Kai Häfner vom TVB Stuttgart

„Das wird eine enge Kiste bis zum letzten Spieltag“

Nach der WM ist vor der Bundesliga. Die Handballer des TVB Stuttgart starten am Samstag in die Rückrunde. Kai Häfner spricht im Interview über das Abschneiden der Nationalmannschaft, die Ziele des Vereins und seinen künftigen Trainer.

Kai Häfner (links) möchte mit seinen Teamkollegen Daniel Fernandez (Mitte) und Torben Matzken am Ende der Rückrunde den Klassenverbleib bejubeln.

© Baumann

Kai Häfner (links) möchte mit seinen Teamkollegen Daniel Fernandez (Mitte) und Torben Matzken am Ende der Rückrunde den Klassenverbleib bejubeln.

Von Jürgen Frey

Die Tendenz im Dezember zeigte klar nach oben, dennoch steckt der TVB Stuttgart mit 10:24 Punkten noch tief im Tabellenkeller der Handball-Bundesliga. Vor dem Rückrundenbeginn am Samstag (20.30 Uhr) beim VfL Gummersbach fordert Rückraumspieler und Olympia-Silbermedaillengewinner Kai Häfner die volle Konzentration im Kampf gegen den Abstieg.

Herr Häfner, nach vielen Jahren als Nationalspieler – wie haben Sie die WM verfolgt?

Im Trainingslager haben wir mit der Mannschaft die deutschen Spiele im Fernsehen verfolgt, mit einem schönen Kaltgetränk. Zu Hause habe ich auf dem Sofa geschaut, zweimal gemeinsam mit einem Kumpel. Man fiebert da natürlich schon mit.

Wie lautet Ihre Haupterkenntnis?

Man hat einfach gesehen, dass die Leistungsdichte unheimlich groß ist, den souveränen Weltmeister Dänemark einmal ausgenommen. Hinter diesem absoluten Ausnahmeteam ist es sehr, sehr eng. Da gibt es viele 50:50-Spiele, in denen die Tagesform entscheidet.

Woran lag es, dass für das DHB-Team schon im Viertelfinale Schluss war?

Es muss einfach viel passen, dass es am Ende klappt. Bei den Olympischen Spielen sind wir ja auch nicht locker zu Silber durchmarschiert. Da ging es ganz, ganz eng zu, und wir hatten im Viertelfinale gegen Frankreich auch schön viel Glück auf unserer Seite.

Das heißt?

Dass man nach solch einem Erfolg nicht erwarten kann, dass man zur nächsten Medaille weiterspaziert. Ich bin kein Freund davon, nach einem Ein-Tore-Sieg in der Verlängerung alles hochzujubeln und kein Freund davon, nach einer Ein-Tore-Niederlage in einem K.-o.-Spiel alles niederzumachen.

„Auch Nagelsmann wurde nicht hinterfragt“

Glauben Sie, dass eine Diskussion um den Bundestrainer aufkommen könnte?

Das glaube ich nicht. Man hat sich bei Alfred Gislason doch bewusst für eine Laufzeit bis 2027 entschieden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das nach einem Viertelfinal-Aus plötzlich wieder hinterfragt, das war ja nicht einmal im Fußball bei Julian Nagelsmann so (lacht). Und überhaupt: Hätte unsere Mannschaft bei der WM eine Medaille geholt, wäre Alfred Gislason doch auch nicht gleich ein Rentenvertrag angeboten worden. Entweder steht man hinter einer Idee oder nicht. Sonst müsste man nach jedem Länderspiel anfangen zu diskutieren, das wäre doch Quatsch.

Kommen wir zum Liga-Re-Start am Samstag in Gummersbach. Da treffen Sie gleich auf den kroatischen WM- Silbermedaillen-Gewinner Dominik Kuzmanovic im VfL-Tor.

Er ist ein überragender Keeper, ich hätte nichts dagegen, wenn er noch ein paar WM-Nachwehen zu verkraften hat (lacht). Es wird jedenfalls eine sehr, sehr knifflige Aufgabe für uns.

Im Dezember gewann der TVB vier von fünf Spielen. Die Tendenz zeigt nach oben.

Das gibt uns ein gutes Gefühl, aber letztendlich haben wir ja noch überhaupt nichts erreicht. Wir stecken voll und ganz hinten drin und es geht absolut nur darum, am Ende zwei Teams hinter uns zu lassen. Das wird eine ganz enge Kiste bis zum letzten Spieltag.

Der 1. VfL Potsdam ist abgeschlagenes Schlusslicht, der Vorletzte HC Erlangen hat personell kräftig nachgelegt.

Allerdings. Der HCE hat zwei Rückraumasse geholt, und zumindest bei Viggo Kristjansson weiß man ganz genau, dass er für Bundesliga so etwas wie eine eingebaute Torgarantie mitbringt. Die Erlanger haben einen Kader beisammen, mit dem sie ordentlich punkten können. Wenn sie einen Lauf bekommen. . .

„Auch Frisch Auf gehört zu den Teams, die aufpassen müssen“

. . . erwischt es dann die SG BBM Bietigheim? Beim Neuling ging es nach gutem Start im alten Jahr eher bergab?

Die Bietigheimer haben aber in der Vorrunde gezeigt, dass sie in der Bundesliga mithalten können und befinden sich voll im Rennen.

Frisch Auf Göppingen ist punktgleich mit dem TVB. Bekommt Ihr Ex-Club Probleme?

Frisch Auf gehört auch zu den vier, fünf Teams, die aufpassen müssen. Grundsätzlich haben sie genügend Qualität, um nicht ganz unten reinzurutschen. Am Ende wirst zu 20 Punkte brauchen. Das bedeutet für Frisch Auf und für uns jeweils fünf Siege, die machst du in dieser Liga nicht mal so einfach.

Was spricht für den TVB?

Die letzten Auftritte, die uns Selbstvertrauen gegeben haben. Zudem dürfte vor allem Lenny Rubin nach einem starken WM-Turnier mit der Schweiz mit breiter Brust zurückkommen. Mein Bruder Max hat nach seinem sensationellen Comeback noch einmal eine Vorbereitung hinter sich, die ihm gut tut. Und grundsätzlich wissen wir einfach, dass unglaublich viel Energie nötig ist, um ein gewisses Level zu erreichen, das dann Punkte bringt. Sind wir nur ein Prozent drunter, hast du in der Liga keine Chance.

Wie hat die Mannschaft die Nachricht vom künftigen Trainer Misha Kaufmann aufgenommen?

Jetzt haben wir erst einmal ein sehr, sehr intensives und anstrengendes halbes Jahr in der alten Konstellation vor uns. Aber natürlich haben wir die Nachricht sehr positiv aufgenommen. Die Arbeit in Eisenach spricht für sich, die Entwicklung dort ist beeindruckend.

„Bei uns hat alles Hand und Fuß“

Das Drumherum, auch mit dem neuen Nachwuchsleistungszentrum, passt beim TVB. Warum ist es auch zehn Jahre nach dem Aufstieg so schwer, endlich in die vordere Tabellenhälfte vorzustoßen?

Stimmt, bei uns hat alles Hand und Fuß, das kann sich wirklich sehen lassen. Nach oben kommen wollen aber viele Clubs und die Leistungsdichte in der Liga ist enorm. Wir tun gut daran, jetzt den ersten Schritt zu machen und vollends unten raus zu kommen. Wenn Sie mich im November gefragt hätten, hätte ich gesagt: ‚Junge, Junge, es sieht wirklich gar nicht gut aus für uns.’

Wie viele württembergische Clubs haben wir nächste Saison in der Bundesliga?

Ich hoffe, dass alle drin bleiben und Balingen hoch kommt. Vier Württemberger, das wäre cool, viele Derbys und kurze Auswärtsfahrten, da hätte ich nichts dagegen.

Zur Person

Karriere Kai Häfner wurde am 10. Juli 1989 in Schwäbisch Gmünd geboren. Seine Stationen: TSB Gmünd (1995 bis 2006), TV Bittenfeld (2006/2007), Frisch Auf Göppingen (2007 bis 2011), HBW Balingen-Weilstetten (2011 bis 2014), TSV Hannover-Burgdorf (2014 bis 2019), MT Melsungen (2019 bis 2023), jetzt TVB Stuttgart. Größte Erfolge: Junioren-Weltmeister 2009, EHF-Pokal-Sieger 2011, Europameister 2016, Olympia-Bronze 2016 und Olympia-Silber 2024. Er absolvierte 154 Länderspiele (361 Tore), hat seine Nationalmannschaftskarriere inzwischen beendet.

Persönliches Kai Häfner ist verheiratet mit Saskia. Das Paar wohnt in Lorch und hat zwei Söhne (Levi/4 Jahre und Matti/1). Hobby: Reisen/Städtetrips. Häfners jüngerer Bruder Max spielt ebenfalls beim TVB Stuttgart.

Bundesligatermine VfL Gummersbach – TVB (8. Februar, 20.30 Uhr), TVB – TSV Hannover-Burgdorf (13. Februar, 19 Uhr), MT Melsungen – TVB (22. Februar, 20.30 Uhr), TVB – TBV Lemgo Lippe (27. Februar, 19 Uhr), 1. VfL Potsdam – TVB (6. März, 19 Uhr), TVB – ThSV Eisenach (23. März, 15 Uhr), HSG Wetzlar – TVB (4. April, 19 Uhr), SC Magdeburg – TVB (16. April, 19 Uhr). (jüf)

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Erstellt:
7. Februar 2025, 08:22 Uhr

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