Bei den Kleinen mittlerweile richtig groß
Zwei Generationen, ein Sport Rainer Bass und Anne Niedan zeigen, wie positiv sich die Jugendarbeit im Tennis entwickelt hat
10 Jahre alt ist Anne Niedan gerade erst. Trotzdem gewann die Maubacherin bereits vier Mal den Bezirksmeistertitel. Etwas, das für Rainer Bass in seinen Jugendjahren unmöglich war. „Ich durfte erst mit 10 anfangen, vorher war das nicht möglich, da der Schläger für uns damals zu groß und zu schwer war.“ Es ist nicht das Einzige, das sich im Tennis in den vergangenen 54 Jahren geändert hat.

© Tobias Sellmaier
Zeigen, was sich unter anderem bei Schlägern und Bällen getan hat: Rainer Bass und Anne Niedan. Das TSG-Urgestein konnte mit zehn Jahren erst mit Tennis beginnen, das Talent ist in diesem Alter bei Bezirksmeisterschaften bereits vier Mal in Folge ganz obenauf gewesen. Foto: T. Sellmaier
Von Uwe Flegel
Seit 54 Jahren schwingt Rainer Bass bei der TSG den Tennisschläger, gehört seit über 20 Jahren dem Ältestenrat an und ist seit der Gründung des Fördervereins 1994 dessen Schatzmeister. Nach einer Halswirbel-Operation spielt er zwar nur noch freizeitmäßig, doch als Aktiver und Jugendlicher war er mehrfacher Clubmeister im Einzel, Doppel und Mixed. Zudem steuerte er in der ersten Mannschaft und später bei den Jungsenioren und Senioren wichtige Punkte bei. Mit den Männern 40 wurde er unter anderem württembergischer Mannschaftsmeister und stieg in die Regionalliga auf.
Eine eindrucksvolle Bilanz und eine, die bei Anne Niedan erste Fragen hinterlässt. Clubmeisterschaften gibt es mittlerweile ebenso nicht mehr wie den alten Holzschläger, den Rainer Bass als Beispiel dafür mitgebracht hat, was sich beim Material im Tennis verändert hat. Während er Anfang der Sechziger vier Jahre lang zuschauen und warten musste, ehe er wie sein vier Jahre älterer Bruder bei der TSG ebenfalls das Racket schwingen durfte. Damals noch an der Hohenheimer Straße, wie Anne Niedan erfährt. Sie kennt nur die schmucke Anlage am Ungeheuerhof. Woher soll eine Zehnjährige auch wissen, dass das Backnanger Tennis des Jahres 1925 nur auf einem einzigen Platz auf dem Hagenbach stattfand, ehe von 1953 bis 2000 die Anlage an der Hohenheimer Straße in der Murr-Metropole die Heimat des sogenannten weißen Sports war. Ein Ausdruck, der mittlerweile nur noch aufkommt, wenn das Turnier im Tennis-Mekka Wimbledon auf dem Plan steht. „Bei uns waren damals sogar noch die Bälle weiß“, erzählt Rainer Bass.
Ein Blick aufs Equipment der heutigen Nachwuchsspieler zeigt, dass sich nicht nur bei den Schlägern in Sachen Gewicht, Größe und Farbe viel getan hat. Bunt wird’s unter anderem auch bei den Bällen. Aus gutem Grund. Die gelb-roten Filzkugeln zum Beispiel sind druckreduziert, etwas größer und dadurch rund 75 Prozent langsamer als normale Tennisbälle, werden sie doch von den Jüngsten (Altersklassen U 8 bis U 10) auf dem Kleinfeld genutzt. Orange-gelb gibt’s für das etwas größere Midcourt-Spielfeld (U 9 und U 10) und der Druck ist nur noch um 50 Prozent reduziert. Ist das Gelb von einem grünen Punkt verziert, dann fehlen noch 25 Prozent zur Normalität. Solche Bälle werden im Kids-Cup U 12 und von der U 10 auf dem Großfeld gespielt.
Rainer Bass wäre in seiner Jugend über solche Erleichterungen froh gewesen: „Es ist toll, was sich in der Hinsicht getan hat.“ Das gilt auch für die Anlagen, war Tennis einst doch nur in der warmen Jahreszeit und mangels Flutlicht nur bei Tageslicht möglich. „Eine Halle gab’s am Anfang nicht und einen anderen Boden als Asche kannten wir nicht“. Auch das Training war eine andere Welt. An extra Einheiten bei einem Koordinations- und Konditionstrainer, wie ihn die TSG mit Daniele Sica anbietet, war nicht ansatzweise zu denken. „Links, rechts, links, rechts und dann wurden die Bälle eingesammelt“, erinnert sich Bass und sagt: „Unser Vorbild war Wilhelm Bungert. Kam der im Fernsehen sind wir danach auf den Platz gegangen und haben das nachgemacht, was wir gesehen haben.“
Das ist heute nicht so viel anders. Idole hat auch Anne Niedan. Zum Beispiel Wimbledon-Siegerin Angelique Kerber, von der sie wie vom Schweizer Roger Federer „ein Autogramm hat“. Zum Tennis kam sie ebenfalls ähnlich wie Rainer Bass. Nur war sie erst Vier, als sie ihrem zwei Jahre älteren Bruder Moritz nacheiferte, der über das mehrfach ausgezeichnete Grundschulprogramm der TSG aufs Tennis stieß und dank leichterer und größerer Bälle sowie Schläger dabei bleiben konnte. Wobei die Geschwister nicht nur Bälle übers Netz jagen, sondern in Winnenden zudem Leichtathletik betreiben. Nicht das Schlechteste, wie Rainer Bass weiß, denn in Sachen Kraft und Schnelligkeit ist das, „was ich heute sehe, zehn Mal besser als das, was früher war“.
Seit dem vergangenen Sommer bat unsere Zeitung zwei Vertreter verschiedener Generationen aus einer Sportart zum Erfahrungsaustausch. Mit dem Gespräch zwischen Anne Niedan und Rainer Bass von der TSG Backnang Tennis endet die Serie.