Ex-Vorzeigejudoka lebt seinen Traum

Tim Lamsfuß leitet seit diesem Jahr den Olympiastützpunkt Stuttgart, dem der Backnanger als junger Kämpfer selbst angehörte

„Im Leistungsbereich dabei zu sein, im Leistungssport mitzuarbeiten, das ist schon eine klasse Geschichte.“ Tim Lamsfuß macht gar nicht lang rum. Der ehemalige TSG-Klassejudoka hat das, was sich für viele echte Sportler wie ein Traumjob anhört. Seit Beginn des Jahres ist der gebürtige Backnanger Leiter des Olympiastützpunkts (OSP) in Stuttgart.

Mittlerweile der Kopf des Olympiastützpunkts Stuttgart: Der Backnanger Tim Lamsfuß. Foto: privat

© Tim Lamsfuß

Mittlerweile der Kopf des Olympiastützpunkts Stuttgart: Der Backnanger Tim Lamsfuß. Foto: privat

Von Uwe Flegel



Es ist mittlerweile schon ein paar Jährchen her, als Tim Lamsfuß den Kontrahenten auf der Matte regelmäßig das Fürchten lehrte. Unter Anleitung seines Vaters Gerd Lamsfuß zählte er mit Kumpels wie dem heutigen Cheftrainer Jens Holderle, Christian Wacker und anderen zu dem Männerteam, das vor etwas mehr als 20 Jahren von der Bezirksliga bis ganz nach oben marschierte. Zwar kämpften die Murrtaler nur 2004 in der Ersten Bundesliga, doch die Mannschaft schrieb den Anfang der Erfolgsgeschichte, die fortbesteht. Bei den Männern und seit vielen Jahren vor allem bei den Frauen.

Tim Lamsfuß selbst ist bei den TSG-Judokas mittlerweile ein ganz, ganz seltener Gast, obwohl er seit seiner Rückkehr aus Luxemburg vor ein paar Jahren wieder in Backnang wohnt. „Zu Jens Holderle habe ich noch Kontakt, aber ansonsten fehlt mir leider die Zeit, um zu den Kämpfen meines Heimatvereins in die Halle zu kommen. Ich bin einfach zu viel im Sport unterwegs.“ Zumal ein bisschen was an Aufmerksamkeit ja auch noch für Frau Isabelle sowie die drei Kinder Leonie, Ben und Julia übrig bleiben sollte.

Athleten aus 13 Sportarten werden am Olympiastützpunkt in Stuttgart betreut



Dass der frühere deutsche Jugendmeister dem Sport verbunden bleibt, hatte sich früh abgezeichnet. Schließlich ging es im Anschluss ans Abitur am Tausgymnasium nach Köln, um Sportökonomie zu studieren. Ein Weg, der neben der einen oder anderen Verletzung wohl der Grund war, weshalb der Dritte der U-20-Weltmeisterschaft 1998 seinen großen Traum vom Start bei Olympia nicht verwirklichen konnte. Dafür hat es der ehemalige Bundesliga-Kämpfer beruflich weit gebracht. Demnächst hat er sein erstes Jahr als Leiter des Olympiastützpunkts, der Athleten aus insgesamt 13 Sportarten betreut, hinter sich.

Wobei die Gebäude im Schatten der Mercedes-Benz-Arena für ihn nicht neu waren. Schließlich war er schon als Sportler am OSP. „In diesem Büroraum habe ich als junger Kerl mit dem damaligen Leiter Karl Link über die Finanzierung meiner Japan-Reise geredet“, erinnert sich Tim Lamsfuß an ein Gespräch vor wohl rund einem Vierteljahrhundert. Der Rad-Olympiasieger und Weltmeister von 1964 aus Herrenberg ist mittlerweile in Pension. Ein anderer aus den Jahren, als der Backnanger ein hoch talentierter Judoka war, ist sogar noch im Dienst. „Herbert Wursthorn war schon damals Laufbahnberater“, erzählt der heutige OSP-Leiter und weiß mit dem 800-Meter-Hallen-Europameister von 1981 einen ganz erfahrenen Mann an seiner Seite.

Bei seiner Arbeit kommt Tim Lamsfuß durchaus noch in die Sporthallen. Doch ins Schwitzen gerät der 40-Jährige nur noch, wenn es organisatorisch oder anderweitig einfach nicht läuft wie geplant. Der einstige Vorzeigemattenkämpfer der Backnanger Judokas ist eben auf der Verwaltungsseite gelandet. Er und die sogenannten Bereichsverantwortlichen kämpfen in Bereichen wie Trainingswissenschaft, Laufbahnberatung, Physiotherapie, Sportpsychologie und Ernährungsberatung darum, dass die heutigen Olympiahoffnungen in Stuttgart möglichst ideal unterstützt und gefördert werden. Das gilt zum Beispiel für die 30 U-18-Talente im Sportinternat, das wie einige Wohnheimplätze für Sportler, die älter als 18 Jahre sind, am Olympiastützpunkt angegliedert ist. 30 Personen inklusive der sogenannten mischfinanzierten Trainer, deren Vergütung sich das OSP und zum Beispiel die Sportfachverbände teilen, umfasst der Stab. Etwas über 300 Bundeskaderathleten sowie 105 C- und D-Kadersportler, die es zu trainieren und zu betreuen gilt, sind dem Stuttgarter Stützpunkt angeschlossen. Wobei nicht alle Sportarten in der Landeshauptstadt beheimatet sind. Die Segler und die männlichen Hallenvolleyballer sind zum Beispiel in Friedrichshafen zu Hause. Hinzu kommt der Kontakt zu anderen Olympiastützpunkten, ist Stuttgart doch zum Beispiel in Baden-Württemberg neben Freiburg und Heidelberg nur eines von insgesamt drei solcher Zentren. Da gilt es für Tim Lamsfuß, dann und wann schon einmal weite Wege auf sich zu nehmen.

Was Wunder, wenn er das Geschehen bei der alten Liebe aus dem Murrtal zu seinem eigenen Leidwesen nur noch aus der Ferne verfolgen kann. Dafür freut sich der ehemalige Kämpfer und Trainer der TSG umso mehr, dass seine „Kinder sportbegeistert sind und sich gerne bewegen“. Dass es den Nachwuchs nicht auf die Judomatte zieht, sondern eher zum Fuß- oder Handball sowie Turnen oder Tanzen, nimmt er hin. Wichtig sei doch, dass sie das, was sie machen, mit Spaß und mit Freude tun. Da muss es später nicht unter allen Umständen der Leistungsbereich oder Leistungssport werden, auch wenn es eine klasse Geschichte ist, dort dabei zu sein.

Der einstige Dritte der U-20-WM wusste schon als Judoka richtig anzupacken. Foto: B. Strohmaier

Der einstige Dritte der U-20-WM wusste schon als Judoka richtig anzupacken. Foto: B. Strohmaier

Zur Person
Tim Lamsfuß

Tim Lamsfuß kommt am 4. März 1979 in Backnang zur Welt. 1996 wird er deutscher U-18-Meister in der Kategorie bis 78 Kilogramm und belegt ein Jahr später in der Altersklasse U 21 den dritten Platz.

Seinen vielleicht größten Erfolg als Einzelkämpfer feiert Tim Lamsfuß 1998, als er sich bei der U-20-Weltmeisterschaft in Kolumbien die Bronzemedaille sichert.

Im Männerbereich kämpft er für die TSG Backnang und einige Zeit auch für den KSV Esslingen in der ersten Liga.

Nach dem Studium in Köln steigt der Diplom-Sportökonom beim Schwäbischen Turner-Bund ins Berufsleben ein. Es folgen Stationen als Geschäftsführer und Geschäftsstellenleiter beim Württembergischen Judo-Bund, in Luxemburg, der TG Böckingen. Über den Landessportverband kommt er zum Olympiastützpunkt.

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Erstellt:
28. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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