Frank I. – Der König von Heidenheim
Was zeichnet den bodenständigen Erfolgscoach Frank Schmidt aus?
DFB-Pokal - Für Frank Schmidt und den 1. FC Heidenheim steht das vielleicht größte Spiel der Geschichte an – das Pokal-Viertelfinale beim FC Bayern. Was ist das Erfolgsrezept des Kulttrainers?
Heidenheim Das Reich des Frank Schmidt klingt verdammt nach Frank Schmidt. Hoch droben über der Stadt, dort, wo der 1. FC Heidenheim sein Stadion und das Clubzentrum stehen hat, geht es noch ein bisschen weiter nach oben. Die Vögel zwitschern wild durcheinander im Wald, die Nordic-Walking-Stöcke einiger Läufer klackern auf dem kleinen geteerten Weg – allein: Sie haben keine Chance. Frank Schmidt ist zwar noch weit weg, aber er ist lauter. Wer kurz durch den Wald irrt und noch nicht weiß, wo genau der Trainingsplatz des FCH da oben liegt, hat leichtes Spiel: immer den markanten, schneidenden Kommandos nach, die durch die Bäume hallen.
Tempo, Männer, Tempo. Schneller! Tempo! Vollgas jetzt!
Und dann steht er da, 1,90 Meter groß und braun gebrannt, prägnant und präsent, wie das in der Fußballersprache heißt. Schmidt (45) ist eine Erscheinung. Optisch und akustisch.
An diesem Mittwoch brüllt Frank Schmidt auf fremdem Terrain. Im DFB-Pokal-Viertelfinale beim FC Bayern (18.30 Uhr), im vielleicht größten Spiel der Heidenheimer Vereinsgeschichte, will er mit seinen Zweitligajungs die Sensation schaffen. Und sollte das gelingen, nun ja, dann ist es nicht ausgeschlossen, dass Schmidt bald ins ein paar Steinwürfe vom Stadion entfernte Heidenheimer Schloss ziehen darf.
Der König der Stadt ist er ja schon.
Geboren ist Schmidt im Krankenhaus, das sinnigerweise zwischen Stadion und Schloss liegt, er war Spieler des Clubs. Dann wurde er Trainer. Und was für einer. Schmidt ist mit seinen fast zwölf Jahren im Amt der dienstälteste Profitrainer im deutschen Fußballgeschäft. Los ging es in der Oberliga. Jetzt ist nach mehreren Aufstiegen unter Schmidt seit Jahren schon zweite Liga angesagt – und Liga eins ist längst keine ferne Galaxie mehr. Schmidt also ist Heidenheim, Schmidt ist nicht weniger als der ganz steile Aufstieg des FCH. Und Schmidt ist dennoch: bodenständig.
Das ist schon an seiner Auswahl für den Gesprächsort zwei Stunden vor dem Training zu sehen – die Loge in der kleinen Heidenheimer Arena ist holzgetäfelt, Decke, Wand und der kernige Holztisch sind so rustikal wie Schmidt selbst. Er sagt: „Ich nehme mich nicht wichtiger, als ich bin.“ Und weiter: „Es gibt wichtigere Dinge als das, was wir tun – ich hatte eine normale Berufsausbildung und einen Job, das hilft mir.“
Der Weg des Trainers Frank Schmidt begann dabei mit einem Anruf von Holger Sanwald – dem Mann, der 1994 noch Abteilungsleiter Fußball war und heute Vorstandschef ist. Sanwald sagt über Schmidt gerne, dass der sich nur selbst entlassen könne, so viel zum Selbstverständnis der beiden. Damals also, 2007, spielte Heidenheim fünfte Liga, und Schmidt hatte gerade seine Karriere beendet. Neben dem Fußball war er vier Jahre als Devisenhändler tätig gewesen. Nun wollte er im Versicherungsbüro eines Kumpels einsteigen. Oder besser: Er versprach es ihm. Dann aber kam der Anruf. Der FCH steckte in der Krise, suchte einen neuen Trainer. Schmidt willigte ein, den Job für zwei Wochen zu übernehmen. Er gewann beide Spiele – und durfte bleiben, erst bis zur Winterpause, dann dauerhaft, bis heute.
Was sich nach einem reibungslosen Verlauf anhört, war aber damals viel komplizierter. Vor allem in den eigenen vier Wänden. Denn Schmidt hatte seiner Frau versprochen, an den Wochenenden endlich daheim zu sein. Freitagnachmittags wird der Rasen gemäht, das war die klare Ansage von Frau an Herrn Schmidt. Mittlerweile, sagt Schmidt und lacht, wisse seine Frau, dass es gut so war mit dem Trainerjob.
Rastlos und unter Strom, oft fordernd, das ist Schmidt nun auf dem Trainingsplatz und an der Seitenlinie, und, nun ja, das ist er manchmal auch noch daheim. „Teilchenbeschleuniger“, so nennt ihn seine Frau gerne – was sie damit meint, weiß Schmidt selbst nur zu gut. Es gab schon Familienurlaube, da begannen die Einlassungen des Papas so ähnlich wie in der Kabine bei seinen Spielern. „Männer, heute geht’s auf den Berg“, so lautete mal Schmidts Morgenappell. Der Haken an der Sache: Schmidt hat zwei Töchter, heute 20 und 17 Jahre alt. Das Gute an der Sache: Der Papa entwickelte sich. Heißt: „Ich schaffe es mittlerweile auch mal, drei Stunden im Urlaub nur im Campingstuhl zu sitzen.“
Länger aber geht’s kaum.
Das Rastlose überträgt sich auch auf seine Profis. Powerfußball der Marke Schmidt ist in Heidenheim zu sehen. Dort, in der Heimat, wo er seinen Traum lebt – aber nicht immer. Die Heimat, das kleine 49 000-Einwohner-Städtchen, kann mit ihrer Enge und Vertrautheit auch mal Fluch sein. Schmidt erzählt die Geschichte, als er vor ein paar Jahren am Tag nach einer deftigen Niederlage mal zum Essen mit seiner Frau ausging. Das Paar wurde erkannt im Restaurant, na klar – und ein Gast begrüßte Frau Schmidt herzlich. Herr Schmidt wurde ignoriert.
Die Hemmschwelle in der Heimat also ist geringer, die Ostalb kann manchmal ziemlich ungemütlich sein – was übrigens auch potenzielle Neuzugänge gleich von Schmidt zu hören bekommen. Er selbst drückt das so aus: „Es ist sehr kalt hier im Winter, es hat Schnee, das muss ich als neuer Spieler wissen.“ Die raue, ehrliche Ostalb, so viel scheint klar, prägte Frank Schmidt.
Schmidt selbst aber prägte die Ostalb ebenso – zumindest das Binnenklima beim 1. FC Heidenheim. Der Coach wählt einen Apfelkorb zur Veranschaulichung seines Führungsstils: „Wenn ich merke, dass mein Vertrauen ausgenutzt wird, bin ich kompromisslos, dann ist es vorbei. Denn ein fauler Apfel im Korb steckt weitere an.“
Bei Schmidt selbst scheint das noch ein bisschen zu dauern mit dem Schlussstrich. Sein Vertrag läuft bis 2023, ein Ende ist erst mal nicht in Sicht. Wobei: Schmidt ärgert es schon ein wenig, dass er in der Außenwahrnehmung nur der „Mister Heidenheim“ ist. „Ich habe bei vielen den Stempel drauf: Der will nur Heidenheim, und der kann nur Heidenheim“, sagt er: „Das fuchst mich manchmal, ich bin ja noch nie den Gegenbeweis angetreten.“ Als Profi war Schmidt ja schon ausgeflogen aus der Heimat, er kickte unter anderem in Aachen und Nürnberg. Als Trainer endet sein Horizont auch nicht zwingend auf der Ostalb. Also sagt Schmidt, der bisher sämtliche andere Angebote innerhalb von 24 Stunden ablehnte, dies: „Wenn sich mal eine andere Konstellation ergeben sollte, traue ich mir das zu. Aber wenn nichts Außergewöhnliches passiert, werde ich den Vertrag hier in Heidenheim erfüllen.“ Chef Sanwald wird deutlicher: „Ich glaube und hoffe“, sagt er, „dass Frank es noch sehr lange macht.“