Bogenschießen in Paris 2024

Olympia als Plattform – mit Pfeil und Bogen auf die große Bühne

Es gibt Sportarten, die finden normalerweise weit weg vom Fokus der Öffentlichkeit statt. Bei Olympia ist das anders. Ein Besuch beim Bogenschießen.

Vorne die Anlage für das Bogenschießen, hinten der Grand Palais von Paris.

© imago//Jorge Martinez

Vorne die Anlage für das Bogenschießen, hinten der Grand Palais von Paris.

Von Dirk Preiß

Dafür, dass diese Sportart angeblich eher ein Schattendasein fristet, ist es ziemlich sonnig an diesem Donnerstagvormittag in Paris. Und heiß. Womit Florian Unruh aber eher weniger Probleme hat. „Wir sind oft an heißen Orten unterwegs. Da ist das hier eigentlich im Rahmen“, sagt er über die rund 30 Grad in der Pariser Mittagssonne – und kann sich schon denken, dass die Nachfrage kommt: „Wo war das denn, zum Beispiel?“

Man weiß, in welchen Städten die Champions League der Fußballer stattfindet, wo die Grand Slams im Tennis beheimatet sind. Man kennt die Topstars der Leichtathletik, hat sich die Namen der Radsportler in drei Wochen Tour de France eingeprägt. Von den Superstars aus der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA ganz zu schweigen. Viele von ihnen sind bei den Spielen von Paris am Start. Aber eben auch: Sportler wie Florian Unruh. In Sportarten, die außerhalb des olympischen Fokus eher selten das Licht der breiteren Öffentlichkeit entdecken. Also: Wie läuft das beim Bogenschießen?

Wer in Paris diese Wettbewerbe sehen will, in Frankreich heißt die Sportart „Tir à l’Arc“, kommt erst einmal an schwerem Geschütz vorbei. Die Anlage wurde am Ufer der Seine eingebettet zwischen dem Grand Palais und dem Invalidendom. Dort ist auch das Militärmuseum zu finden – was die zahlreichen nebeneinander aufgereihten Kanonen aus vergangenen Zeiten schon andeuten. Scharf geschossen wird aber auf der anderen Seite des großen Zaunes.

Das Ambiente, das wie bei vielen anderen Sportstätten das Bild dieser Spiele prägt, ist schön. Für Florian Unruh aber nicht entscheidend. Aber: Die Architektur der Anlagen ist es natürlich schon. Allein wegen des Windes – der im Bogenschießen eine entscheidende Rolle spielen kann.

70 Meter beträgt der Abstand zwischen dem Schützen und der Scheibe (Durchmesser 122 cm). Viel Strecke, auf denen die Bewegungen der Luft den Weg des Pfeils verändern können. Wie stellt man sich darauf ein?

Die Windsäcke zeigen an, ob korrigiert werden muss

„Wir haben zwei Windsäcke, die wir beobachten“, sagt Florian Unruh, der zudem einen Faden an seinem Bogen befestigt hat. Der gibt ihm einen weiteren Hinweis. Und dann ist da noch: sein Gefühl. Je nachdem, wie der Wind weht, peilt der 31-Jährige auch mal die äußeren Ringe der Zielscheibe an, die weniger Punkte bringen – damit der Pfeil dann dennoch in der „Zehn“ landet. Und sich ein kurzes Hochgefühl einstellt.

„Dix, dix, dix“ – das hören die Bogenschützen und -schützinnen in Paris am liebsten. Dann ist ihnen ein perfekter Satz mit dreimal Zehn gelungen. „Danach strebt man eigentlich immer“, sagt Florian Unruh – der dieses Glücksgefühl an diesem Mittag gleich mehrfach erleben darf. Zweimal gewinnt er sein direktes Duell, steht somit im Achtelfinale, das am Sonntag (10.48 Uhr) ausgetragen wird. Am Samstag spannt Michelle Kroppen im Einzel der Frauen in der Finalrunde den Bogen. Und am Freitag erlebte das deutsche Bogen-Duo seinen größten Karriereerfolg. Kroppen und Unruh gewannen Silber im Mixed-Wettbewerb und damit den ersten Podestplatz für den Deutschen Schützenbund (DSB) in Paris.

Es sind Gelegenheiten wie diese, bei denen das Fernsehen dann Spieler, Zielscheibe und Pfeile in Großaufnahme zeigt. Eine Kamera fährt auf Schienen im Halbkreis auf der blau leuchtenden Fläche vor ihnen hin und her, um beste Bilder zu liefern. Die Tribünen sind riesig, das Zuschauerinteresse abseits der Mittagshitze groß. „Es ist schön, dass so viele Zuschauer kommen, in Tokio waren die Tribünen auch riesig – aber da durften ja keine Zuschauer dabei sein“, sagt Florian Unruh.

Der übrigens ziemlich gelassen und ausführlich nach dem ersten seiner zwei Auftritte von seiner Sportart erzählt. Wie wichtig es sei, im entscheidenden Moment seine gewohnten Bewegungsabläufe zeigen zu können. Wie schwer sein Sportgerät sei (vier Kilogramm) und wie groß das „Auszugsgewicht“, das er ziehen müsse (23 Kilogramm), und dass es für das Bogenschießen im Prinzip keinen typischen Körperbau brauche. Klein, groß, schmal, breit – das Feld der Sportlerinnen und Sportler biete alles. Nur „das Körpergefühl“ sei eben wichtig. Und die Ruhe unter Druck.

Dass er in nicht einmal einer halben Stunde selbst wieder ran muss? Erzählt Florian Unruh erst auf Nachfrage, bedankt sich für das Interesse und zieht sich dann zurück, um sich neu zu konzentrieren.

„Für uns ist es schön, dass wir unseren Sport bei Olympischen Spielen präsentieren können“, sagt er noch und bestätigt damit: Lieber alle vier Jahre mit der ungewohnten Aufmerksamkeit klarkommen, als auf diese Plattform verzichten zu müssen. „Ich“, sagt Florian Unruh, „sehe das positiv.“

Und wie war das nun mit der Hitze an anderen Orten?

Viele Wettkämpfe in der Hitze

In diesem Jahr im türkischen Antalya, erzählt er. „Da hatten wir am einen Tag 40 Grad und 30 Prozent Luftfeuchtigkeit, am anderen dann 35 Grad und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit.“ Aber auch abseits dessen habe er schon einige Wettbewerbe bei über 40 Grad gehabt. „Anscheinend veranstalten Länder, in denen es heiß ist, gerne unsere Wettkämpfe“, sagt er – und nimmt’s mit Humor. Um keine verschwitzt feuchte Hände zu bekommen, hat er immer ein Pulver bei sich, das auch Baseball-Spieler benutzen. Baseball? Ist übrigens deutlich populärer als Bogenschießen. Aber nicht, wenn Olympische Spiele sind.

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Erstellt:
2. August 2024, 17:40 Uhr
Aktualisiert:
2. August 2024, 18:04 Uhr

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