Kolumne „La vie à Paris“

Mit Ringen unter den Augen

Trotz der Gratis-Kondome: Der Faktor Schlaf darf nicht unterschätzt werden.

Auch Turn-Superstar Simone Biles braucht bei den Sommerspielen ihren Schlaf.

© /imago/Moritz Müller

Auch Turn-Superstar Simone Biles braucht bei den Sommerspielen ihren Schlaf.

Von Jochen Klingovsky

Wer als Reporter schon ein paar Erfahrungen bei Olympischen Spielen gesammelt hat, kann die Frage, was denn in diesen gut zwei Wochen nach Feierabend geboten sei, erst mal nicht verstehen – schließlich geht einem die Arbeit niemals aus.

2016 in Rio de Janeiro, zum Beispiel, startete das Finale im Beachvolleyball der Frauen um 23.59 Uhr, damit der TV-Markt in den USA zur besten Zeit bedient werden konnte. Wir haben uns damals an der Copacabana erst mit den Siegerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst gefreut und danach einen langen Text geschrieben. Bis um 3.30 Uhr. Anschließend hatten alle Caipirinha-Bars geschlossen. Und wir deutlich sichtbare Ringe unter den Augen.

Ähnlich lange dauerte es zwei Jahre später in Pyeongchang, bei minus 25 Grad gewann Skispringer Andreas Wellinger mitten in der Nacht Gold von der Normalschanze, was den TV-Fans in Mitteleuropa in einem für sie angenehmen Moment präsentiert wurde. Von daher lautet die Antwort auf die Frage nach Feierabend-Programm nach etwas nachdenken: schlafen – wenn es geht.

Für Athleten ist bei Olympischen Spielen die Regeneration ebenfalls enorm wichtig, zu der natürlich auch das gemütliche Beisammensein gehört. Nachdem es bei den Corona-Spielen in Tokio kaum möglich war, sich näherzukommen, haben die Architekten des Olympischen Dorfs in Paris dem Faktor Geselligkeit Priorität eingeräumt. Getränke-Bar, Eismaschine, Massagesessel, Flachbildfernseher: in den gemeinsamen Aufenthaltsbereichen fehlt es an wenig. Zudem stehen 300 000 Gratis-Kondome zur Verfügung, im Schnitt zwei für jede Athletin und jeden Athleten – pro Tag.

Schwedinnen wissen sich zu helfen

Kein Wunder, dass die Qualität der Betten auch bei diesen Sommerspielen immer wieder zum Thema gemacht worden ist. Wie in Tokio schlafen die Olympia-Starter in Paris auf Konstruktionen aus Pappkarton, die von der „New York Times“ vor drei Jahren ziemlich lieblos als „Anti-Sex-Betten“ bezeichnet wurden. Dabei sind sie nicht nur recycelbar, sondern auch robust und relativ problemlos verlängerbar, sollte die Körpergröße von Athleten dies erfordern. Unzufrieden waren bisher nur einige Schwedinnen.

Den Handballerinnen aus Skandinavien sind die Matratzen im Olympischen Dorf zu hart gewesen. „Dass die Betten aus Pappkarton sind, ist völlig okay“, sagte Rückraumspielerin Jamina Roberts der Zeitung „Expressen“, „aber die Matratzen waren fabrikneu, es hätte seine Zeit gebraucht, bis sie weicher werden. Also haben wir lösungsorientiert gehandelt.“ Und neue Schlafunterlagen besorgt. Bei Ikea. Seither sind die Schwedinnen hellwach, sie haben sich locker fürs Viertelfinale qualifiziert. An den Feierabend? Denkt auch bei ihnen niemand.

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Erstellt:
5. August 2024, 11:52 Uhr

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