Bei der TSG Backnang ist noch kein Basketballboom in Sicht

Janina Kuczmann-Orth bedauert, dass die großen Sender und viele Medien nichts oder nur wenig über die Weltmeisterschaft in Asien berichten. Auch weil die Siege der deutschen Nationalmannschaft für die 34-jährige Trainerin der Landesliga-Männer nicht unerwartet kommen.

Blickt gespannt dem deutschen Weltmeisterschaftsviertelfinalduell mit Lettland entgegen: Janina Kuczmann-Orth. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Blickt gespannt dem deutschen Weltmeisterschaftsviertelfinalduell mit Lettland entgegen: Janina Kuczmann-Orth. Foto: Tobias Sellmaier

Von Uwe Flegel

Noch weiß Janina Kuczmann-Orth nicht genau, ob sie eine Möglichkeit findet, schließlich „arbeite ich zu der Zeit“. Falls es sich aber irgendwie einrichten lässt, dann ist die Trainerin der Backnanger Landesliga-Männer an einem PC oder vor dem Fernseher live dabei, wenn Deutschlands Basketballer in Manila heute ab 10.45 Uhr gegen Lettland versuchen, das Weltmeisterschaftshalbfinalduell mit den USA perfekt zu machen. Nach EM-Bronze im vergangenen Jahr wäre es der zweite große Erfolg für Bundestrainer Gordon Herbert und seine Mannschaft binnen zwölf Monaten.

Schon das zweite erfolgreiche Großereignis nacheinander

Die deutschen Korbjäger sind auf dem besten Weg, bei internationalen Großereignissen zu einer echten Größe zu werden. Bei den Titelkämpfen in Japan, Indonesien und auf den Philippinen haben sie in der Vor- und Zwischenrunde alle fünf Partien gewonnen. Zuletzt wurde Slowenien um Superstar Luka Doncic mit 100:71 sensationell deutlich in die Schranken gewiesen. Zum Straßenfeger haben die starken Leistungen des Teams um die NBA-Akteure Dennis Schröder, Daniel Theis und die Wagner-Brüder Moritz sowie Franz bislang nicht getaugt. Auch weil selbst im sogenannten freien Fernsehen die deutschen Spiele nur im Spartensender Magentasport zu sehen sind und der wiederum gar nicht bei jedem Anbieter empfangbar ist.

Die starken deutschen Leistungen kommen nicht richtig an

„Schade“, sagt die TSG-Trainerin zur Situation und erklärt: „Diese Mannschaft spielt einen so guten Basketball, dass sie einfach mehr Zuschauer verdient hätte.“ Zumindest hier im eigenen Land, denn außerhalb von Deutschland findet das Team mit dem Adler auf der Brust große Beachtung. Zwar gelten weiterhin das Team USA und seine zahlreichen NBA-Größen als das Maß der Dinge, doch selbst deren Trainer Steve Kerr nannte Schröder und Co. vor wenigen Wochen „eine der besten Mannschaften der Welt“. Ein verbaler Ritterschlag, brachte es der 57-jährige Kerr als Spieler sowie Trainer in der mit Abstand besten Basketballliga der Welt, der NBA, auf insgesamt neun Meisterschaften. Kuczmann-Orth, deren Eltern Achim sowie Maria selbst in der Nationalmannschaft am Ball waren und deren Vater einst Frauenbundestrainer sowie unter Dirk Bauermann Co-Trainer der Männer war, stimmt in Kerrs Loblied mit ein: „Ich habe mir durchaus gedacht, dass diesmal was geht, aber dass es so gut läuft... Ich traue Deutschland sogar den Titel zu.“ Wobei dafür nun erst einmal Lettland bezwungen werden muss. Eine echte Aufgabe, haben die Balten mit Welt- und Europameister Spanien sowie Vizeeuropameister Frankreich schon zwei Mitfavoriten aus der WM rausbefördert.

Die TSG-Trainerin lobt Gordon Herbert für seine Arbeit

Gordon Herbert und seine Männer haben aber schon gezeigt, dass sie die Nerven und die Klasse besitzen, um solche Stresstests zu bestehen. Selbst wenn es gegen Slowenien erst einmal krachen musste, ehe das Team im zweiten Viertel ins Rollen kam. Zuvor waren erst Anführer Dennis Schröder und Center Daniel Theiss verbal aneinandergeraten, dann Kapitän Schröder und Coach Herbert. Der erfahrene Trainer setzte danach die streitlustigen Freunde aus gemeinsamen Braunschweiger Jugendtagen zur Abkühlung einige Minuten auf die Bank. Ein Handling, für das der 64-jährige Kanadier von der 34-jährigen Ex-Zweitliga-Spielerin ein Kompliment erhält: „Er weiß mit den Spielern ganz gut umzugehen und hat die Situation sehr gut gelöst.“

Nach einem eventuellen Sieg über Lettland geht es gegen die USA

Auch deshalb warten auf Deutschland nun Lettland und die Chance, sich fürs Halbfinale und damit eventuell direkt für die Olympischen Spiele in Paris nächsten Sommer zu qualifizieren. Schließlich erhalten die beiden besten europäischen Teams der WM Tickets in die französische Hauptstadt. Die Backnangerin verbindet Olympia mit der Hoffnung, dass es dann zu dem Basketballboom kommt, an den sie diesmal nicht glaubt. Zu viele bleiben außen vor. „Eine Teilnahme in Paris und dort ein ähnlich starker Auftritt wie jetzt würden jedenfalls als Werbung für unseren Sport helfen“, da die Olympischen Spielen im frei empfangbaren Fernsehen übertragen werden. Ein erneut für Furore sorgendes Nationalteam wäre viel mehr als nur eine Randnotiz.

Hoffen, dass ARD, ZDF oder RTL noch auf den -Erfolgszug aufspringen

Wobei das ein Halbfinalduell zwischen dem Topfavoriten USA und Deutschland wohl ebenfalls wäre. Eventuell würde der Vergleich gar dafür sorgen, dass ARD, ZDF oder RTL – wie bei der EM im Vorjahr – auf den Basketballerfolgszug doch noch aufspringen. „Ich weiß nicht, weshalb das diesmal bisher nicht geklappt hat“, sagt Kuczmann-Orth, erzählt aber auch: „Zumindest mit einem halben Auge war ich bisher bei allen deutschen Spielen aber trotzdem dabei.“ Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der TSG-Trainerin das heute ebenfalls gelingt – selbst wenn die Arbeit lauthals ruft.

Vorbereitungsturnier in Göppingen

Gut zwei Wochen Mit den Backnanger Männern bereitet sich Janina Kuczmann-Orth gerade auf deren zweite Landesliga-Saison vor. Dabei übernimmt sie das Traineramt von ihrem Mann Stephan Orth und Lukas Oesterle, die vergangene Runde als Spielertrainer fungierten und sich nun auf ihre Rolle als Spieler konzentrieren wollen. Für die TSG beginnt die Saison am Sonntag, 24. September, mit der Partie beim TSV Schmiden. Das erste Heimspiel steht am Sonntag, 1. Oktober, gegen den MTV Stuttgart II an.

Erster Test Am kommenden Samstag wartet auf die TSG Backnang der erste richtige Test. Der Landesligist startet beim Turnier des Oberligisten TS Göppingen. Dort geht es um 10 Uhr (Parkhaushalle) zuerst gegen die eine Klasse höher spielenden Gastgeber. Im zweiten Halbfinale stehen sich danach der Oberligist TV Derendingen und der VfL Kirchheim (2. Regionalliga) gegenüber. Die Verlierer beider Partien spielen dann um 15 Uhr um Rang drei. Ab 17 Uhr steht das Finale an.

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Erstellt:
6. September 2023, 06:00 Uhr

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