Eigenständigkeit des Bezirks ist bedroht

Die Bestrebungen des Württembergischen Fußballverbandes, die Zahl der Bezirke zu reduzieren, laufen weiter

Seit fast 43 Jahren existiert der Fußballbezirk Rems-Murr. Womöglich aber wird sein 45. Geburtstag auch schon wieder der letzte sein. Der Württembergische Fußballverband will die Zahl der Bezirke reduzieren, und Rems-Murr könnte seine Eigenständigkeit verlieren.

Der Württembergische Fußballverband will die Zahl der Bezirke im Jahr 2021 reduzieren. Wie diese momentan aussehen, ist in der Grafik des WFV zu sehen. Diese ist auf Datengrundlage des Landesamts für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) und von GeoBasis-DE entstanden.

Der Württembergische Fußballverband will die Zahl der Bezirke im Jahr 2021 reduzieren. Wie diese momentan aussehen, ist in der Grafik des WFV zu sehen. Diese ist auf Datengrundlage des Landesamts für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) und von GeoBasis-DE entstanden.

Von Gisbert Niederführ

Die Entscheidung soll beim Verbandstag im Jahr 2021 fallen. Bisher, so der Bezirksvorsitzende Patrick Künzer, sei noch nichts entschieden. Eine Kommission prüfe, wie die Gebiete künftig sinnvoller gestaltet werden können.

Worum geht es bei der Gebietsreform? Die Zahl der Bezirke, aktuell sind es 16, soll reduziert werden. In der Diskussion waren bereits neun neue Bezirke, Patrick Künzer hält zwölf für realistischer. Doch warum will der Verband weniger Bezirke? Ausschlaggebend ist: Die Zahl der Fußballvereine sinkt. Die kleineren Bezirke haben Probleme, ihre Staffeln zu füllen. So bringt beispielsweise der Bezirk Riß von der Bezirksliga bis zur Kreisliga B nur noch fünf Staffeln zustande. Zwar füllen große Bezirke wie Enz-Murr oder Neckar-Fils ihre Bezirksligen mit 17 Mannschaften (Normzahl 15) und die A-Ligen zusätzlich noch mit 16 Teams, aber das sind eher Ausnahmen, wie Patrick Künzer weiß: „Es gibt zu wenig Mannschaften, deshalb werden die Staffeln kleiner. Und es brechen immer mehr weg.“ Der Spielbetrieb leidet, gleichzeitig die sportliche Wettbewerbsfähigkeit der Bezirke – und irgendwann die des Verbandes. Das will der WFV verhindern. In jedem Bezirk soll es genug Teams für einen Spielbetrieb in ordentlicher Qualität geben.

Was bedeutet das für den Bezirk Rems-Murr? Der Bezirk könnte seine Eigenständigkeit verlieren. Er zählt zu den kleinsten (siehe Statistik). Künzer sieht für Rems-Murr allerdings keine Notwendigkeit zu einer Fusion: „Es funktioniert ja alles.“ Er fürchtet dennoch, „dass wir das auf Dauer nicht verhindern können“. Künzer bringt deshalb einen eigenen Vorschlag ins Spiel: Es sollen nicht Bezirke zusammengelegt, sondern von Grund auf neu eingeteilt werden, sodass alle in vergleichbarer Größe aufgestellt sind. „Das würde bedeuten: Kürzere Strecken, mehr Derbys, und wir wollen ja alle mehr Zuschauer auf dem Platz.“ Genau das aber geschieht nicht, würde der Bezirk zum Beispiel mit Hohenlohe oder Unterland zusammengelegt. Beide Bezirke haben – wie auch Enz-Murr, Neckar-Fils, Ostwürttemberg und Stuttgart – eine gemeinsame Grenze mit Rems-Murr und sind als Partner in der Diskussion. Dass sein Vorschlag umgesetzt wird, das sieht jedoch selbst Künzer als „nicht sehr realistisch“ an.

Was könnte mit dem Bezirk Rems-Murr geschehen? Er könnte eigenständig bleiben. Das ist allerdings angesichts der Verbandsbestrebungen nicht realistisch. Er könnte mit dem Bezirk Stuttgart verschmelzen. Mit dem arbeitet er bereits im Frauenbereich zusammen, und bis 1976 waren Stuttgart und Rems-Murr ohnehin schon ein gemeinsamer Bezirk. Theoretisch möglich wäre auch eine Fusion mit Ostwürttemberg, Unterland oder Hohenlohe, die ebenfalls direkt an Rems-Murr grenzen. Allerdings brächte das für alle sehr weite Fahrtstrecken mit sich. Eine Fusion mit Enz-Murr und Neckar-Fils scheint am unwahrscheinlichsten, da die beiden größten Bezirke voraussichtlich nicht größer gemacht werden sollen.

Wie ist der weitere Ablauf? Der ursprüngliche Auftrag des Verbandes in 2015 lautete, die Spielklassenstruktur zu überarbeiten. Der daraus resultierende Vorschlag, eine Verbands-, drei Landesligen, neun neue Bezirksoberliga-Staffeln, darunter die Bezirksliga, zu installieren, scheiterte am Protest der Bezirke. Daraus ergab sich der Plan, die Gebiete zu überprüfen und eventuell zu reformieren. Daran arbeitet derzeit eine Kommission, die vom ehemaligen Bürgermeister Oppenweilers und aktuellen WFV-Vizepräsidenten Steffen Jäger geleitet wird. Bis zum Verbandstag 2021 soll sie ihre Vorschläge vorlegen. Stimmt der Verbandstag zu, begänne sofort die Umsetzung, die sich, das vermutet Patrick Künzer, bis 2024 hinziehen könnte. Die Vereine werden in vier Regionalkonferenzen über das Projekt und die Erkenntnisse der Kommission informiert werden. Die letzte der vier Regionalkonferenzen findet am 16. April für die Bezirke Rems-Murr, Unterland, Hohenlohe und Enz-Murr beim TSV Leutenbach statt. Rems-Murr-Chef Künzer rechnet nicht damit, dass alles bleiben kann, wie es ist. Grundsätzlich kann er die Beweggründe des Verbandes nachvollziehen. Er sagt aber auch: „Wenn das so kommt, bin ich raus.“ Ihm ist die Nähe zu den Vereinen wichtig. In einem großen Bezirk wäre das in seinen Augen nicht mehr umsetzbar.

Info
Statistik, Zahlen und Fakten

Die Zahl der Vereine im WFV ging in den vergangenen 14 Jahren ein wenig zurück. Der Bezirk Rems-Murr liegt im Trend, hat er doch statt 80 Klubs nur noch 77.

Rems-Murr steht mit Zollern und Nördlichem Schwarzwald auf dem vorletzten Platz. Mit nur 60 Vereinen ist Riß Schlusslicht. Der Bezirk Neckar-Fils führt mit 132 Klubs vor Ostwürttemberg und Enz-Murr (je 128).

Die Zahl der Jugendmannschaften im WFV hat sich von der Saison 2016/17 auf 17/18 von 8367 auf 8473 Teams erhöht. Im Bezirk Rems-Murr ging sie jedoch von 493 auf 475 zurück. Allerdings explodierte in den vergangenen Jahren die Zahl der Jugend-Spielgemeinschaften im Verband: 2005 waren es noch 752, momentan sind es 2115.

Eine aktuelle Statistik über die Zahl der Aktiven-Mannschaften gibt es derzeit nicht. Einige Einzelwerte aus WFV-Veröffentlichungen im Jahr 2016: Enz-Murr 207 Teams, Neckar-Fils 199, Ostwürttemberg 148. Mit nur 91 Teams dürfte der Bezirk Riß der kleinste sein. In Rems-Murr sind es aktuell 129 Männer- und 11 Frauenteams.

Schon einmal wollte der Verband die Bezirke neu strukturieren. Im Jahr 2000 sollte es unter anderem eine Wiedervereinigung von Rems-Murr und Stuttgart geben. Damals wehrten sich die Bezirke erfolgreich.

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Erstellt:
9. März 2019, 06:00 Uhr

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