DFB-Elf zittert in verrücktem Spiel gegen Italien
Eine famose erste Hälfte reicht fürs Finalturnier
Nach einer perfekten Leistung führt das deutsche Fußball-Nationalteam im Viertelfinal-Rückspiel der Nations League gegen Italien 3:0. Am Ende gibt es ein 3:3-Remis und ausgelassenen Jubel über das Erreichen der Endrunde, die in Stuttgart und München stattfindet.

© dpa/Bernd Thissen
Ab in die Endrunde: Die deutschen Fußballer freuen sich über ihre perfekte erste Hälfte gegen Italien.
Von Marco Seliger
Die Halbzeitpause war noch ein paar Minuten entfernt, da hatten die Fans in Dortmund bereits genug gesehen. Sie sangen: „Die Nummer eins der Welt sind wir!“ Ganz so weit ist es zwar noch nicht, die Leistung des deutschen Teams im Rückspiel des Viertelfinales in der Nations League gegen Italien aber war in Hälfte eins perfekt. Letztlich zog die Mannschaft von Julian Nagelsmann nach einer 3:0-Führung durch ein 3:3-Remis ins Finalturnier ein. „Die Leistung vor der Pause war unfassbar gut, die beste in meiner Amtszeit“, meinte der Bundestrainer, „lernen müssen wir, dass wir so starken Fußball das ganze Spiel zeigen müssen.“
Die Ausgangslage war klar: Nach dem 2:1-Erfolg im Hinspiel gab Nagelsmann seinen Jungs mit auf den Weg, „gedanklich bei 0:0 zu starten“. Der Coach veränderte seine Startelf auf vier Positionen – und setzte auf zwei VfB-Profis, die zuletzt in Dortmund ja beste Erfahrungen gemacht haben: Angelo Stiller und Maximilian Mittelstädt standen wie Nico Schlotterbeck und Tim Kleindienst von Beginn an auf dem Platz. „Wir wollen in verschiedenen Ordnungen spielen und variabel sein können“, erklärte Nagelsmann seine personelle Rochade vor dem Anpfiff, „ich hoffe, dass wir einen besseren Start als im Hinspiel haben werden.“ In Mailand hatte das DFB-Team schnell 0:1 zurückgelegen – diesmal kam es anders. Ganz anders.
Das italienische Team wird vorgeführt
Die deutsche Mannschaft legte los, als müsse sie einen hohen Rückstand aufholen, presste sehr hoch und enorm aggressiv, hatte zahlreiche Ballgewinne in der italienischen Hälfte. Die Gäste kamen kaum über die Mittellinie, waren völlig ratlos, fanden keine Lösungen, um sich aus der Umklammerung zu befreien. Kurzum: Sie wurden vorgeführt.
Großen Anteil daran hatten die überragenden Leon Goretzka und Joshua Kimmich, aber auch die VfB-Profis: Stiller, der Stuttgarter Taktgeber, nahm im Gegenpressing eine zentrale Rolle ein, spielte zudem etliche kluge Pässe. Mittelstädt agierte bei Ballbesitz wie ein Linksaußen und war voll ins Offensivspiel eingebunden.
Kurioses Tor zum 2:0
Die Deutschen dominierten dank ihrer enormen Intensität und spielerischen Klasse, klare Chancen aber blieben zunächst aus. Die Führung fiel durch einen Elfmeter: Stiller passte auf Goretzka, der Kleindienst steil schickte. Der Mittelstürmer wurde gefoult, Kimmich verwandelte sicher (30.). Danach verloren die Italiener vollends die Orientierung. Während Torwart Gianluigi Donnarumma nach einer Parade gegen einen Kleindienst-Kopfball ein paar Schritte aus seinem Kasten machte und mit seinen Vorderleuten diskutierte, warf der clevere Balljunge an der Eckfahne Joshua Kimmich sofort die nächste Kugel zu. Der Kapitän führte die Ecke schnell aus, in der Mitte schob Jamal Musiala den Ball ins leere Tor (36.). Was für ein kurioser Treffer! Und was für eine Peinlichkeit für die italienische Abwehr, die einst die Kunst des Verteidigens erfunden hatte. Doch es kam noch schlimmer für die Gäste.
Nach einem weiteren Ballverlust in der eigenen Hälfte flankte Kimmich auf Kleindienst, dessen Kopfball Donnarumma erst hinter der Linie erwischte – 3:0 (45.). Nach 18:1 Torschüssen waren sich sich alle Beobachter einig: Besser hätte die deutsche Elf nicht spielen können. Und noch etwas war klar: dass es kaum möglich sein würde, dieses enorm hohe Niveau nach dem Wechsel zu halten.
Der Videoschiedsrichter greift doppelt ein
So kam es dann auch. Die Gastgeber waren weniger bissig, verloren die Zuordnung und Kompaktheit. Prompt machten die Italiener nach einem Fehlpass von Leroy Sané durch Moise Kean das 1:3 (49.), der italienische Stürmer erzielte zudem auch noch das 2:3 (69.). Ein Elfmeter für Italien nach einem vermeintlichen Schlotterbeck-Foul wurde nach der Intervention des VAR zurückgenommen. In der fünften Minute der Nachspielzeit gab es nach einem Videobeweis aber doch noch einen Elfmeter für die Italiener: Giacomo Raspadori verwandelte nach einem Handspiel von Mittelstädt zum 3:3-Ausgleich. Anschließend zitterte sich das Nagelsmann-Team in die Endrunde.
Deutschland darf nun das Finalturnier der Nations League ausrichten, das Halbfinale gegen Portugal wird nach Informationen unserer Zeitung am 4. Juni in München stattfinden. Das andere Duell der Vorschlussrunde steigt am 5. Juni in Stuttgart. Das Spiel um Platz drei ist drei Tage später in Stuttgart, das Finale ebenfalls am 8. Juni in München. Klar ist schon jetzt: In der Form der ersten Hälfte des Italien-Spiels ist die deutsche Elf nur schwer zu schlagen. Auch ohne die Nummer eins der Welt zu sein.