginter (25) bleiben jetzt nur noch Torwart Manuel Neuer (32) und Toni Kroos (29) übrig. Allerdings scheint auch das Ende von Kapitän Neuer nicht mehr fern. Den Konkurrenzkampf um die Nummer eins, den Löw vor der WM noch außer Kraft gesetzt hatte, den gebe es nun „logischerweise“, wie der Bundestrainer zuletzt erklärt hat: „Am Ende zählt immer die Leistung.“ Während Neuer bei den Bayern oft verletzt ist, überschlägt sich die spanische Presse seit Wochen angesichts der überragenden Leistungen von Marc-André ter Stegen (26) im Tor des FC Barcelona.

Gut möglich also, dass Joachim Löw bald wieder nach München reisen muss, um sehr unerfreuliche Nachrichten zu überbringen.

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Erstellt:
7. März 2019, 09:11 Uhr

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