Jana Scheib: Aus der „Viper“ wird schon bald eine „Tussie“
Das einstige TVO-Talent hat sich beim Handball-Bundesligisten Bad Wildungen ins Blickfeld der deutschen Nationalmannschaft gespielt. Beim 35:24 über Neuling Waiblingen zeigt die 21-Jährige, warum sich das Topteam aus Metzingen ihre Dienste ab der kommenden Saison gesichert hat.
Von Uwe Flegel
„Ich mag es, vor bekannten Gesichtern zu spielen“, erklärte Jana Scheib nach der Partie und strahlte. Dazu hatte die Linkshänderin, die in Oppenweiler mit dem Handball begann, allen Grund. Schließlich hatte sie vor den Augen ihrer Familie und einiger Freunde mit der HSG Bad Wildungen Vipers in der Ersten Bundesliga der Frauen souverän mit 35:24 beim Aufsteiger VfL Waiblingen Tigers gewonnen.
Und: Die 21-Jährige war eine der prägenden Figuren, vielleicht gar die prägende Figur der Partie. In der Offensive verbuchte sie mit acht Toren bei acht Versuchen eine 100-prozentige Ausbeute und leitete mit ähnlich vielen erfolgreichen Anspielen weitere Treffer ihres Teams ein. Zudem war sie in der Defensive eine der zentralen Spielerinnen einer vor allem vor der Pause starken Abwehr.
Eine etablierte Bundesliga-Spielerin
Die junge Frau, die vor gut drei Jahren vom Schwabenland ins Nordhessische aufgebrochen war, um es dort zu einer etablierten Bundesliga-Spielerin zu bringen, hatte eindrucksvoll gezeigt, dass sie das längst ist. „Sie hat ein sehr gutes Spiel gemacht“, urteilte Bad Wildungens Trainerin Tessa Bremmer hernach und verdeutlichte mit ihrem Nachsatz, dass das keine Ausnahme war. Denn die 39-jährige niederländische Ex-Nationalspielerin hatte noch einen Tipp für ihren Kollegen Markus Gaugisch, Coach des Deutschen Meisters Bietigheim und Bundestrainer in Personalunion, übrig: „Es wäre schön, wenn er das dann auch mal registrieren würde. Zumindest in den deutschen 35er-Kader für die EM müsste es eine der besten Rückraumspielerinnen der deutschen Bundesliga eigentlich schaffen.“
In den gut drei Jahren in der Fremde vom Talent zur kompletten Spielerin gereift
Erst recht eine, die in wenigen Tagen ihren erst 22. Geburtstag feiert und die trotz ihres jungen Alters schon eine tragende Säule eines Erstligisten ist, auch dank Tessa Bremmer und den Vipers. „Ich bin gereift, habe hier drei Jahre lang die Möglichkeit bekommen, eine tragende Rolle zu spielen“, erzählte die Studentin der Wirtschaftswissenschaften an einer Fernuniversität und fügte hinzu: „Selbst in Phasen, in denen es bei mir mal nicht so lief.“
Ganz offensichtlich war es für sie der richtige Weg, mit 18 Jahren das Zuhause im Murrtal zu verlassen und fast 350 Kilometer sowie gut dreieinhalb Stunden auf der Autobahn entfernt das sportliche Glück zu suchen. Sie scheint es gefunden zu haben, denn Jana Scheib ist sich sicher: „Diese Spielpraxis habe ich gebraucht, dieses Vertrauen habe ich gebraucht. Es war gut für mich, zu wissen, dass man hinter mir steht.“
Mit dem Wechsel nach Metzingen näher an die Heimat und das Nationalteam heran
Dennoch ist kommendes Frühjahr Schluss bei den Nordhessinnen. Schon vor dieser Saison hat die Frau, die vor fünf Jahren als sechsfache Torschützin entscheidend daran beteiligt war, dass die deutsche U-17-Nationalmannschaft Europameister wurde, bei der TuS Metzingen einen Vertrag unterschrieben. Mindestens bis zum Sommer 2015 zählt sie zu den „Tussies“, wie sich die Tabellenfünften und European-League-Starter der Vorsaison selbst nennen. „Ich hatte dann hier in Bad Wildungen vier schöne Jahre“, sagt Jana Scheib und begründet den Wechsel: „Ich will jetzt den nächsten Schritt machen, auch wenn ich weiß, dass ich in Metzingen zunächst nicht ganz so viel Spielzeit erhalten werde.“
So wie es eben ist, wenn es von einem Verein, der vor allem den Nichtabstieg zum Ziel hat, zu einem Klub geht, der den Anspruch hat, zu den Top fünf hinter der Spitzenmannschaft aus Bietigheim zu zählen. „Vielleicht hilft mir der Wechsel ja auch in Sachen Nationalmannschaft“, hofft die 1,80 Meter große Linkshänderin und macht klar: „Mein Ziel ist, den Adler wieder auf dem Trikot tragen zu dürfen. Dafür ordne ich gerade alles dem Handball unter.“
Ein kleines bisschen Heimweh ist immer geblieben
Wobei die sportliche Seite nur ein Teil der Geschichte ist. Ein zweiter ist die Rückkehr ins Schwabenland und die damit verbundene Annäherung auf gut 80 Kilometer an die Backnanger Bucht. Denn eines ist trotz der handballerisch tollen Zeit in Nordhessen stets geblieben: ein kleines bisschen Heimweh. „Es ist manchmal schwierig, alleine in Bad Wildungen zu sitzen und zu Hause feiert jemand aus der Familie oder von den Freunden Geburtstag“, bekennt Jana Scheib.
Entsprechend froh war sie, dass sie die Partie in Waiblingen nutzen konnte, um das restliche Wochenende bei der Familie zu verbringen. Dafür ließ sie sogar die angesichts des klaren Sieges im Remstal sicher sehr fröhliche Busfahrt mit den Mannschaftskolleginnen in die unweit des Edersees gelegene Kurstadt gerne sausen. Denn vor bekannten Gesichtern gerne zu spielen ist das eine. Mit Vater Bernhard und Mutter Regina aber anschließend gemeinsam heimfahren zu dürfen das andere – und wirklich besonders Erfreuliche an einem so erfolgreichen Besuch in der alten Heimat.
Die Anfänge Mit Handball begann die am 10. Oktober 2000 in Ludwigsburg geborene Jana Scheib bei den Minis des TVO, der seit 2014 mit der TSG Backnang den HC Oppenweiler/Backnang bildet. Zudem spielte sie bis zur D-Jugend beim TSV Bad Rietenau Fußball. Im Sommer 2011 wechselte die Tochter der TVO-Legende Bernhard Scheib und der ebenfalls bekannten Handballerin Regina Scheib zur SG BBM Bietigheim.
Die ersten Aktivenjahre In Bietigheim gelang ihr der Sprung ins Junioren-Nationalteam. Als 17-Jährige erzielte sie gegen den HC Rödertal ihre ersten Bundesliga-Tore (2) und zählte gegen den Thüringer HC zum ersten Mal zum Champions-League-Aufgebot.
Die Bundesliga Seit der Saison 2019/2020 spielt Scheib für die HSG Bad Wildungen. Dort entwickelte sie sich zu einer Spielerin, die laut Trainerin Tessa Bremmer „seit Jahren konstant gute Leistungen bringt“.