Peter Segrt: Das nächste Abenteuer heißt Tadschikistan

Der frühere Allmersbacher Landesliga-Fußballer ist seit Beginn des Jahres als Trainer der Nationalelf der ehemaligen Sowjetrepublik. Der Globetrotter mit schwäbischen Wurzeln soll das zentralasiatische Land zum ersten Mal zur kontinentalen Meisterschaft bringen.

Peter Segrt (rechts) und sein georgischer Assistent Tamas Bakeria blicken gespannt der Qualifikation in Kirgisistan entgegen. Foto: Verband

Peter Segrt (rechts) und sein georgischer Assistent Tamas Bakeria blicken gespannt der Qualifikation in Kirgisistan entgegen. Foto: Verband

Von Uwe Flegel

Peter Segrt muss selbst schmunzeln, als er sagt: „Sie haben mir schon einen Spitznamen verpasst – Einstein. Ich weiß nicht warum, vielleicht wegen meiner Haare.“ Sie, das sind die Menschen in Tadschikistan. Dem Land, in dem der ehemalige Landesliga-Fußballer des SV Allmersbach seit Beginn des Jahres die Nationalmannschaft trainiert. Mit der kämpft der 56-Jährige diese und nächste Woche in Kirgisistan um die Qualifikation zur Asienmeisterschaft.

Geboren in Durdevac, aufgewachsen im Nordschwarzwald und nunmehr seit gut eineinhalb Jahrzehnten vor allem in Asien als Fußballlehrer unterwegs. Dabei war er unter anderem Trainer in Indonesien, von Afghanistan, den Malediven und ist es nun in der einstigen Sowjetrepublik. Liest sich, als sei der Schwabe mit kroatischen Wurzeln keiner, der das Abenteuer scheut. Eine Eigenschaft, die er in den eineinhalb Jahren in Afghanistan bestens gebrauchen konnte. Zwischen Bürgerkrieg, Anschlägen und Ränkespielen innerhalb des Verbands bedurfte es vieler guter Nerven und auch eines guten Schusses Furchtlosigkeit.

Erst recht, als er sich weigerte, einen Spieler ins Nationalteam zurückzuholen, der zuvor Spiele manipuliert hatte: „Die Verbandsverantwortlichen nahmen mir den Pass ab und ließen mich in Kabul allein zurück. Das war für mich lebensgefährlich.“ Nur mithilfe der sogenannten einfachen Bevölkerung kam er damals heil aus der Sache raus. Die Menschen hatte nicht vergessen, dass Afghanistan die ersten fünf Begegnungen unter seiner Leitung gewonnen hatte und erst im Finale der Südasienmeisterschaft von Indien gestoppt worden war. „Man of Hope“ hatten sie ihn deshalb genannt. In Tadschikistan ist er „Einstein“.

Sieg in der Südasienmeisterschaft ändert nichts am Abschied von den Malediven

Dazwischen lagen zwei Jahre Corona und zuvor 21 Monate auf den Malediven. Dort gabs viel Sonne, viel Strand, eine Südasienmeisterschaft mit einer jungen, neu aufgebauten Mannschaft sowie einem 2:1-Sieg im Finale gegen den alt bekannten Rivalen aus Indien und den Titel „König ohne Krone“. Die Malediven und der Coach aus Deutschland, das passte – eigentlich. Aber: „Sport ist auch Politik.“ Erst recht in Ländern, in denen es mit der Demokratie nicht so weit her ist, sie auf wackligen Beinen steht oder sie zwischen ein paar wenigen reichen Familien aufgeteilt wird, die zudem versuchen, den Volkssport Fußball für ihre Zwecke zu benutzen. „Es wird viel reingeredet“, sagt Segrt kurz und knapp, um hinzuzufügen: „Für mich war klar, dass nach der WM-Qualifikation dort Schluss ist.“

Im Hinterkopf hatte er allerdings auch, dass er zwei Anfragen aus Asien und ein Angebot aus Europa hatte. „Es sah sehr gut aus, dann kam Corona“, blickt er auf den Winter 2019 und zwei Jahre zurück, in denen er raus war. „Ich habe bislang immer ohne Berater gearbeitet, habe selbst die Kontakte geknüpft. Doch das ging jetzt nicht mehr.“ Wenn Fußballspiele ohne Zuschauer stattfinden, dann gibt es auch kaum Möglichkeiten, mit den Verantwortlichen vor Ort direkt in Kontakt zu treten. Tatenlosigkeit und Warten waren angesagt. Für einen Globetrotter und Vollbluttrainer ist es nicht einfach, die Füße still zu halten.

Dann kam zu Beginn des Jahres die Anfrage aus Tadschikistan. Ein Land das „in den vergangenen elf Jahren zwölf Trainer hatte“, wie Segrt berichtet. Eine Nation, die in der Fußball-Weltrangliste Rang 114 unter 211 Nationen einnimmt. Davor liegt Mauretanien, dahinter Guinea-Bissau. Was Asienexperte Segrt aber aus seinen vorherigen Stationen wusste: Das Land mit China, Afghanistan, Usbekistan und Kirgisistan als Nachbarn „hat eine sehr gute Jugend“. Ideal für einen wie ihn, der nur zu gerne mit jungen Leuten zusammenschafft, ihnen Vertrauen schenkt. Allerdings zählt auch zur Wahrheit, dass es der 9,1-Millionen-Einwohner-Staat bisher noch nie geschafft hat, sich für eine Asien- geschweige denn eine Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Das soll der frühere Defensivmann des SVA ändern. Ansonsten könnte im Sommer bereits wieder Schluss sein. In Asien sind die Verantwortlichen im Sport sicher nicht geduldiger als andernorts, falls Träume oder Wunschziele nicht erreicht werden.

Wobei der Anfang schon mal klappte. Das Testspiel gegen den Nachbarn und Gastgeber der Qualifikationsrunde Kirgisistan wurde 1:0 gewonnen. Ein Erfolg, der begeisterte. Auch weil zwischen beiden Ländern eine riesige Rivalität herrscht, wie die acht Gelben und drei Roten Karten sowie einmal Gelb-Rot zeigen. Und: „Am Schiedsrichter lag’s nicht“, urteilt Segrt. Das Drumherum interessierte allerdings fast niemand. Viel mehr „waren nach dem Sieg alle gleich wieder euphorisch“. Überall, wo er hinkam, hieß es nur: „Good Fight, good Fight.“ Dabei „haben wir nicht gut gespielt, aber eben gegen den Erzrivalen gewonnen“. Das genügt den Fans, um den Hoffnungsträger aus Deutschland kurzerhand zu „Einstein“ zu machen. Peter Segrt muss schmunzeln, wenn er darüber spricht und weiß es einzuordnen: „Einstein war ein Genie, ich bin nur ein einfacher Mann.“ Einer, der schon oft erlebt hat, wie schmal der Grat zwischen gefeiert und gefeuert im Fußball sein kann.

Als Trainer vom Ruhrgebiet, über Mannheim und Österreich auf den asiatischen Kontinent

Der Spieler Aufgewachsen ist Peter Segrt in Calw. Beim dortigen FV war er Jugendspieler, sammelte seine ersten Erfahrungen als Aktivenspieler sowie als Jugendtrainer. An Rems und Murr war er Anfang der Neunziger für den TSV Schwaikheim und den SV Allmersbach in der Bezirks- und in der Landesliga am Ball. Verletzungsbedingt musste er mit 27 Jahren aufhören. Damals war er für den SV Waldhof Mannheim II am Ball.

Der Trainer Von 1996 war Segrt Jugendcoach und Co-Trainer beim VfL Bochum, dem MSV Duisburg und Waldhof Mannheim. Danach arbeitete er in Österreich für die Zweit- und Drittligisten DSV Leoben, SV Ried und Wiener SK, ehe ihn Klaus Toppmöller, mit dem er bereits in Bochum zusammengearbeitet hatte, in den Trainerstab der georgischen Verbands holt. Als Toppmöller im Frühjahr 2008 ging, war Segrt kurze Zeit für die Nationalelf zuständig. Die Stationen des Schwaben danach waren die indonesischen Erstligisten Bali Devata und PSM Makassar, bei dem er mit einem jungen Team im Jahr 2012 ohne Heimniederlage blieb. Segrt: „Seither hat man mich in Asien auf dem Radar.“ Anschließend war er Trainer des bosnischen Erstligisten Zvijezda Gradacac sowie der Nationalteams Afghanistans, der Malediven und nun Tadschikistans. Über seine Zeit in Afghanistan drehten Till Derenbach und Andreas Fröhlich den Dokumentarfilm „Men of Hope“, der auch schon im deutschen Fernsehen zu sehen war.

Die Qualifikationsrunde Die Asienmeisterschaft wird im Sommer 2023 mit 24 Teams gespielt. Davon sind elf Plätze noch zu vergeben, um die in sechs Vierergruppen gespielt wird. Die Gruppensieger sowie die fünften besten Gruppenzweiten bekommen die Tickets. Tadschikistan spielt in Gruppe F in Kirgisistan gegen Myanmar (Mittwoch, 8. Juni), Singapur (Samstag, 11. Juni) und den Gastgeber (Dienstag, 14. Juni). Vorbereitet auf das Turnier haben sich der Ex-Allmersbacher und sein Team in Dubai.

Die Mannschaft In die drei Turnierspiele binnen sieben Tagen geht der Ex-Allmersbacher mit einem 23-Mann-Kader. Zwölf dieser Spieler sind im Ausland in Ländern wie Usbekistan, Weißrussland, Bulgarien, den Philippinen, dem Iran, Kasachstan und Indien tätig. Die anderen stehen vor allem beim tadschikischen Spitzenklub, Rekordmeister und amtierenden Meister Istiklol Dushanbe unter Vertrag.

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Erstellt:
7. Juni 2022, 06:00 Uhr

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