„Das macht mehr Spaß als Bundesliga“
Das Interview: Anett Sattler über den Reiz der Dritten Liga, Montagsspiele und ein Bild auf ihrem Nachttisch
Nett lächeln, frech fragen: Wenn Anett Sattler in der Großaspacher Mechatronik-Arena ihre Arbeit macht, dann gibt die 35-Jährige der Berichterstattung von Telekomsport aus der Dritten Liga ein Gesicht. Im Interview verrät die TV-Journalistin, warum die Arbeit mit drittklassigen Fußballern Spaß macht, wie sie niveaulose Kritik kontert und welches Fußballer-Porträt sie als Mädchen auf dem Nachttisch stehen hatte.

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Überzeugt in Großaspach wie in den anderen deutschen Stadien mit fachkundigen und frechen Fragen: Anett Sattler. Die preisgekrönte TV-Journalistin lobt das Arbeiten in der Dritten Liga sowie mit deren Fußballern und mit den Vereinen: „Das macht mehr Spaß als Bundesliga.“ Foto: Imago
Von Harald Pistorius
Frauen im Sportjournalismus – ist das für eine Kollegin Ihrer Generation noch ein Thema?
Ja, zum Teil leider schon. Nicht im Umgang mit Kollegen und Sportlern, da kommt es auf das Können und nicht auf das Geschlecht an. Aber in den sozialen Netzwerken bleiben Anstand und Respekt manchmal auf der Strecke.
Was müssen Sie da über sich ergehen lassen, und wie reagieren Sie?
Ich lasse mich auf jede sachliche Debatte ein, da darf der Ton auch ruhig mal etwas rauer sein. Aber es gibt – ich fürchte, sogar mit steigender Tendenz – auch Beleidigungen. Da ist „Geh doch zurück in die Küche!“ noch harmlos, aber auch darauf antworte ich. In diesem Fall mit der Gegenfrage, ob ich dem Herrn vielleicht ein kleines Entspannungsgetränk mitbringen darf.
Außer Fachkenntnis erkennt man bei Ihnen Freude am Job. Macht Ihnen die Dritte Liga so viel Spaß, wie es am Fernseher aussieht?
Dreimal ja. Erstens, weil es eine unfassbar spannende Liga auf sehr gutem sportlichen Niveau mit attraktiven Vereinen und Stadien ist. Zweitens, weil ich bei Telekom Sport in einem tollen Team arbeiten darf, da geht es wunderbar professionell und kollegial zu. Und drittens, weil die Bodenständigkeit in dieser Liga uns Reportern mehr Nähe erlaubt und wir spüren, dass wir willkommen sind.
Das müssen Sie erklären.
Gern. Vereine, Spieler und Trainer nehmen uns mit offenen Armen auf, sie stellen sich im Interview und antworten oft nicht nur mit den üblichen Floskeln. Sie zeigen Emotionen, wollen sich erklären und lassen sich auf echte Gespräche ein. Das ist etwas anderes, als in der Bundesliga 20 Minuten nach dem Schlusspfiff in der Mixed Zone an achter Stelle zu fragen und darauf zu hoffen, dass man eine authentische Antwort bekommt.
Die Dritte Liga erlaubt mehr Nähe als die Bundesliga.
Dass sich in der Halbzeit Spieler kurz befragen lassen oder Co-Trainer nach der Pause kurz vor Wiederbeginn über taktische Veränderungen sprechen, wäre in der Bundesliga unmöglich, weil auch wegen des Andrangs nicht machbar. In der überschaubaren Dritten Liga geht das. Dabei fragen wir immer respektvoll an und akzeptieren Absagen, ohne nachzuhaken oder gar zu fordern.
Und dann kommt so ein erfrischendes Interview zustande wie mit Jan Löhmannsröben, der sich über den Schiedsrichter ereifert und ihm empfiehlt, Cornflakes zu zählen.
Das ist ein Beispiel, warum diese Liga authentisch und liebenswert ist, aber mit mir hat das weniger zu tun. Da hatte ich das Glück, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz zu sein – der Junge wollte was rauslassen, und das hätte er auch bei jedem anderen getan.
Was hat die Dritte Liga sonst noch zu bieten?
Jede Menge frische Typen und unbekannte Geschichten. Wussten Sie, dass Wehens Torjäger Manuel Schäffler zu Hause ein Atelier hat, in dem er Bilder malt? Neulich war ich in München bei einem Löwen-Fan, der sich eine Zweitwohnung genommen hat, die er als eine Art 1860-Museum eingerichtet hat. Das sind die Geschichten, die wir abseits der Spiele erzählen wollen – sie geben dieser Liga ein Gesicht.
Welche Rückmeldung bekommen Sie von den Zuschauern?
Durchweg positive, und das schlägt sich auch in den Zahlen nieder. Bei den Topspielen haben wir über 100000 Zuschauer, nach zwölf Spieltagen lagen wir insgesamt bei über drei Millionen. Die Rückmeldungen in den sozialen Medien zeigen, dass die Fans dankbar sind, dass wir der Dritten Liga so eine breite Plattform geben.
Eins ist in der Dritten wie in der Ersten Liga: Proteste vieler Fans gegen Montagsspiele.
Ich habe damit gerechnet und kann das durchaus nachvollziehen aus der Sicht der Fans, die ihre Mannschaft zu Auswärtsspielen begleiten wollen. Aber es gibt auch gute Argumente für das Montagsspiel – nicht nur, dass es jedem Verein mehr Geld aus dem Fernsehvertrag bringt. Ich glaube, dass sich das – genau wie damals nach Einführung des Montagsspiels in der Zweiten Liga – bald beruhigen wird. Zumal sowohl die TV-Zahlen als auch die Zuschauerzahlen vor Ort zeigen, dass das Montagsspiel positiv angenommen wird.
Sie sind Leistungshandballerin gewesen. Im Handball gibt es ein paar coole Sprüche über Fußballer – sind die berechtigt?
Ich habe jahrelang Fußball gespielt – vor jedem Handballtraining, bei uns war das zum Aufwärmen. Das wäre wohl einer dieser Sprüche, die ja nicht böse gemeint sind. Handball ist eben viel mehr Kontaktsport als Fußball, bei uns gehören blaue Flecken und kleine Verletzungen dazu, die zählen gar nicht. Das ist das Einzige, was mich am Fußball stört: Diese Empfindlichkeit und die Theatralik bei Zweikämpfen – das kennt kein Handballer, da wird auf die Zähne gebissen, nicht lamentiert, sondern weitergespielt.
Wie hat Sie dann der Fußball gepackt?
Mein Vater war in unserem Dorf der Präsident des Fußballvereins, er war Fan von Hansa Rostock und hat mich oft mitgenommen. Wir haben sogar mal einen Sommerurlaub im Trainingslager verbracht. Und dann hatte ich mal eine Phase als BVB-Fan, das war die Zeit mit Matthias Sammer. Der hat mir immer besonders imponiert mit seinem Siegeswillen und der Härte gegen sich selbst. In einem Spiel erlitt er eine Platzwunde am Kopf – die ließ er sich draußen am Rand schnell tackern und spielte dann direkt weiter. Das fand ich klasse, deshalb habe ich mir das Bild von ihm mit der notdürftig versorgten Wunde auf den Nachtisch gestellt. Da war ich elf, für meine Mutter war das wohl etwas gewöhnungsbedürftig.