Enttäuschung, aber auch großes Verständnis

TSG-Turnerin Emelie Petz kann die kurzfristige Absage der deutschen Meisterschaft aufgrund der Coronasituation nachvollziehen.

Emelie Petz hatte 2020 kaum Gelegenheit, große Sprünge zu machen, weil die Coronapandemie fast alle Wettkämpfe verhinderte. Die 17-Jährige hofft, dass es 2021 besser wird. Foto: Baumann

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Emelie Petz hatte 2020 kaum Gelegenheit, große Sprünge zu machen, weil die Coronapandemie fast alle Wettkämpfe verhinderte. Die 17-Jährige hofft, dass es 2021 besser wird. Foto: Baumann

Von Steffen Grün

Mit einem Ligaeinsatz in Sevilla als Gastturnerin für den auf Mallorca beheimateten spanischen Klub Xelska hatte die Saison für Emelie Petz im Februar begonnen. Es sollte nur die Ouvertüre für ein mit etlichen Höhepunkten gespicktes Jahr sein: Auf der Agenda standen zum Beispiel der prestigeträchtige DTB-Pokal in Stuttgart, die nationalen und die kontinentalen Titelkämpfe sowie die Olympischen Spiele. Die Pandemie durchkreuzte alle Planungen, auch die aktuellsten des Deutschen Turnerbunds: Wie der DTB am gestrigen Vormittag mitteilte, kann die Anfang Juni in Oberhausen zum ersten Mal gecancelte deutsche Meisterschaft, die nun von Donnerstag bis Sonntag in Düsseldorf nachgeholt werden sollte, auch im zweiten Anlauf nicht über die Bühne gehen. Und das, obwohl Profi- und Spitzensport ohne Zuschauer eigentlich auch während des November-Lockdowns möglich sein soll.

Das Hygienekonzept sei „sehr komplex und fundiert“ gewesen, betont DTB-Präsident Alfons Hölzl, und es hätte „mit viel Aufwand eine sichere Veranstaltung“ gewährleistet, doch es gebe eben auch „Bereiche, auf die wir keinen Einfluss haben“, etwa die An- und Abreise aller Beteiligten. Und so kam es in Absprache mit den Behörden zur kurzfristigen Absage. „Ich habe die Nachricht am Montagabend bekommen“, verrät Emelie Petz, „und war natürlich erst einmal enttäuscht.“ Logisch, hatte die Turnerin der TSG Backnang ihre komplette Trainingsarbeit in den vergangenen Wochen doch darauf ausgerichtet, bei diesen Titelkämpfen in allen vier Disziplinen (Sprung, Schwebebalken, Boden, Stufenbarren) reüssieren zu können.

„Ich glaube aber, dass es in der aktuellen Situation die beste Entscheidung ist“, ergänzt die 17-Jährige und begründet ihre Haltung so: „In Nordrhein-Westfalen sind die Infektionszahlen besonders hoch, man wäre mit einem unguten Gefühl hingefahren.“ Rund um den Wettkampf in der Metropole am Rhein wäre alles sehr kompliziert geworden, glaubt die in Allmersbach im Tal wohnende Sportlerin. Sie fragt sich zum Beispiel, ob es überhaupt erlaubt gewesen wäre, ein Hotelzimmer zu beziehen, und hält es mit Blick auf die geschlossenen Restaurants auch für keine gute Idee, am Abend vor den nationalen Titelkämpfen „etwas bei einem Lieferdienst zu bestellen“. Dazu noch die Hygiene- und Abstandsregeln in der Halle, da hält sich die Vorfreude offensichtlich im Rahmen und das Verständnis für die Absage wächst.

Bitter ist es trotzdem, denn damit könnte das Sportjahr für Emelie Petz vorzeitig beendet sein. Deutschlands Damen haben ungeachtet dessen, ob die mittlerweile in den Dezember und in die Türkei verlegte Europameisterschaft am Ende überhaupt stattfindet, schon ihren Startverzicht verkündet (wir berichteten). Den Ausschlag gab neben dem gesundheitlichen Aspekt, dass der sportliche Wert überschaubar ist, weil das Team sein Olympiaticket ohnehin bereits in der Tasche hat. Eher unwahrscheinlich ist auch, dass die ausgefallenen Wettkämpfe in der Bundesliga noch nachgeholt werden, zudem steht das Ligafinale auf der Kippe. „Ich würde 2020 trotzdem nicht als ein verlorenes Jahr bezeichnen“, bemüht sich Emelie Petz um eine differenzierte Sichtweise. „Man konnte etwa verstärkt an seinen Schwächen arbeiten, ohne stets den nächsten Wettkampf im Blick haben zu müssen.“ Davon könne eine wie sie, die mit ihren jungen Jahren ihr großes Potenzial längst noch nicht ausgeschöpft und noch vieles vor sich hat, sehr profitieren. „Ich habe versucht, möglichst viel auf dem harten Wettkampfboden statt auf der weichen Tumblingbahn zu trainieren, damit sich meine Gelenke daran gewöhnen“, nennt die Schülerin ein Beispiel.

Auszahlen soll es sich 2021. Die Bundesliga, der DTB-Pokal, die nationalen und die kontinentalen Titelkämpfe, die verlegten Olympischen Spiele in Japans Hauptstadt Tokio – falls es die Pandemie zulässt, ist der Terminplan eng getaktet. „Ich lasse alles auf mich zukommen“, sagt das TSG-Aushängeschild. Selbstredend im Wissen, dass Corona vielleicht abermals etwas dagegen haben könnte, aber „ich will einfach topfit sein, um auf alles vorbereitet zu sein, was vielleicht kommt“.

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Erstellt:
4. November 2020, 11:30 Uhr

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