Ein Finisherrekord und zwei Favoritensiege beim 36. Backnanger Silvesterlauf
1653 Kinder, Jugendliche und Erwachsene passieren in den fünf verschiedenen Wettbewerben die Ziellinie vor dem Rathaus. Es ist wegen des Limits von 800 Anmeldungen für den Hauptlauf, den Jens Mergenthaler und Anne Reischmann gewinnen, eine eher unerwartete Bestmarke.
Von Andreas Ziegele
Tausende Zuschauer an der Strecke feuerten die Läufer in allen Wettbewerben an. Auch der leichte Regen und der Wind zu Beginn des Hauptrennens taten der Stimmung keinen Abbruch. In allen Wettbewerben gaben die Teilnehmer ihr Bestes und machten den Silvesterlauf auch beim 36. Mal seit 1985 zu dem, was er ist: ein echtes Erlebnis für die Sportlerinnen und die Sportler sowie für die Fans aus Backnang und Umgebung. Eines, das auch den einen oder anderen erstmalig mitmachenden Läufer beeindruckt hat.
Sogar den Rekord, den die Organisatoren vorher gar nicht angestrebt hatten und der angesichts eines Limits von 800 Anmeldungen fürs 10-Kilometer-Rennen unwahrscheinlich erschien, gab’s am Ende – und sie freuten sich darüber. 1653 Frauen, Männer, Mädchen und Jungen erreichten das Ziel, so viele wie nie in den vergangenen 38 Jahren. Das lag nicht zuletzt am großen Andrang bei den Wettbewerben vor dem Hauptrennen, das als abschließender Höhepunkt aber immer das größte Interesse auf sich zieht.
Im Blickpunkt stand über die zehn Kilometer der klare Favorit, der die Konkurrenz am Ende auch deutlich auf Distanz hielt und Backnang zum vierten Mal in Folge als Sieger verließ. Nur mit dem Streckenrekord, den Jens Mergenthaler ins Visier genommen hatte, wurde es nichts. Der Winnender war mit 30:09 Minuten zwar so schnell wie noch nie zuvor, doch die Bestmarke von Marcel Fehr aus dem Jahr 2016 mit 29:47 Minuten hat weiter Bestand. Weil es dabei nicht bleiben soll, sagte Mergenthaler bei der Siegerehrung bereits seinen Start im Jahr 2024 zu: „Ich werde hier in Backnang so lange laufen, bis ich den Streckenrekord geknackt habe.“ Auf den zweiten Platz schaffte es der für Inter Esslingen startende Kenianer Philemon Kemboi mit einer Zeit von 31:13 Minuten.
Auch bei den Frauen gewann mit Anne Reischmann aus Ravensburg die Favoritin. Sie kam mit der Empfehlung ihres Siegs beim Backnanger Citytriathlon im vergangenen April erneut an die Murr und setzte sich in 37:14 Minuten gegen Lina Kabsch aus dem Bottwartal (37:43) durch.
Rekordjäger „Ich bin mit hohen Erwartungen ins Rennen gegangen und mein Ziel war es, den Streckenrekord anzugreifen“, sagte Jens Mergenthaler. Ihm fehlten letztlich aber 23 Sekunden, um schneller als Marcel Fehr zu sein. „Vielleicht war es auch ein wenig dem Wetter geschuldet. Denn mit dem Regen und dem Wind war es auch ein bisschen ein Kampf gegen die Elemente“, grübelte der 26-Jährige über die Gründe. Generell zeigte sich der sympathische Athlet mit dem Ergebnis allerdings zufrieden: „Es war für mich auf dieser Strecke ja auch meine persönliche Bestzeit und die Stimmung war riesig.“ Mit Selbstkritik sparte er trotzdem nicht: „Ich bin das Rennen ziemlich schnell angegangen und das musste ich hintenraus etwas einbüßen.“ Sein ganz großes Ziel fürs neue Jahr ist nach der Europameisterschaft die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Paris. „Das wäre mein absoluter Traum“, sagt der amtierende Studentenweltmeister über 3000 Meter Hindernis. Neben der sportlichen Herausforderung ist es für ihn vor allem eine Frage der Finanzen, seit Jens Mergenthaler von der Sporthilfe nichts mehr bekommt und die Förderung der Leichtathletik in Deutschland kritisiert. „Ich habe deshalb eine Spendenaktion auf der Crowdfunding-Plattform ‚GoFundMe‘ gestartet“, sagt er und hofft auf Unterstützung auf dem Weg nach Paris.
Premierensieg Für Anne Reischmann war es nach ihrem Triumph beim Citytriathlon nun der erste Erfolg beim Silvesterlauf in Backnang. Und das, obwohl das Rennen für die 31-Jährige nicht gut begonnen hatte. „Es hat von Anfang an Spaß gemacht und wir waren zu Beginn auch eine starke Fünfergruppe bei den Frauen“, erzählt sie, „aber dann ist mir ein ziemlich blöder Anfängerfehler passiert.“ Nach rund einem Kilometer ist ihr Schnürsenkel aufgegangen, „ich musste dann erst noch einmal binden und dann wieder aufholen“. Die Strecke hat es nach ihren Worten in sich. „Es geht sehr oft rauf und runter und es gibt den langen Berg, bei dem ich dann froh war, als ich das letzte Mal oben war“, berichtete sie mit einem strahlenden Gesicht. Mit ihrer Zeit war sie auch deswegen zufrieden, weil sie erst kürzlich wieder mit dem Training begonnen hat und vor Weihnachten noch krank war. Für Anne Reischmann war der Silvesterlauf ein Gruppenevent: „Mein Mann und einige Freunde sind ebenfalls mitgelaufen und es ist total schön hier.“ Auf das Jahr 2024 freut sie sich aus sportlicher Sicht heute schon. „Ich habe mich für die Ironman-Weltmeisterschaft in Island im September qualifiziert“, verrät die Profitriathletin.
Führungsfahrrad „Er hat um sein Leben geschrien, um die Strecke für mich freizumachen“, lobte Hauptlaufsieger Jens Mergenthaler den seit Jahren als „Vorfahrer“ agierenden Tim Schlichenmaier. Der Rennradfahrer aus Auenwald, der für den RSC Kempten startet und einer der Besten seiner Disziplin in ganz Baden-Württemberg ist, war auch gut vorbereitet. „Ich bin heute Morgen schon eine Runde über Abtsgmünd und das Kochertal gefahren“, ließ der 32-Jährige wissen. Nach dieser 125-Kilometer-Tour war er dann auf jeden Fall für seine Aufgabe beim Silvesterlauf gut aufgewärmt. Für die Frauen saß Timur Selvi als Streckenräumer im Sattel seines Rennrads.
36. Backnanger Silvesterlauf
Es ist ein Rekord, den die Macher des Backnanger Silvesterlaufs nicht angestrebt hatten, über den sie sich aber trotzdem freuen: 1653 Sportlerinnen und Sportler haben in den verschiedenen Rennen insgesamt das Ziel erreicht. Angefeuert wurden sie einmal mehr von tausenden Zuschauern. Unsere Bildergalerie liefert viele Impressionen.
Doppelrolle Zweimal war Tim Dreßler gefordert. Zunächst war er Startläufer des Staffeltrios, das für die Backnanger Bürgerbühne mit der Nummer 801 und damit als erstes angemeldetes Team unterwegs war. Als Han Solo verkleidet übergab er an Juliane Putzmann, die Prinzessin Leia verkörperte und den Stab ihrerseits an Gerhard Kleesattel im Gewand von Chewbacca weiterreichte. Danach hängte er noch den Hauptlauf dran und landete mit einer starken Zeit von 43:36 Minuten auf dem 96. Platz.
Vizeweltmeisterin Im Feld der Frauen über zehn Kilometer war mit Bettina Englisch eine starke Athletin dabei, die im April 2023 in Polen den zweiten Platz bei der WM im Halbmarathon in der Altersklasse 40 belegt hatte und amtierende Europameisterin in dieser Disziplin ist. Sie zeigte sich von ihrer ersten Teilnahme in Backnang begeistert und wird wohl nicht zum letzten Mal an den Start gegangen sein. In exakt 38 Minuten bewältigte die für die TSG Heilbronn startende Läuferin das Rennen und sicherte sich damit als Dritte einen Podestplatz.
BKZ-Lauf „Der Berg ist diesmal noch steiler als sonst“, sagte der Bürgermeister von Kaisersbach, Michael Clauss, nachdem er in 28:41 Minuten die fünf Kilometer lange Strecke geschafft hatte, die er als Backnanger besonders gut kennt. Mit dem Berg war natürlich die Marktstraße gemeint, die auch dieses Jahr vielen Läufern wieder alles abverlangte. Den Sieg sicherte sich bei den Frauen über fünf Kilometer Charlotte Römer vom Leichtathletikzentrum Ludwigsburg mit 18:21 Minuten. Bei den Männern hatte Tom Heyer von der TSG Heilbronn mit 16:06 Minuten die Nase vorne.
Fazit Alexander Hornauer zeigte sich stellvertretend fürs gesamte Organisationsteam rundum zufrieden. Auch wegen des Rekords, der eigentlich gar nicht angestrebt war und trotz der Limitierung des Hauptlaufs auf 800 Anmeldungen und des Staffelwettbewerbs auf 49 Teams zustande kam. 1653 sogenannte Finisher schlossen die unterschiedlichen Rennen ab und knackten damit den Rekord aus dem Jahr 2019, als 1611 Sportler das Ziel erreichten. „Es war sogar ein noch höheres Interesse an einer Teilnahme vorhanden“, sagt Hornauer, der zusammen mit Bernd Koppitz auch als Streckensprecher fungiert hatte. Auch was die Zuschauerzahl angeht, war er zufrieden: „Meiner Meinung nach waren die Zuschauerreihen im Start-und Zielbereich sowie in der Marktstraße noch dichter als in den Vorjahren.“ Nach seinen Worten ist der Silvesterlauf mittlerweile ein Event, vergleichbar mit dem Straßenfest, das die Massen in und um Backnang anzieht. Ein besonderes Lob gab es dann auch von Oberbürgermeister Maximilian Friedrich bei der Siegerehrung: „Ich bedanke mich stellvertretend für alle Organisatoren bei dem Triumvirat Rolf Hettich, Georg Beïs und Alexander Hornauer, die diese Veranstaltung unter anderem erst möglich machen.“