Katharina Menz: „Das bringt mich Paris ein ganzes Stück näher“
Interview Die Silbermedaille bei der Judo-WM in Taschkent bedeutet für Katharina Menz den bislang größten Einzelerfolg bei internationalen Titelkämpfen. Und doch ist es nur eine Zwischenstation auf dem Weg zum letzten großen Ziel ihrer Karriere, den Olympischen Spielen 2024.
Es ist ein Indiz dafür, welchen Stellenwert die Silbermedaille hat, die Katharina Menz bei der Judo-Weltmeisterschaft in Taschkent in der Klasse bis 48 Kilogramm eroberte: Sogar dem Heute-Journal im ZDF war der Erfolg der TSG-Kämpferin am Donnerstagabend im Nachrichtenblock mit Co-Moderator Heinz Wolf eine Meldung wert. Als die Sendung über den Fernsehschirm flimmerte, saß sie bereits wieder im Flieger in Richtung Heimat. Am gestrigen Nachmittag nahm sich die Backnangerin, die heute ihren 32. Geburtstag feiert, dann die Zeit für ein Interview mit unserer Zeitung.
Wo erwischen wir Sie im Moment?
Schon wieder zu Hause in meiner Wohnung in Magstadt. Ich bin erst dorthin, weil ohnehin geplant war, dass ich morgen zu meinen Eltern nach Backnang fahre. Am Flughafen in Stuttgart haben mich aber mein Freund, meine Schwester mit ihren Kindern und Landestrainer Mirko Grosche empfangen.
Das WM-Finale in Taschkent liegt während unseres Telefonats erst 24 Stunden zurück und Sie sind bereits im Ländle. Hört sich nach viel Reisestress und wenig Zeit an, die Silbermedaille zu feiern. Wie ging’s nach dem Wettkampf weiter?
Ich bin schnell zurück ins Hotel, habe geduscht, zu Abend gegessen und die Tasche gepackt. Zwei Stunden später ging es schon zum Flughafen in Taschkent und von dort über Istanbul nach Stuttgart, wo ich heute Vormittag gegen 10 Uhr gelandet bin.
Ihr Handy dürfte kaum stillgestanden haben. Wer hat sich bereits alles bei Ihnen gemeldet, um zu gratulieren?
Jeder (lacht). Enge Freunde, die Familie, die Mädels vom Nationalteam und alle Bekannten, die es mitbekommen haben. Es waren alleine etwa 240 WhatsApp-Nachrichten.
Hatten Sie im Flugzeug trotzdem die nötige Ruhe, um Ihren großen Erfolg richtig einzuordnen? Was bedeutet dieser Vizeweltmeistertitel für Sie?
Ich habe eher versucht, ein wenig zu schlafen, weil ich etwas platt war, und habe einige Nachrichten beantwortet. So langsam realisiere ich aber, was mir gelungen ist. Ein bisschen surreal fühlt es sich allerdings immer noch an, Vizeweltmeisterin zu sein.
Sehen Sie sich darin bestätigt, Ihre Karriere nach den Olympischen Spielen in Tokio doch noch fortgesetzt zu haben?
Ja, auf jeden Fall. Es war der richtige Schritt.
Spüren Sie ein Gefühl der Genugtuung, nach Silber bei der Junioren-WM 2009 nun auch bei einer Aktiven-WM einen ganz großen Wurf gelandet zu haben?
Es ist immer schön, bei einem großen Turnier ganz vorne dabei zu sein, aber so eine Weltmeisterschaft ist schon noch mal etwas anderes als ein Grand Slam oder ein Grand Prix. Es sind noch mehr Leute am Start und nur die wirkliche Weltspitze ist dabei.
War da trotzdem im Hinterkopf auch ein minimales Gefühl der Enttäuschung, weil es nicht zu Gold gereicht hat?
Am Anfang konnte ich mich gar nicht freuen. Da war ich noch enttäuscht, dass es in Anführungszeichen nur für Silber gereicht hat. Die Freude kam aber mit der Zeit doch.
Haben Sie von der Stadt Backnang und von der TSG als ihrem Heimatverein bereits etwas gehört und haben Sie Lust auf einen verdienten Ehrungsmarathon?
Von der Stadt noch nicht, aber vom Verein schon. Zum Beispiel haben mir Trainer Jens Holderle und Abteilungsleiter Alfred Holderle schon geschrieben, da steht bestimmt etwas an. Jens meinte, er wollte mal abchecken, wann ich überhaupt in Backnang bin.
Was steht in den nächsten Tagen und Wochen in Ihrem Terminkalender?
Ich werde erst einmal meinen 32. Geburtstag feiern. Am Sonntag geht es nach Wien, weil ich am Montag an den Augen operiert werde. Am Dienstagabend bin ich zurück, in der Woche darauf geht es am Montag in den Urlaub nach Lissabon und auf Madeira.
Gibt es dieses Jahr noch große sportliche Ziele oder geht es erst 2023 weiter?
Es steht schon noch etwas an. Im Dezember ist der Grand Slam in Japan, kurz vor Weihnachten folgt das Masters in Jerusalem.
Beide Turniere sind ein Teil der langen Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024, wie auch die WM. Ist die Silbermedaille von Taschkent bereits die halbe Miete auf dem Weg nach Paris?
In der Tasche habe ich das Ticket noch lange nicht, aber der Erfolg bringt mir viele Punkte und ich klettere in der Weltrangliste so weit hoch, dass ich bei Turnieren wahrscheinlich auch mal gesetzt bin. Das bedeutet eine bessere Ausgangsposition. Es bringt mich Paris also auf alle Fälle ein ganzes Stück näher.
Ist es Ihnen noch wichtig, im Januar 2023 zum achten Mal deutsche Meisterin zu werden, oder machen Sie im Superleichtgewicht den Weg frei für Ihre Vereinskameradin Helena Grau?
Ich denke, dass die Kämpferinnen aus dem Nationalteam in Stuttgart dabei sind, das hat der Trainer eigentlich schon angekündigt. Und dann ist mein Ziel natürlich auch die Titelverteidigung. Falls ich doch verhindert sein sollte, hoffe ich natürlich, dass es dann wie 2020 wieder die Helena macht.
Kann die TSG Backnang mit weiteren Einsätzen von Ihnen in der Bundesliga rechnen oder ordnen Sie bis 2024 alles den Olympischen Spielen unter?
Das habe ich zuletzt ja auch schon ein Stück weit gemacht. Wenn ich da bin, kämpfe ich natürlich sehr, sehr gerne, aber die internationalen Turniere gehen eindeutig vor.
Bei den Olympischen Spielen in Tokio 2021 holten Sie Bronze mit dem deutschen Mixed-Team, ohne selbst auf der Matte zu stehen. Im Einzel schieden Sie früh aus. Haben Sie mit dem weltgrößten Sportereignis eine Rechnung offen?
Ja, das habe ich auf jeden Fall noch.
Was müsste in Paris passieren, damit Sie aufhören und rundum zufrieden sind?
Am besten müsste eine Medaille her (lacht).
Das Gespräch führte Steffen Grün.