Breisgau-Brasilianer 2.0
Wie es der SC Freiburg immer wieder schafft, mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten die Konkurrenz zu düpieren
An das 5:1 gegen den FC Augsburg werden sie sich im Breisgau noch lange erinnern. Der höchste Bundesligasieg in Christian Streichs achtjähriger Amtszeit rückt den Abstieg in weite Ferne.
Freiburg Bald jährt es sich zum 25. Mal, das wohl größte Spiel des SC Freiburg. Mit 5:1 schoss der SC Freiburg um Rodolfo Cardoso und Jens Todt im August 1994 den FC Bayern München aus dem Stadion und zerlegte das Münchner Starensemble um Oliver Kahn und Lothar Matthäus in alle Einzelteile. Niemand in Südbaden wird sie je vergessen, diese legendäre Sternstunde der ersten Generation der Breisgau-Brasilianer.
Jetzt ist es wieder so weit – nicht nur die „Badische Zeitung“ hat den Begriff der Breisgau-Brasilianer wieder aus der Mottenkiste gekramt. Denn 5:1, das ist auch am Samstag das Ergebnis gewesen. Zwar kein Spiel für die Ewigkeit, weil der Gegner nicht der Rekordmeister war, sondern nur der FC Augsburg. Zumindest aber ein Nachmittag, an den sie sich in Freiburg noch erinnern werden – die Fans, die Spieler und nicht zuletzt SC-Coach Christian Streich.
Höher haben die Freiburger nie gewonnen, seit Streich im Dezember 2011 das Amt des Cheftrainers antrat und die Bundesliga seither nicht allein mit erfolgreichem Fußball bereichert. Längst hat der Kauz von 53 Jahren Heldenstatus erlangt – und ist nun dabei, das nächste Kapitel seiner Saga zu schreiben. „Hätte mir vor dem Spiel jemand gesagt, wir gewinnen 1:0, wäre ich ihm um den Hals gefallen“, sagte Streich nach dem Kantersieg gegen Augsburg – und vergaß nicht, seinen am Boden zerstörten Trainerkollegen Manuel Baum vor der Rückreise väterlich in den Arm zu nehmen. „Ich weiß, wie sich das anfühlt.“
Der Kampf gegen den Abstieg, er ist in Freiburg nicht nur unter Streich ein ständiger Begleiter. In dieser Saison könnte er so früh wie selten zuvor gewonnen werden. Mit dem 5:1 hat der SC die Augsburger noch tiefer ins Schlamassel gestürzt – und sich selbst bis auf Weiteres ins gesicherte Mittelfeld verabschiedet. Bereits 13 Punkte beträgt der Abstand auf einen direkten Abstiegsplatz, elf Punkte sind es auf den VfB Stuttgart auf Relegationsrang 16. Ein schönes Polster elf Spieltage vor Saisonende, das weiß auch Doppeltorschütze Nils Petersen: „Ein paar Punkte brauchen wir noch, aber das war ein großer Schritt Richtung Klassenverbleib.“
Es ist eine Leistung, die nicht hoch genug einzuschätzen ist. Jedes Jahr müssen die Freiburger ihre besten Spieler ziehen lassen – zu Beginn dieser Saison beispielsweise den Abwehrspieler Caglar Söyüncü, im Vorjahr den Stürmer Maximilian Philipp. Und jedes Jahr schaffen sie es, eine Mannschaft ins Rennen zu schicken, die eindrucksvoll beweist, dass Erfolg im Fußball nicht alleine eine Frage des Geldes ist.
Bei durchschnittlich 490 000 Euro liegt das Jahresgehalt der Freiburger Spieler – nur der 1. FC Nürnberg (350 000) bezahlt seinen Profis weniger. Über rund sieben Millionen dürfen sich die Bayern-Stars freuen, während Schalke 04 sein Personal im Schnitt mit fürstlichen 2,34 Millionen entlohnt. Trotzdem hat der Revierclub in dieser Saison bislang vier Punkte weniger gesammelt als der Sport-Club. Wie ist das nur immer wieder möglich?
Es ist der große Vorteil der Freiburger, dass sie einerseits in einem Umfeld spielen, in dem niemand vom Europapokal träumt und der Klassenverbleib das Maximalziel ist. Andererseits hat in Christian Streich ein Trainer das Sagen, der vor seiner Beförderung zum Chefcoach im SC-Internat 16 Jahre lang Nachwuchskräfte ausgebildet hat. Seine große Kunst besteht auch bei den Profis darin, die Spieler besser zu machen und eine Mannschaft zu formen, die viel stärker ist als ihre Einzelteile.
Unter Streich blühen sie plötzlich auf, jene Spieler, die sich bei renomierteren und größeren Clubs nicht durchsetzen konnten. Luca Waldschmidt (22), bei Eintracht Frankfurt und dem Hamburger SV gewogen und für zu leicht befunden, erzielte gegen Augsburg seinen siebten Saisontreffer. Einen Freistoßtreffer steuerte Vincenzo Grifo (25) bei. Nach eher durchwachsenen Ausflügen nach Mönchengladbach und Hoffenheim weiß der Mittelfeldspieler seit Beginn des Jahres wieder zu schätzen, was er am SC Freiburg hat: „Hier ist es spezieller als bei anderen Clubs. Man kann sich entwickeln und wohlfühlen.“ Und eben auch gewinnen.