Eklat beim Oberliga-Heimspiel der TSG Backnang hallt weiterhin nach
Nach der rassistischen Beleidigung, die das 1:1 im Oberliga-Duell zwischen Backnang und Gmünd überschattet, beraten beide Vereine noch über die weiteren Schritte. Bei der TSG geht es um die Konsequenzen für ihren Fan und bei der Normannia um die Frage, ob Anzeige erstattet wird.
Von Steffen Grün
Es hätte ein richtig harmonischer Fußballnachmittag sein können. Einer, bei dem beide Seiten nach dem gerechten Remis mit einem kühlen Getränk anstoßen und die strittigen Szenen und emotionalen Momente, die es vor allem in solchen Nachbarschaftsduellen immer gibt, noch einmal Revue passieren lassen. Erst recht, weil bei den Gästen aus Schwäbisch Gmünd mit dem in Backnang wohnenden Trainer Zlatko Blaskic sowie dem sportlichen Leiter Stephan Fichter zwei verdiente Ex-TSGler dabei waren. Vor allem Blaskic hat noch viele Freunde in den Etzwiesen. Doch diese engen Bande wurden für den 41-Jährigen eine Viertelstunde vor dem Abpfiff auf eine harte Probe gestellt.
„Weil ich aus Backnang komme, beschäftigt mich das vielleicht noch mehr, als es woanders der Fall gewesen wäre“, sagt der Normannia-Trainer über den Moment, als sein Spielmacher Marvin Gnaase nach übereinstimmenden Aussagen von Ohrenzeugen von einem TSG-Anhänger als „Affenkopf“ bezeichnet wurde. Eine rassistische Entgleisung, die offenbar nur der Höhepunkt ständiger Pöbeleien aus diesem Bereich in der Nähe der Ersatzbänke war. Stets sei es nur gegen Marvin Gnaase und Kelecti Nkem, einen zweiten dunkelhäutigen Spieler, gegangen, behauptet Blaskic und schiebt nach: „Ich verstehe nicht, was solche Menschen treibt.“ Zudem habe ihn enttäuscht, dass die danebenstehenden Leute „keine Zivilcourage gezeigt“ hätten. Erst mit dem Einschreiten von Uli Schäufele, dem Verwaltungsvorstand der Roten, sei etwas passiert und der Täter habe nach Anweisung des Referees das Stadion verlassen müssen.
Klare Worte von Dieter Schaupp und deutliche Positionierung auf Facebook
Für die Durchsetzung der Maßnahme dankt die Normannia dem Ordnungsdienst in ihrer Stellungnahme ausdrücklich, „aber es darf nicht bei dieser Einzelaktion bleiben. Wir sagen laut und deutlich: Stoppt Rassismus.“ In dieser Hinsicht hatte aber bereits kurz nach dem Abpfiff der altgediente TSG-Funktionär Dieter Schaupp klare Worte gewählt und sich im Namen des Vereins vom Geschehen distanziert (wir berichteten). Eine eindeutige Positionierung auf Facebook mitsamt Entschuldigung kam später dazu. „Rassismus hat keinen Platz in unserer Gesellschaft, unserem Sport und unseren Stadien“, heißt es da. „Umso trauriger ist es, dass noch immer solch widerliche Äußerungen getätigt werden.“ Das unterstreicht der sportliche Leiter abermals. „Dass wir uns davon komplett distanzieren, ist klar, und das gilt auch für mich persönlich ganz eindeutig. Rassismus geht überhaupt nicht“, betont Marc Erdmann, dem allerdings noch etwas wichtig ist: „Das gilt auch für alle Beleidigungen unterhalb der Gürtellinie. Das hat auf dem Sportplatz nichts verloren.“
Derzeit geht es aber um die konkrete rassistische Entgleisung im Spiel gegen Gmünd am vergangenen Samstag, von der Marvin Gnaase betroffen war. „Es tut mir aufrichtig leid für den Spieler“, betont Erdmann. Laut Blaskic war der 29-Jährige bis zu dem Vorfall „unser bester Spieler und man hat dann gesehen, dass es etwas mit ihm gemacht hat“. Er habe mit Gnaase seither mehrmals Kontakt gehabt, berichtet der Gästecoach: „Er macht einen relativ gefassten Eindruck und hat es mittlerweile weggesteckt.“ Ihm selbst, so Blaskic, gehe es vor allem darum, „dass das nächste Woche nicht wieder passiert“. Daher wolle er „nicht schweigen und sich wegducken“. Bei Heimspielen habe es ein solches Vorkommnis in seiner Amtszeit seit Ende 2019 nicht gegeben, beteuert der 41-Jährige: „Würde ich das mitbekommen, würde ich das mit der betreffenden Person selbst klären.“ Ob die Normannia rechtliche Schritte geht und es damit ein zivilrechtliches Nachspiel wie im März 2019 nach einer rassistischen Beleidigung eines Cottbuser Spielers bei einem Großaspacher Drittliga- Heimspiel hat, ist offen: „Das wird noch intern besprochen. Wir wollen die Stellungnahme des Schiedsrichters abwarten.“ Die könnte Ende dieser Woche vorliegen.
Und die TSG? Der Vorstand traf sich gestern Abend zu seiner Sitzung, bei der das Geschehen aufgearbeitet werden sollte. Mit dem erst am Vormittag aus dem Urlaub zurückgekehrten Vorsitzenden und Sportvorstand Joachim Pfisterer, der aber bereits im Vorfeld betonte: „Die logische Konsequenz kann sich jeder ableiten. Das kann nur ein Stadionverbot sein und es geht eigentlich nur um die Dauer.“ Er begründet seine Haltung mit dem Leitbild für die Jugend, das unter www.tsg1919.de zu finden ist und das unter anderem ein respektvolles Miteinander mit allen Beteiligten anmahnt. „Das leben wir auch“, versichert Pfisterer. Auch deshalb kam es erst kürzlich zur schnellen Trennung von Andrew Owusu, dem Zugang der Oberliga-Mannschaft, der sich gegenüber dem Trainer im Ton vergriffen hatte.
Von Steffen Grün
Wenn in den Kommentarspalten der sogenannten sozialen Netzwerke seit vergangenem Wochenende vereinzelt darüber sinniert wird, ob „Affenkopf“ wirklich eine rassistische Beleidigung ist oder vielmehr nur ein schwäbischer Kraftausdruck, dann ist der gesamte Diskussionsansatz völlig falsch und deplatziert. Erstens, weil im Kontext mit einem dunkelhäutigen Spieler der Rassismusvorwurf auf der Hand liegt und kaum abzustreiten ist. Zweitens, weil Beleidigungen aus dieser Kategorie auf dem Sportplatz grundsätzlich nichts verloren haben. Jeder, der seinen Emotionen beim Fußball freien Lauf lässt, sollte sich mal selbstkritisch fragen, wann die Grenze überschritten ist. Eigentlich ist die Antwort einfach: Alles, was im normalen Leben eine Beleidigungsklage bedeuten könnte, ist auch beim Fußball ein No-Go. Wenn man das beachtet, bleibt immer noch genügend Spielraum, um sich bei umstrittenen Entscheidungen über den Unparteiischen zu echauffieren, einen Elfmeter zu fordern oder vermeintliche Zeitschinderei des gegnerischen Teams zu monieren. Das alles aber eben mit dem nötigen Grundrespekt und dem Anstand, den man Kindern und Jugendlichen auch vorleben sollte.
s.gruen@bkz.de
Verfahren Was am vergangenen Samstag im Etzwiesenstadion passiert ist, ist längst von Backnang nach Stuttgart ins Hauptquartier des Württembergischen Fußballverbands vorgedrungen. „Der Fall ist bekannt und liegt beim Sportgericht“, bestätigt WFV-Pressesprecher Heiner Baumeister. Mehr allerdings nicht, denn wie üblich gilt: „Es ist ein laufendes Verfahren, deshalb können wir aktuell nichts dazu sagen.“
Fallzahlen Der Ruf, um den es geht, fällt unter den Tatbestand der Diskriminierung. Genauer gesagt um eine „Diskriminierung im Bereich der verbalen Gewalt“, die von einer Beleidigung abgegrenzt wird. Es ist ein recht breit gefächerter Tatbestand, der bei Weitem nicht nur Rassismus umfasst, sondern auch sonstige Formen der Herabwürdigung aufgrund des Geschlechts, der Religion oder anderer Merkmale. Im WFV-Gebiet gab es in der Saison 2022/2023 in 100794 Spielen genau 269 Fälle, von einer Dunkelziffer ist auszugehen. Jeder ist einer zu viel und deshalb sind das „Vorfälle, die man genau im Blick haben muss“, sagt Baumeister.