Fußball-EM 2024

„Pure Menschenverachtung“ – die Netzreaktionen zum Wolfsgruß

Der türkische Nationalspieler Merih Demiral hat beim EM-Spiel gegen Österreich den Gruß der rechtsextremen Gruppierung „Graue Wölfe“. Die Empörung im Netz ist groß.

Mit dem rechtsextremen „Wolfsgruß“ hat Merih Demiral für Entsetzen gesorgt.

© dpa/Hendrik Schmidt

Mit dem rechtsextremen „Wolfsgruß“ hat Merih Demiral für Entsetzen gesorgt.

Von Maximilian Kroh

Er war der große Held des Spiels. Mit zwei Toren hatte der türkische Innenverteidiger Merih Demiral seine Mannschaft gegen Österreich quasi im Alleingang ins Viertelfinale der EM 2024 gebracht. Doch bereits kurz nach dem Spiel war davon kaum mehr die Rede. Denn beim Torjubel zeigte Demiral den sogenannten „Wolfsgruß“, das Erkennungszeichen der rechtsnationalistischen türkischen Gruppierung „Graue Wölfe“. Die Aufregung im Netz ist groß.

Vor allem, weil Demiral ein Foto von sich beim Torjubel auch noch auf seinem eigenen Profil postete. Dazu schrieb er einen Satz auf türkisch, der übersetzt „Glücklich derjenige, der sich Türke nennt“ heißt. Es ist ein Leitsatz Atatürks, der sich offiziell nur auf die Staatsbürgerschaft bezieht, in der staatlichen Praxis wurde damit allerdings häufig auch die Existenz ethnischer Minderheiten geleugnet.

Ne mutlu Türküm diyene! pic.twitter.com/4K3kVPFxgW — Merih Demiral (@Merihdemiral) July 2, 2024

Schon kurz nach Abpfiff bezeichnete der Autor Burak Yilmaz den Gruß als „Schande“. Er wies außerdem daraufhin, dass das Spiel am Gedenktag des Brandanschlags auf das Madimak-Hotel in der türkischen Stadt Sivas stattfand, bei dem am 2. Juli 1993 35 Menschen ums Leben kamen, die meisten davon alevitischen Glaubens. Yilmaz warf Demiral in diesem Zusammenhang auch eine „widerliche Verhöhnung der Opfer“ des Anschlags vor.

Heute ist der Gedenktag an #Madimak. Dass Merih Demiral den rechtsextremen Wolfsgruß zeigt, ist nicht nur die pure Menschenverachtung, sondern eine widerliche Verhöhnung der Opfer von #MADIMAK. Die @UEFA muss hier mit harten Konsequenzen antworten - eine Schande! pic.twitter.com/GADHJQJxHN — Burak Yilmaz (@Burak_Yilmaz47) July 2, 2024

Auch andere X-User zeigten sich schockiert von dem Gruß. „Man stelle sich umgekehrt den Aufschrei vor, ein deutscher Nationalspieler würde nach einem Sieg den Hitlergruß zeigen“, schrieb ein Nutzer in Anlehnung an die rechtsextremistische Gesinnung der Grauen Wölfe.

Der türkische Nationalspieler Merih #Demiral zeigt den #Wolfsgruß (Gruß der türkischen Nazis) auf dem Fußballplatz und postet davon ein Foto. Man stelle sich umgekehrt den Aufschrei vor, ein deutscher Nationalspieler würde nach einem Sieg den Hitlergruß zeigen... #GraueWölfepic.twitter.com/vIeSjUOHMC — Markus Hibbeler (@MarkusHibbeler) July 3, 2024

Auch zwei Gründungsmitglieder der Alhambra Gesellschaft, eines Zusammenschlusses europäischer Muslime, meldeten sich zu Wort. „Dieser Chauvinismus kotzt mich an“, schrieb Murat Kayman...

Schönes Spiel, Regenschlacht von Leipzig. Beide Teams weiter & ! Gar nicht schön: Pfiffe bei der Nationalhymne des Gegners, Becherregen bei gegnerischen Eckstößen. Und was gar nicht geht: rechtsextremer Wolfsgruß des türkischen Torschützen. Dieser Chauvinismus kotzt mich — Murat Kayman (@KaymanMurat) July 2, 2024

...und Eren Güvercin forderte von der UEFA eine Sperre für Demiral.

Leidenschaftliches Spiel von Österreich und Türkei. So sehr ich mich über den Sieg der Türkei freue, kann ich dazu nicht schweigen: Der Torschütze beider Tore für die Türkei zeigt den Gruß der rechtsextremen Grauen Wölfe auf dem Platz. Wird es da eine Sperre geben @UEFAcom_de? pic.twitter.com/rTNoLliGKs — Eren Güvercin (@erenguevercin) July 2, 2024

Konsequenzen von der UEFA forderten andere User ebenfalls, vor allem, weil der Verband ja großflächig Kampagnen gegen Rassismus und für Respekt fahre.

Meine Meinung: Wenn die Uefa mit ihren "Respect" und "No Racism"-Kampagnen wenigstens ein bisschen Ernst genommen werden möchte, muss sie Demiral für die restliche #EURO2024 sperren. #AUTTURpic.twitter.com/gH1ATNnUYl — Jannes Tilicke (@JannesTilicke) July 3, 2024

Die Türkische Gemeinde in Deutschland verurteilte den Gruß auf X ebenfalls, er habe die Freude über den Achtelfinal-Sieg zerstört.

Es hat leider keine fünf Minuten gedauert, bis ein türkischer Spieler die Freude über den hart erkämpften 2:1-Sieg mit dem rechtsextremen Wolfsgruß komplett zerstört hat. Und das am Jahrestag der Anschläge von Sivas und während Ausschreitungen gegen Geflüchtete in der Türkei. — Türkische Gemeinde in Deutschland e.V. (TGD) (@tgd_att) July 3, 2024

Reaktionen auf den Gruß gab es auch von politischer Seite. So äußerte sich am Mittwochmorgen Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Solche Symbole hätten in Stadien nichts zu suchen, die EM dürfe nicht als Plattform für Rassismus missbraucht werden.

Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen. Die Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen, ist völlig inakzeptabel. Wir erwarten, dass die UEFA den Fall untersucht und Sanktionen prüft.https://t.co/65yoSUAAQJ — Nancy Faeser (@NancyFaeser) July 3, 2024

Auch Cem Özdemir fordert Konsequenzen. Seine Botschaft ist rechtsextrem, steht für Terror, Faschismus“, schrieb der Grünen-Politiker auf der Plattform X mit Blick auf den Gruß. Die Europäische Fußball-Union UEFA müsse Konsequenzen ziehen.

Richtig, nichts am #Wolfsgruß ist versteckt. Seine Botschaft ist rechtsextrem, steht für Terror, Faschismus. Darüber zu diskutieren, ist ermüdend. @UEFA muss Konsequenzen ziehen.https://t.co/LsJo3MSvC1 — Cem Özdemir (@cem_oezdemir) July 3, 2024

Zur Wahrheit gehört allerdings: Auch die Fans der österreichischen Nationalmannschaft waren vor dem Spiel mit ausländerfeindlichen Parolen negativ aufgefallen.

Beim EM-Spiel Österreichs gegen die Türkei zeigt Merih Demiral den #Wolfsgruß und österreichische Fans grölen "Ausländer raus". Fußballverbände wehren sich immer wieder gegen Debatten über #Rassismus – dann fällt er ihnen im Turnier vor die Füße. #AUTTURhttps://t.co/Lt9FcClmxl — Amnesty Deutschland (@amnesty_de) July 3, 2024

Im Lauf der Gruppenphase war es auch bei anderen Spielen immer wieder zu rechtsextremistischen Zwischenfällen gekommen. In vielen Fällen geht es um die Fans, doch es gab auch schon eine Strafe gegen einen Spieler: Der albanische Stürmer Mirlind Daku hatte mit dem Megafon beleidigende Sprechchöre gegenüber Mazedonien angestimmt. Daku war von der UEFA für zwei Spiele gesperrt worden.

Ob Merih Deral im Viertelfinale gegen die Niederlande (Samstag, 21 Uhr) auf dem Platz stehen wird, ist noch unklar. Die UEFA-Disziplinarkammer hat inzwischen Ermittlung gegen ihn eingeleitet.

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Erstellt:
3. Juli 2024, 12:48 Uhr
Aktualisiert:
4. Juli 2024, 11:22 Uhr

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