Krawall hat ein doppeltes Nachspiel

Polizei leitet Ermittlungsverfahren gegen den zuschlagenden Reutlinger Fan ein, die TSG erhebt Einspruch gegen die Spielwertung

Eine saftige Backpfeife für TSG-Ersatztorwart Michael Quattlender, ein auf Backnangs Co-Trainer Darko Milosevic geworfener Bierbecher: Einige Fans der Reutlinger Gäste benahmen sich am Samstag beim Fußball-Oberligaspiel in den Etzwiesen gewaltig daneben. Nun hat deren Verhalten ein Nachspiel: Die Hausherren, die knapp mit 0:1 verloren hatten, legten Einspruch gegen die Spielwertung ein.

Der Moment, in dem die Eskalation ihren Höhepunkt erreicht: Ein SSV-Fan verpasst Michael Quattlender einen Schlag ins Gesicht. Video-Screenshot

Der Moment, in dem die Eskalation ihren Höhepunkt erreicht: Ein SSV-Fan verpasst Michael Quattlender einen Schlag ins Gesicht. Video-Screenshot

Von Steffen Grün

Dass es sich bei Duellen mit Reutlingen nicht um Nullachtfünfzehn-Oberligaspiele handelt, wussten die Backnanger aus ihrer ersten Runde im Oberhaus im Ländle. Als sie das Hinspiel an der Kreuzeiche mit 2:1 gewonnen hatten, konnte ihr Bus nur mit Polizeigeleit und ohne Licht vom Stadiongelände fahren. Beim Rückspiel, bei dem die TSG nach einem 0:2 noch ein 2:2 schaffte, gab es ein stattliches Polizeiaufgebot und die strikte Fantrennung, die mit Bauzäunen sowie einer extra beauftragten Security-Firma gewährleistet wurde.

Nun wieder dasselbe Spielchen. Erneut ging die Arbeitszeit von geschätzt 50 Polizeibeamten dafür drauf, während der Partie Präsenz zu zeigen und die An- und Abreise der 120 SSV-Fans zu überwachen. Kaum Probleme habe es auf dem Weg vom Bahnhof in die Etzwiesen und zurück gegeben, sagt Polizeisprecher Rudolf Biehlmaier. Im Stadion selbst, in dem zunächst mal die ehrenamtlichen Ordner des Klubs sowie Mitarbeiter der engagierten Security-Firma den Hut aufhaben, sah es anders aus. Hier schrieben einige Reutlinger nicht zum ersten Mal negative Schlagzeilen und es wurde klar, warum ein Teil sogar als gewaltbereit gilt. Die Rädelsführer stürmten immer wieder mit Drohgebärden auf die TSG-Bank zu, zehn Minuten vor Schluss eskalierte die Lage: SSV-Kicker Pierre Eiberger foulte Oguzhan Biyik im Mittelfeld, der Freistoß war die Folge. Eigentlich kein Anlass für Aufregung, doch das sahen einige Reutlinger anders. Wieder rannten sie zur Bank der Hausherren, der verbale Disput gipfelte in zwei tätlichen Angriffen. Assistenzcoach Darko Milosevic, der TSG- Trainer Andreas Lechner (Urlaub) vertrat, erwischte ein Bierbecher. Eine Backpfeife, die dem Absender letztlich vielleicht noch mehr wehtut als ihrem Empfänger, bekam TSG-Ersatztorwart Michael Quattlender verpasst. „Die Polizei hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet“, verrät Biehlmaier: Es bestehe ein Tatverdacht, ein Verfahren wegen Körperverletzung sei denkbar.

Das ist die eine Seite, die Sportgerichtsbarkeit die andere. „Wir wollen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, erklärt TSG-Sportvorstand Janos Kovac, warum der Etzwiesenverein gestern beim Verband Einspruch gegen die Spielwertung eingelegt hat: „Es muss etwas passieren.“ Was? Der Funktionär hat klare Vorstellungen: „Wir fordern, dass Reutlingen grundsätzlich die Kosten übernimmt, denn das Gefahrenpotenzial kommt von ihren Fans.“ Kovac errechnet 1200 bis 1500 Euro, die für Bauzäune, mobile Toiletten und Security draufgingen, „damit ist etwa die Hälfte der Zuschauereinnahmen wieder weg“. Darüber klagten auch andere Oberligisten, wie er aus einigen Gesprächen wisse.

Heiner Baumeister, beim WFV für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich, bestätigt den Eingang des Einspruchs. Er will sich an Spekulationen zu dem möglichen Sportgerichtsurteil nicht beteiligen, sagt mit Blick auf die Ohrfeige und den Tumult drumherum aber durchaus deutlich: „Wir haben hervorragendes Bildmaterial und damit eine gute Entscheidungsgrundlage neben den Stellungnahmen, die wir noch einholen.“ Persönliche Strafen bis hin zu einem Stadionverbot stehen im Raum. Klar ist für Baumeister jedoch auch, dass der Heimverein „für die Sicherheit verantwortlich ist. Man will den sportlichen Wettstreit auf hohem Niveau, das ist die Kehrseite der Medaille.“

Und was sagt der SSV zur ganzen Sache? „Wir verurteilen das aufs Schärfste, das geht gar nicht“, betont Sportvorstand Michael Schuster: „Wir arbeiten das auf.“ Für ihn ist aber klar, „dass das mit dem Ausgang des Spiels nichts zu tun hat. Man muss auch Größe haben und ein guter Verlierer sein.“ Übrigens sei der Fan, auf dessen Konto die Ohrfeige geht, „keiner von uns“. Er habe versucht, zu schlichten, dagegen sei der Sicherheitsdienst der TSG unzureichend gewesen. Bei Michael Quattlender will sich Schuster entschuldigen.

Nachvollziehbar Von Steffen Grün Es ist grundsätzlich ein schlechter Witz, wenn Polizisten die Arbeitszeit vergeuden müssen, um Aufpasser für wild gewordene Fußballfans zu spielen. Ein Kalauer übelster Kategorie ist es, wenn es schon in Liga fünf der Fall ist und der am Krawall unbeteiligte Heimklub auch noch viel Geld für Bauzäune und eine Sicherheitsfirma ausgeben muss. Die Forderung, dies den Gästen mit den Problem-Fans in Rechnung zu stellen, ist zumindest nachvollziehbar. Völlig klar sollte es sein, dass derjenige, der den TSG-Ersatztorwart geschlagen hat, für lange Zeit kein Stadion mehr betritt. s.gruen@bkz.de Kommentar

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Erstellt:
28. August 2018, 06:00 Uhr

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