Jens Mergenthalers Stopp in Backnang auf dem Weg nach Paris

Nach einer starken Saison sieht der Leichtathlet realistische Chancen, auch ohne die Unterstützung des Deutschen Leichtathletikverbands ein Olympiaticket für den 3000-Meter-Hindernislauf zu lösen. Vorher peilt er aber noch seinen vierten Sieg in Serie beim Silvesterlauf an.

Auf der Überholspur: Der deutsche Meistertitel im Crosslauf ist der jüngste Erfolg von Jens Mergenthaler (links). Foto: Imago

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Auf der Überholspur: Der deutsche Meistertitel im Crosslauf ist der jüngste Erfolg von Jens Mergenthaler (links). Foto: Imago

Von Steffen Grün

Das langsam zu Ende gehende Jahr hatte für Jens Mergenthaler mit einem selbst gewählten Einschnitt begonnen. Er kehrte der SV Winnenden den Rücken, obwohl er weiterhin in der Stadt wohnt, wenn er nicht gerade bei seiner Freundin in Weinstadt weilt. Der 26-Jährige wechselte wegen der besseren Trainingsbedingungen und der stärkeren Kollegen zur LG Farbtex Nordschwarzwald. Auch die Möglichkeit, mit Henri Hansert und Timo Benitz eine 3-x-1000-Meter- Staffel zu bilden, die bei den deutschen Titelkämpfen drinnen und draußen gleich die Plätze zwei und drei belegte, war ein Argument. Trotzdem pendelt der Schwabe nicht dauernd nach Freudenstadt, sondern in der Regel nur dann, wenn wie Anfang November ein einwöchiges Trainingslager ansteht. Solange das nicht der Fall ist, schickt der LG-Coach Jörg Müller die Pläne, nach denen der Läufer wie schon zu Winnender Zeiten am Bundesstützpunkt in Stuttgart trainiert.

Die Entscheidung, etwas Neues zu wagen, hat sich gelohnt, denn Mergenthaler ordnet 2023 so ein: „Es ist mit Abstand mein bestes Jahr.“ Zackige Zeiten, etliche Erfolge – vieles hat gepasst. Der Leichtathlet, der auf der Bahn ein Spezialist für die Mittelstrecken ist, war über 800 Meter (1:48,84 Minuten), 1500 Meter (3:38:12) und 3000 Meter Hindernis (8:26,35) so schnell wie noch nie. Auch die Ergebnisse stimmten, „das hat bereits im Januar und Februar bei den Hallenwettkämpfen begonnen“. Er holte den baden-württembergischen Titel über 1500 und 3000 Meter und landete bei der deutschen Meisterschaft über die kürzere Distanz auf dem fünften Rang. „Da hätte ich sogar eine Medaillenchance gehabt, bin aber taktisch nicht so gut gelaufen“, sagt Mergenthaler.

Platz 43 in der bereinigten Weltrangliste macht Mergenthaler durchaus Hoffnung

„Danach haben wir uns auf die Freiluftsaison vorbereitet und die Meetings herausgesucht“, berichtet der Sportler. Wichtigstes Kriterium: Wo gibt’s die meisten Punkte für die Weltrangliste, die ein möglicher Weg zu den Olympischen Spielen ist – neben der Norm, die über 3000 Meter Hindernis vom Deutschen Leichtathletikverband (DLV) von 8:22 auf 8:15 Minuten abgesenkt wurde und daher nicht nur für Mergenthaler kaum zu knacken ist? Weil Zeit und Platzierung eine Rolle bei der Berechnung spielen, „ist ein schnelles Rennen ideal, bei dem man weit vorne landet“, erläutert der Winnender. Die drei besten Wettkämpfe zählen – über 3000 Meter Hindernis sind das bei ihm derzeit Rang vier beim Sportfest in Rehlingen, Silber bei den deutschen Meisterschaften in Kassel und der Triumph bei der Studenten-WM im chinesischen Chengdu. Macht 1170 Punkte und Platz 58 in der Weltrangliste – klingt zunächst nicht so gut, wenn wohl nur die besten 36 zu den Olympischen Spielen dürfen. Weil in Paris aber nur drei Athleten pro Nation erlaubt sind, sieht es mit Rang 43 in der bereinigten Liste schon viel besser aus – zumal Jens Mergenthaler hinter Karl Bebendorf der zweitbeste Deutsche ist.

Obwohl die Fahrkarte in die französische Hauptstadt also in Reichweite ist, verwehrte ihm der DLV für 2024 die Wiederaufnahme in den Perspektivkader. Das ist unter dem 19-köpfigen Olympiakader mit Stars wie Malaika Mihambo oder Leo Neugebauer die zweite Ebene mit 181 Namen. Dass er für 2023 gestrichen worden war, fand Mergenthaler noch „einigermaßen nachvollziehbar, weil 2022 nicht mein bestes Jahr war“. Nun habe er aber fest damit gerechnet, wieder berücksichtigt zu werden. Ein Irrtum, der auch damit zu tun hat, dass der DLV die Kader nach der medaillenlosen WM im August verkleinert hat. „Wir wollen verstärkt Potenziale und Qualität fördern, um wieder konkurrenzfähig zu sein“, erklärt Präsident Jürgen Kessing diesen Schritt. „Wir können nichts mehr mit der Gießkanne ausschütten.“ Ein Satz, den Betroffene als Affront begreifen. Mergenthaler macht keinen Hehl daraus und schleudert den Funktionären drei Worte entgegen: „Danke für nichts.“

Die erhoffte Haupteinnahmequelle ist versiegt

Das ist nicht zuletzt finanziell zu verstehen, denn damit fehlen ihm etwa 1000 Euro pro Monat, die Mitglieder des Perspektivkaders von der Sporthilfe bekommen. „Das ist ein schwerer Schlag“, klagt der Maschinenbaustudent, für den es die „Haupteinnahmequelle“ gewesen wäre. Viel Zeit, anderweitig etwas zu verdienen, bleibt neben der Universität, dem Training und den Wettbewerben kaum. Somit muss er auf Erspartes zurückgreifen, um mithilfe der Eltern und einer kleinen Zuwendung des Vereins über die Runden zu kommen. „Ich kann das nicht mehr lange durchziehen“, sagt Jens Mergenthaler und hofft auf Sponsoren. Unterkriegen lässt er sich aber nicht, „die Olympischen Spiele sind mein großes Ziel“.

Ehe es aber wieder um die entscheidenden Punkte für die Weltrangliste geht, stehen andere Läufe auf dem Plan. Den Start mit der Mixed-Staffel bei der Crosslauf-EM in Brüssel am 10. Dezember muss sich der Mann, der in dieser Disziplin erst vergangenes Wochenende den deutschen Meistertitel über 4,35 Kilometer verteidigt hatte, jedoch abschminken. Trotz der Qualifikation habe sich der DLV dagegen entschieden, eine Staffel zu stellen. Dieses erneute Frusterlebnis mit dem Verband möchte sich Jens Mergenthaler bei einigen Volksläufen in der Region von der Seele rennen, unter anderem beim Backnanger Silvesterlauf.

„Ich mag das Rennen, kenne Rolf Hettich vom Organisationsteam seit Jahren und bin schon als Kind dort gelaufen“, erklärt er seinen abermaligen Start. „Das ist immer ein schöner Jahresabschluss. Es ist klasse, wie viele Zuschauer am Streckenrand stehen.“ Die 200 Euro, die es für seinen vierten Sieg in Serie geben würde, wären zudem immerhin ein kleiner Beitrag auf dem kostenintensiven Weg zu den Olympischen Spielen.

Backnanger Silvesterlauf

Meldezahlen Schon jetzt haben sich mehr Erwachsene und Jugendliche für die Rennen beim Backnanger Silvesterlauf registriert, als es im Vorjahr zwei Wochen später der Fall war. Im 10-Kilometer-Hauptlauf sind es 343 statt 335, über 5 Kilometer 56 statt 52, bei der Staffel 18 statt 10 und bei den Bambinis 58 statt 29. Sogar 252 statt 68 sind es im Mini-Marathon, was aber vor allem damit zu tun hat, dass die vielen Meldungen der Max-Eyth-Realschule wesentlich früher vorlagen.

Standardpreis Den Frühbucherrabatt gibt’s seit gestern nicht mehr, bis 27. Dezember gelten diese Startgebühren: Hauptlauf 19 Euro, 5 Kilometer 16 Euro, Staffel 40 Euro und Mini-Marathon 8 Euro. Danach wird es noch einmal etwas teurer, der Start beim Bambini- und Inklusionslauf kostet nichts. Wer seinen Vornamen auf der Startnummer haben will, muss sich bis 12. Dezember anmelden unter www.backnanger-silvesterlauf.de.

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Erstellt:
2. Dezember 2023, 11:30 Uhr

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