Die Schwarzwälder Hoffnung
David Siegel aus Baiersbronn macht bei der Tournee den nächsten Schritt nach vorn
Entwicklung - David Siegel aus Baiersbronn hat bei der Tournee einen weiteren Schritt nach vorne gemacht.
Garmisch-Partenkirchen Es gibt unter den deutschen Skispringern echte Schwarzwälder und unechte. Ehemalige Stars wie Martin Schmitt und Dieter Thoma sind Burschen aus dem Black Forest – womöglich aufgewachsen mit Kuckucksuhren an der Wand. Ihr Innenleben wurde bestimmt von der Melancholie, die in den finster-frostigen Tälern des Mittelgebirges mitunter aufkommen kann, gepaart mit badischer Gelassenheit. Der Tourneesieger Sven Hannawald startete zwar für den SC Hinterzarten, war im Prinzip aber ein zugereister Sachse. Ein Reingeschmeckter, wie es immer heißt.
David Siegel ist 22 Jahre jung, in Baiersbronn geboren und startet auch für den SV Baiersbronn. Alles, könnte man aus Schwarzwälder Sicht sagen, ist also waschecht an ihm. Die Menschen aus seinem Flecken hoffen nun, dass aus dem sympathisch schüchternen Jungen mal ein Großer wird. Siegel könnte ein Versprechen für die Zukunft sein. Der Bundestrainer Werner Schuster hält große Stücke auf ihn. Er zählt zu den Nachwuchsleuten, aus denen mal was werden kann. Siegel bestätigte sein Talent mit einem 135-Meter-Satz im Vorspringen von Garmisch: Im Neujahrsspringen danach wurde er nach Sprüngen auf 125 und 129 Meter am Ende 17.
Die Tournee-Auftritte des Dunkelhaarigen weisen auf einen Weg nach oben hin. Es sind keine Leistungsexplosionen, doch arbeitet sich David Siegel tapfer nach vorn. Sein siebter Platz in der Qualifikation von Oberstdorf war ein Ausrufezeichen, sein 17. Rang im Springen immerhin achtbar. 2016 bei seiner ersten Tournee wurde er 16. in Garmisch – es war sein erstes Weltcup-Springen überhaupt. 2017 musste er dann zwar verletzt passen, doch 2018 durfte er wie schon beim ersten Mal wenigstens bei den deutschen Springen in Oberstdorf und Garmisch mitmachen. In diesem Jahr ist es anders. Diesmal darf er durchspringen – bis zum abschließenden Wettbewerb am Sonntag in Bischofshofen. Siegel ist im Glück, er hat den nächsten Schritt gemacht.
Der Skispringer wirft seinem Naturell entsprechend oft einen kritischen Blick auf sich und seine Fähigkeiten. Er denkt viel über sich nach, grübelt, bastelt an einer Strategie. „Man weiß genau, was seine Baustellen sind“, sagt er, und wenn man daraus die richtigen Schlüsse ziehe, könne man sich steigern. Aber vielleicht wäre Siegels Entwicklung schneller gegangen, hätte ihn eine achtmonatige Verletzungspause nicht aufgehalten. So musste er die vorletzte Tournee wegen einer hartnäckigen Sprunggelenksentzündung sausen lassen, später entfernten die Ärzte auch noch Knochensplitter. Es war zum Heulen.
Keine schöne Zeit – der Skispringer erinnert sich gut daran. „Die Pause war anstrengend, weil man nie weiß, ob das jetzt wirklich eine Pause ist oder das Ende“, erklärt er. Doch immerhin habe seine sportliche Auszeit für private Veränderungen gesorgt. „In dieser Zeit ist viel passiert, ich habe da im Übrigen auch meine Freundin gekriegt“, sagt David Siegel lustig hölzern, als bekäme man eine Lebenspartnerin überreicht wie einen Pokal.
Solch einen Hauptpreis nahm er übrigens 2016 bei der Junioren-WM in Rasnov entgegen: Gold hatten sie ihm umgehängt. Die jungen Kollegen auf den Plätzen zwei und drei hießen Domen Prevc, der bereits vier Weltcup-Siege auf der Großschanze holte, und Ryoyu Kobayashi – der Star dieser Vierschanzentournee! Insofern gab schon damals eine Goldmedaille Anlass zur Hoffnung, dass bald wieder ein echter Schwarzwälder unter den Topleuten auftaucht. Sein Name: David Siegel, Baiersbronn.