Stuttgarter Kickers 2023
Ein Jahr voller Emotionen und Höhepunkte
Für die Stuttgarter Kickers hätte 2023 besser kaum laufen können. Erst der lang ersehnte Aufstieg, dann spielen sich die Blauen an die Spitze der Regionalliga und überwintern als Tabellenführer. Wir blicken auf die Knackpunkte eines bewegenden Jahres.

© Baumann/Julia Rahn
Nach fünf Jahren Oberliga feiern die Blauen den Sprung in die Fußball-Regionalliga.
Von Jürgen Frey
Wer vielleicht nicht ganz so im Thema drin ist und die Euphorie bei den Stuttgarter Kickers mit Blick auf das bald abgelaufene Jahr 2023 womöglich nicht nachvollziehen kann, dem sei ein kleiner Rückblick gestattet – mit ein paar Daten des Grauens aus der jüngeren Vereinsgeschichte des Degerlocher Traditionsclubs.
Ende der Leidenszeit
Das 0:1 gegen den Chemnitzer FC am 14. Mai 2016 besiegelte den Abstieg in die Regionalliga – nachdem die Kickers drei Spieltage vor Schluss noch ein Sechs-Punkt-Polster vorzuweisen hatten. Am 25. Mai 2017 setzte es im WFV-Pokal-Endspiel daheim gegen den damaligen Landesligisten SF Dorfmerkingen ein blamables 1:3. Am 5. Juni 2019 scheiterten die Blauen im entscheidenden Aufstiegsspiel beim FC Bayern Alzenau, am 14. Juni 2022 bei Eintracht Trier ereilte sie dasselbe Schicksal (beide Spiele endeten 1:1). Die „Krönung“ war das Drama in Dorfmerkingen am 4. Juni 2022, als Mannschaft und Fans den Aufstieg schon voller Ekstase feierten, ehe sie nach der Nachricht vom Freiberger Tor in der Nachspielzeit plötzlich vom siebten Himmel ins Tal der Tränen stürzten.
Diese Serie an Tiefschlägen macht deutlich, warum der Aufstieg aus der Oberliga im Jahr 2023 für die leidgeprüften Kickers-Fans einer Erlösung gleichkam. Als am 6. Mai in Reutlingen der Sprung in die Regionalliga auch rechnerisch besiegelt war, fiel eine Last ab. Es passt ins Bild dieser verrückten vergangenen Kickers-Jahre, dass der Aufstieg während des eigenen Spiels feststand – durch das Ergebnis auf einem anderen Platz.
Dass es in der Regionalliga so hervorragend für die Blauen weiterlief, konnte in dieser Form keiner erwarten und ist weiter Balsam für die Kickers-Seele. Der gute Start mit dem 1:0-Coup bei Kickers Offenbach und dem folgenden 7:0-Kantersieg gegen Mitaufsteiger TuS Koblenz befeuerten die Euphorie – auf dieser Welle surften die tüchtigen Kicker von Trainer Mustafa Ünal so lange weiter, bis sie die Winterpause stoppte. Mit einem Vier-Punkte-Polster geht das homogene Team in die mit dem Heimspiel gegen den TSV Steinbach Haiger (2./3. März 2024) beginnenden restlichen 13 Saisonspiele.
Wir haben Fotos mit den Knackpunkten des Jahres 2023 zusammengestellt. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie!
Spielplan
Regionalliga Kickers Offenbach – Stuttgarter Kickers 0:1, Kickers – TuS Koblenz 7:0, KSV Hessen Kassel – Kickers 2:1, Kickers – 1. FSV Mainz 05 II 4:1, TSV Steinbach Haiger – Kickers 1:3, Kickers – TSG Balingen 2:2, Kickers – VfR Aalen 0:0, Eintracht Frankfurt II – Kickers 1:0, Kickers – TSG 1899 Hoffenheim II 1:0, SG Barockstadt Fulda-Lehnerz – Kickers 0:2, Kickers – TSV Schott Mainz 3:0, Bahlinger SC – Kickers 1:1, Kickers – FSV Frankfurt 0:0, VfB Stuttgart II – Kickers 0:2, Kickers – FC Astoria Walldorf 2:2, SGV Freiberg – Kickers 0:2, Kickers – FC 08 Homburg 2:2, Kickers – Kickers Offenbach 1:0, TuS Koblenz – Kickers 0:0, 1. FSV Mainz 05 II – Kickers 1:4, Kickers – KSV Hessen Kassel 2:1, Kickers – TSV Steinbach Haiger 2./3. März 2024.
WFV-Pokal 1. Runde: Freilos, 2. Runde: 1. Göppinger SV – Kickers 3:4 i. E., 3. Runde: TSV Weilimdorf – Kickers 0:7, Achtelfinale: TSG Backnang – Kickers 1:2 n. V., Viertelfinal-Auslosung am 26. Januar 2024. Noch dabei: SSV Ulm 1846 Fußball (dritte Liga), Stuttgarter Kickers, VfR Aalen (beide Regionalliga), SG Sonnenhof Großaspach, SSV Reutlingen (beide Oberliga), Türkspor Neckarsulm (Verbandsliga), TSV Buch, SG Empfingen (beide Landesliga). Termine: Viertelfinale 3. April (Nachholspiele 10. April), Halbfinale 1. Mai, Finale 25. Mai. (jüf)

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Der Auftakt ins Jahr 2023 gelang den Kickers am 4. März mit einem souveränen Auswärtssieg: Begleitet von 1500 Fans siegten die Blauen vor 2800 Zuschauern im Etzwiesenstadion bei der TSG Backnang mit 4:0. Mehr als nur ein Wermutstropfen: Verteidiger Marian Riedinger zog sich in dem Spiel einen Kreuzbandriss zu.

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Gleich im ersten Heimspiel 2023 setzten die Kickers gegen Aufstiegsmitkonkurrent 1. CfR Pforzheim ein Ausrufezeichen. Vor 4140 Zuschauern gab es ein souveränes 3:0. Zweifacher Torschütze war Loris Maier (Foto), den dritten Treffer erzielte Paul Polauke. Die Zweifel an der Meisterschaft nahmen immer mehr ab.

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Doch dass die Oberliga kein Selbstläufer ist, mussten die Blauen am 6. April erfahren. Vor 4100 Zuschauer setzte es gegen den FSV Hollenbach durch ein Tor von Michael Kleinschrodt ein 0:1 – die erste Heimniederlage der Saison. Seitdem sind die Blauen zu Hause im Gazi-Stadion ungeschlagen.

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Nach solch einem Rückschlag wie gegen den FSV Hollenbach ist die Reaktion im nächsten Spiel ganz entscheidet, damit erst gar kein Krisengerede aufkommt. Die Kickers lieferten – ohne ein Feuerwerk abzubrennen – und gewannen bei der Sport-Union Neckarsulm am 14. April mit 2:0. Doppel-Torschütze Halim Eroglu stand zweimal goldrichtig. Schade für ihn und die Kickers, dass seine Entwicklung nicht weiterging und der 19-Jährige die Blauen in der Winterpause verlassen wird.

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Mit dem 4:1 am 29. April gegen den 1. Göppinger SV stießen die Blauen um Kapitän Kevin Dicklhuber (re., gegen Gent Cerimi) das Tor zur Regionalliga ganz weit auf. Vor 4510 Zuschauern im Gazi-Stadion erzielten Dicklhuber (2), Braig und Loris Maier die Tore.

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Am 6. Mai war es so weit: Die Kickers feierten nach dem 0:0 beim SSV Reutlingen vor 4836 Zuschauern mit ihren 3000 mitgereisten Fans ausgelassen den Sprung in die Regionalliga. Der Aufstieg stand schon in der 20. Minute fest. Zu diesem Zeitpunkt war das bereits um 14 Uhr angepfiffene Spiel von Verfolger SG Sonnenhof Großaspach beim FC 08 Villingen zu Ende. Durch die 1:3-Niederlage der SG Sonnenhof war klar, dass die Mannschaft von Trainer Mustafa Ünal auch rechnerisch nicht mehr einzuholen war – unabhängig vom Ausgang des eigenen Spiels an der Kreuzeiche.

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Bis tief in die Nacht feierten die Kickers-Spieler in Degerloch mit ihren Fans die Rückkehr in die Oberliga.

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Mittelfeldspieler Luigi Campagna stemmt die Meisterschale nach oben und die Mannschaft hinter ihm feiert kräftig mit: Am 13. Mai erfolgte die offizielle Ehrung im Rahmen des sportlich bedeutungslosen Spiels gegen die SG Sonnenhof Großaspach. Vor 6650 Zuschauer endete die Partie 1:1 – das viel umjubelte 100. Saisontor der Blauen erzielte dabei Kevin Dicklhuber.

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Voller Stolz präsentiert Trainer Mustafa Ünal die Meisterschale.

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Glückseligkeit: Torwart-Trainer Ümit Sahin (li.), Chefcoach Mustafa Ünal

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Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper gratuliert Präsident Rainer Lorz (re.) zum Aufstieg.

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Im vergangenen Jahr verspielten die Kickers den Aufstieg, gewannen aber im Endspiel gegen den SSV Ulm 1846 Fußball den WFV-Pokal. Diesmal lief es andersrum – doch in Anbetracht des Sprungs in die Regionalliga ließ sich die 5:6-Final-Niederlage nach Elfmeterschießen am 3. Juni gegen Regionalligist TSG Balingen noch einigermaßen verschmerzen. Auch wenn die DFB-Pokal-Gelder der Kasse natürlich gut getan hätten. 8507 Zuschauer hatten unterm Fernsehturm für Gänsehaut-Atmosphäre gesorgt.

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Von solch einem Auftakt hat jeder im Lager der Stuttgarter Kickers geträumt: Mit einem Lucky Punch von Kapitän Kevin Dicklhuber gelang den Blauen am ersten Regionalliga-Spieltag am 4. August ein 1:0 bei Kickers Offenbach. Den ersten Härtetest hatte der Aufsteiger damit vor 11 483 Zuschauern am Bieberer Berg mit Bravour bestanden.

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Mit dem 7:0-Kantersieg am zweiten Spieltag am 12. August gegen Mit-Aufsteiger TuS Koblenz legten die Kickers nach dem Triumph in Offenbach gleich eindrucksvoll nach – mit diesen beiden Dreiern zum Auftakt war eine wichtige Weiche für den weiteren Saisonverlauf gestellt. Den Schlusspunkt gegen Koblenz setzte vor 4280 Zuschauern der starke Neuzugang Christian Mauersberger (Foto) mit seinem Tor in der 89. Minute.

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Ein Spiel mit Lerneffekt war die Partie am 19. August beim KSV Hessen Kassel. Die Kickers hatten eine glänzende erste Halbzeit gespielt, führten aber nur mit 1:0. Nach der Pause gerieten die Blauen durch zwei Standardtore von Ex-Kickers-Spieler Alban Meha schnell mit 1:2 in Rückstand. Bei diesem Ergebnis blieb es. Es war die erste von nur zwei Niederlagen im bisherigen Saisonverlauf.

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Es war eine Machtdemonstration der Kickers: Sie ließen dem VfB II und seinem Toptalent Raul Paula (Foto) im prestigeträchtigen kleinen Derby keine Chance. Zu dem formalen Auswärtsspiel der Blauen waren 9050 Zuschauer ins Gazi-Stadion geströmt. Sie sahen die Tore von Niklas Antlitz und Flamur Berisha. „Das war wirklich eine sensationelle Mannschaftsleistung, ich bin wahnsinnig stolz auf die Spieler, sie werden immer besser“, schwärmte Kickers-Präsident Rainer Lorz.

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Das Stadtderby war eine klare Sache. „Wir waren nur zweimal in dieser Saison chancenlos – gegen den FC 08 Homburg und gegen die Stuttgarter Kickers“, sagte Markus Fiedler, der Trainer der U21 des VfB.

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Wieder einmal beweisen die Stuttgarter Kickers in einem Spitzenspiel ihre Stabilität und Klasse: am 4. November gewann das Ünal-Team beim Verfolger SGV Freiberg verdient mit 2:0. Auf dem Foto jubeln die beiden Torschützen: Lukas Kiefer und David Braig (re.). Wir haben heute gezeigt, warum wir da stehen, wo wir stehen. Jeder hilft dem anderen, jeder rennt für den anderen. Unsere zehn Gegentore nach 16 Spielen zeigen, wie kompakt und stabil wir stehen“, sagte Braig.

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Auch ein Highlight: Die Partie in Freiberg war das erste Punktspiel, zu dem Willi Mast die Kickers mit ihrem neuen Luxus-Mannschaftsbus chauffierte. Der tiefblaue Gönner, Aufsichtsratsmitglied Günter Daiss, hatte das Gefährt finanziert.

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Die Blauen starteten auch erfolgreich in die Rückrunde: Am 18. November besiegten sie durch ein Tor von Sinan Tekerci (Foto) Kickers Offenbach mit 1:0. 6590 Zuschauer sorgten für die bisher beste Saisonkulisse der Degerlocher bei einem Heimspiel.

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Bei der Mitgliederversammlung am 27. November musste Rainer Lorz ein Jahresdefizit von 150 000 Euro verkünden. Doch der Kickers-Präsident konnte das Minus begründen: „Zum einen sind durch die grandiose Punktausbeute in der vergangenen Oberliga-Spielzeit auch die Prämienzahlungen um einiges höher als geplant ausgefallen, was uns das Ergebnis verhagelt hat. Zum anderen haben wir Vorsorge für Umsatzsteuernachforderungen getroffen, die wir als Ergebnis einer steuerlichen Betriebsprüfung für vergangene Jahre erwarten.“

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Ein guter Schluss ziert alles: Durch das 2:1 im Nachholspiel am 16. Dezember gegen den KSV Hessen Kassel überwintern die Kickers mit einem Vier-Punkte-Polster an der Tabellenspitze. Auf dem Foto jubeln David Braig und Lukas Kiefer (re.). „Wir werden im neuen Jahr alle noch einmal gemeinsam angreifen“, versprach Trainer Mustafa Ünal, der die Fortsetzung des eingeschlagenen Wegs hervorhob: „Wir bleiben bodenständig, fleißig und wollen ehrliche Arbeit leisten.“ Ab dem