Meistertrainer des VfB Stuttgart

Christoph Daum ist tot

Christoph Daum galt als Sprücheklopfer und Lautsprecher, als Motivationskünstler und Messias. Hohen Hürden hat der einstige Meistertrainer sich nie widersetzt, seinen größten Kampf nun aber verloren.

Christoph Daum ist im Alter von 70 Jahren gestorben. In der Bildergalerie blicken wir auf seine VfB-Zeit zurück.

© SvenSimon/Elmar Kremser/SVEN SIMON

Christoph Daum ist im Alter von 70 Jahren gestorben. In der Bildergalerie blicken wir auf seine VfB-Zeit zurück.

Von dpa

Er hätte das nie öffentlich gesagt, aber in den vergangenen Monaten ging es Christoph Daum alles andere als gut. Es gab Nächte, in denen er kaum einschlafen konnte. Tage, an denen ihm die Kraft für die einfachsten Dinge fehlte. Die Chemotherapien saugten dem früheren Meistertrainer Stück für Stück die - doch nur scheinbar grenzenlose - Energie aus dem Körper. 

Trotzdem stellte er sich immer wieder vor jedes Mikrofon und sagte sinngemäß: „Ich kämpfe weiter.“ Bis zuletzt. Am Samstag ist der einstige Lautsprecher der Fußball-Bundesliga gestorben an seiner Krebserkrankung. Das teilte seine Familie der Deutschen Presse-Agentur mit. Daum wurde 70 Jahre alt. 

„Christoph Daum ist am 24. August infolge seiner schweren Krebserkrankung friedlich im Kreise seiner Familie verstorben“, heißt es in dem Statement. Die vergangenen Tage hatte Daum bereits in seinem Kölner Wohnsitz bei seiner Familie verbracht, öffentlich war er zuletzt nicht mehr aufgetreten. 

„Der Krebs hat sich den falschen Körper ausgesucht“

Seit dem Herbst 2022 hatte er gegen den Lungenkrebs gekämpft. Erst zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück, kurz darauf kam der alte Daum wieder ans Licht: Er gab Interview um Interview, setzte sich in Talkshows oder tauchte in Podcasts auf. „Der Krebs hat sich den falschen Körper ausgesucht“, lautete seine Kernbotschaft. Mit seinem Kampfgeist wollte Daum anderen Menschen Mut machen.

Die Auseinandersetzung mit dem Krebs stand sinnbildlich für sein ganzes Leben. Schon als Kind legte er sich mit Mitschülern an, die eigentlich viel größer und kräftiger als der schmächtige Junge aus Duisburg waren. Als junger und noch unbekannter Trainer des 1. FC Köln richtete er völlig überraschend eine Kampfansage an den großen FC Bayern und dessen Manager Uli Hoeneß - und stürzte den Bundesliga-Dominator fast sogar. Auch in seinem späteren Leben war Daum keine Herausforderung zu groß.

Doch je höher er strebte, desto tiefer stürzte er auch ab. Kurz nach seiner ersten Bundesliga-Meisterschaft mit dem VfB Stuttgart 1992 verspielte er durch einen Wechselfehler die Qualifikation für die Champions League. Als bis heute einer der besten Trainer der Vereinsgeschichte von Bayer Leverkusen verhinderte die legendäre Kokain-Affäre 2000 sein eigentlich schon sicheres Engagement als Bundestrainer.

Er kam immer wieder zurück

Aber Daum kam zurück. Immer wieder. Er gewann weitere Titel in Österreich und der Türkei, führte den 1. FC Köln zurück in die Bundesliga und hielt ihn dort. Und immer wieder sagte er während seines bewegten Lebens diese Sätze: „Du kannst hinfallen. Es ist auch nicht entscheidend, wie oft du hinfällst. Du musst nur immer wieder aufstehen.“ Erst der Krebs hinderte ihn daran, stehenzubleiben. 

Dabei hatten sich bis zuletzt seine Weggefährten beeindruckt von Daums Kampfgeist gezeigt. Noch im Oktober 2023 hatte Daum mit vielen von ihnen auf der Feier zu seinem 70. Geburtstag in einem Kölner Restaurant zur Musik der „Höhner“ geschunkelt. Mit dabei waren unter anderem der ehemalige Weltklassespieler Michael Ballack oder DFB-Sportdirektor Rudi Völler. Schon damals war Daums Körper vom Krebs gezeichnet. Gejammert hat er deswegen nie.

Es sei „unglaublich, wie Christoph seine Popularität nutzt, um auf seine schwere Krankheit hinzuweisen und versucht, Menschen mit dem gleichen Schicksal ein bisschen Hoffnung zu geben“, sagte etwa Völler, der einst als Sportdirektor in Leverkusen mit dem Trainer Daum zusammengearbeitet hatte. Sein ehemaliger Spieler Ballack betonte, Daum sei „auch in dieser schweren Zeit ein Vorbild für viele Menschen“.

Versöhnung im TV

Der Krebs veränderte in den Augen vieler Menschen auch das Bild, das sie bis dahin von Daum hatten. Aufgrund seiner Biografie wurde Daum davor entweder verehrt oder verachtet, etwas dazwischen gab es kaum. Sein Umgang mit der Krankheit brachte ihm Sympathien über die Grenzen des Sports hinaus ein. Selbst sein einstiger Dauerfeind Hoeneß versöhnte sich öffentlich mit Daum und zeigte sich im Rahmen einer TV-Dokumentation gemeinsam mit ihm vor der Kamera.

Und egal, wie man Daum nun in Erinnerung behält: Als Sprücheklopfer, Provokateur, Motivationskünstler, Messias, Fast-Bundestrainer oder Dauer-Vizemeister mit Leverkusen - langweilig wurde es mit ihm nie. „Andere erziehen ihre Kinder zweisprachig, ich beidfüßig“, sagte er mal. Oder: „Der Unterschied zwischen gut und spitze ist oft nur eine Fußspitze.“ Es sind nicht nur solche Sätze, die dem deutschen Fußball in Zukunft fehlen werden. 

Im November 1990 stellt der VfB um Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder (rechts) und Manager Dieter Hoeneß (links) Christoph Daum (2.v.r.) mit Co-Trainer Lorenz-Günther Köstner als neuen Chefcoach  vor.

© Baumann

Im November 1990 stellt der VfB um Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder (rechts) und Manager Dieter Hoeneß (links) Christoph Daum (2.v.r.) mit Co-Trainer Lorenz-Günther Köstner als neuen Chefcoach vor.

Dem Motivationskünstler gelingt der Turnaround: Daum führt das Team innerhalb weniger Monate aus der Abstiegszone auf Platz 6 am Saisonende.

© Baumann

Dem Motivationskünstler gelingt der Turnaround: Daum führt das Team innerhalb weniger Monate aus der Abstiegszone auf Platz 6 am Saisonende.

Daum und Köstner 1991 während eines  Trainingslagers in Portugal

© Baumann

Daum und Köstner 1991 während eines Trainingslagers in Portugal

In der folgenden Saison setzte der VfB den Höhenflug fort und sichert sich am letzten Spieltag durch einen 2:1-Sieg bei Bayer Leverkusen den Meistertitel. Guido Buchwald (Mitte) trifft kurz vor Schluss per Kopf.

© Baumann

In der folgenden Saison setzte der VfB den Höhenflug fort und sichert sich am letzten Spieltag durch einen 2:1-Sieg bei Bayer Leverkusen den Meistertitel. Guido Buchwald (Mitte) trifft kurz vor Schluss per Kopf.

Die Meisterfeier am Stuttgarter Rathaus, bei der Daum mit Matthias Sammer die  Schale präsentiert. Im Hintergrund: Olaf Schmäler.

© Baumann

Die Meisterfeier am Stuttgarter Rathaus, bei der Daum mit Matthias Sammer die Schale präsentiert. Im Hintergrund: Olaf Schmäler.

Gerhard Mayer-Vorfelder, Fritz Walter, Daum, der damalige Oberbürgermeister Manfred Rommel und der ehemalige Zeugwart Jochen Seitz

© Baumann/Baumann

Gerhard Mayer-Vorfelder, Fritz Walter, Daum, der damalige Oberbürgermeister Manfred Rommel und der ehemalige Zeugwart Jochen Seitz

Die Väter des VfB-Erfolges in den Neunzigern: Daum und Manager Hoeneß.

© Baumann/Baumann

Die Väter des VfB-Erfolges in den Neunzigern: Daum und Manager Hoeneß.

September 1992: In der Champions League gegen Leeds United wechselt Daum den Serben Jovica Simanic ein, womit vier Ausländer auf dem Feld stehen – einer mehr als erlaubt. Die Engländer legen Protest ein und gewinnen 3:0, womit der Hinspiel-Sieg des VfB egalisiert ist. Das Entscheidungsspiel auf neutralem Boden in Barcelona (Bild) vor fast komplett leeren Rängen verliert der VfB und verpasst damit den Einzug in die Gruppenphase.

© imago/Sportfoto Rudel

September 1992: In der Champions League gegen Leeds United wechselt Daum den Serben Jovica Simanic ein, womit vier Ausländer auf dem Feld stehen – einer mehr als erlaubt. Die Engländer legen Protest ein und gewinnen 3:0, womit der Hinspiel-Sieg des VfB egalisiert ist. Das Entscheidungsspiel auf neutralem Boden in Barcelona (Bild) vor fast komplett leeren Rängen verliert der VfB und verpasst damit den Einzug in die Gruppenphase.

Dezember 1993: Der VfB steht nach der Hinrunde nur auf Platz 13, Daum muss den Verein nach gut drei Jahren im Amt verlassen.

© Baumann

Dezember 1993: Der VfB steht nach der Hinrunde nur auf Platz 13, Daum muss den Verein nach gut drei Jahren im Amt verlassen.

In den Jahren danach ist Christoph Daum stets ein gern gesehener Gast beim VfB – wie hier mit Margit und Gerhard Mayer-Vorfelder...

© Baumann/Alexander Keppler

In den Jahren danach ist Christoph Daum stets ein gern gesehener Gast beim VfB – wie hier mit Margit und Gerhard Mayer-Vorfelder...

... bei der Saisoneröffnung 2018 mit den weiteren VfB-Erfolgstrainern Armin Veh (links) und Felix Magath (Mitte)...

© Baumann/Julia Rahn

... bei der Saisoneröffnung 2018 mit den weiteren VfB-Erfolgstrainern Armin Veh (links) und Felix Magath (Mitte)...

... oder 2023  mit  Helmut Benthaus (VfB-Meistertrainer von 1984) anlässlich  der Feier zu Mayer-Vorfelders 90. Geburtstag

© Baumann/Alexander Keppler

... oder 2023 mit Helmut Benthaus (VfB-Meistertrainer von 1984) anlässlich der Feier zu Mayer-Vorfelders 90. Geburtstag

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Erstellt:
25. August 2024, 09:00 Uhr
Aktualisiert:
25. August 2024, 10:31 Uhr

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