Simon Schlichenmaier erfüllt sich einen Traum

Der Triathlet läuft beim Hawaii-Ironman nach 9:55:28 Stunden erschöpft und gleichzeitig glücklich ins Ziel. Beim Versuch, unter der Zehn-Stunden-Marke zu bleiben, wird der abschließende Marathon für den schnellen 37-Jährigen zu einem harten Kampf.

Simon Schlichenmaier musste am Schluss mächtig auf die Zähne beißen. Am Ende hatte er trotzdem allen Grund, zu strahlen. Foto: privat

Simon Schlichenmaier musste am Schluss mächtig auf die Zähne beißen. Am Ende hatte er trotzdem allen Grund, zu strahlen. Foto: privat

Von Uwe Flegel

Für Simon Schlichenmaier ist die Welt in Ordnung. Auch wenn es morgens erst kurz vor 8 Uhr ist und sein Flieger von Hawaii zum Geschäftstermin nach Boston bereits in gut zweieinhalb Stunden abhebt. Doch der 37-Jährige kann Stress ab. Schließlich ist er Leistungssportler und von der schnellen Sorte, wie er bei der Ironman-Weltmeisterschaft tags zuvor gezeigt hat. In 9:55:28 Stunden blieb der ehemalige Triathlet des TC Backnang nach 3,86 Kilometern Schwimmen im offenen Meer und den 180,2 Rad- sowie abschließenden 42,195 Laufkilometern unter der Zehn-Stunden-Marke. Da bleibt der Murrelektronik-Mitarbeiter gerne in der Verbindung, auch wenn er gerade frühstückt, als die Zeitung aus der rund 12500 Kilometer entfernten Heimat zum ausführlichen Telefongespräch bittet.

Gutgelaunt erzählt der drahtige Athlet, dass er sich „einen Traum“ erfüllt hat. Einen, für den er viel Schweiß vergießen und im wahrsten Sinne des Wortes Ausdauer beweisen musste. Schließlich startete er das Unternehmen „Teilnahme am Hawaii-Ironman“ schon drei Jahre zuvor. „Es war schon ein hartes Ding, sich 2019 so ein Ziel zu setzen“ – und dann lange, lange darauf hinzuarbeiten und wegen all der Unsicherheiten mit sowie um Corona eine gefühlte Ewigkeit zu warten, wann und ob es weiter geht. „Da brauchst du viel Motivation“, gesteht der einst in Aspach und mittlerweile in Leipzig lebende Schlichenmaier. Er hatte sie, hielt durch und darf sich nun stolz Finisher mit einer sehr ansprechenden Zeit nennen.

Auf der Laufstrecke beginnen nach etwas mehr als einem Drittel die Probleme

„Ich bin megazufrieden“, sagt der Schwabe und erklärt: „Mein Ziel, unter zehn Stunden zu bleiben, habe ich erreicht. Wobei in meinem Masterplan gar eine Zeit von 9:30 Stunden vorgesehen war.“ Beim Schwimmen (1:03:18 Stunden) und auf dem Rad (5:07:37) passte alles. Beim Marathon lief es „bis Kilometer 16 super“, dann spürte er mehr und mehr die Hitze. Auch weil auf Hawaii im Gegensatz zu den Wettkämpfen vor Corona die Versorgungs- und Wasserstellen nun nicht mehr nach jedem Kilometer, sondern nur noch nach etwas mehr als eineinhalb Kilometern kamen. Schlichenmaier erzählt: „Wenn die Hitze auf der Straße flimmert, tut einfach jeder Tropfen Wasser gut. Auch um dich irgendwie herunterzukühlen.“ Bei ihm klappte das nicht wie erhofft. Als er spürte, dass er Probleme bekommt, schaltete der Schwabe den Kopf ein und läuferisch einen Gang runter: „Für mich war wichtig, das harte Rennen zu überstehen. Zur Not wäre ich sogar ein Stück gegangen.“

Selbst für den Gewinner ist der Wettkampf kein reines Vergnügen

Musste er nicht und die 3:38:02 Stunden über die Marathondistanz sind ja nicht zu verachten. Selbst wenn der laufstarke Sportler in der abschließenden Disziplin etwas schneller sein wollte. Denn unbedingt ein Finisher zu sein ist das eine. „Die Teilnahmeberechtigung hier auch sportlich zu untermauern“ das andere, so der mittlerweile für den südbadischen TNB Malterdingen startende Schlichenmaier. Schließlich ist es eine Weltmeisterschaft, bei der der 37-Jährige von sich entsprechende Leistungen erwartet. Zumal Schlichenmaier sein WM-Ticket vergangenes Jahr beim Frankfurt-Ironman in 9:19:35 Stunden als Fünfter seiner Altersklasse M 35 gebucht hatte.

Bei seiner Hawaii-Premiere machte allerdings auch er die Erfahrung, dass Kona nicht umsonst als das heißeste Triathlon-Parkett der Welt gilt. Temperaturen von weit über 30 Grad und Strecken, die durch Lavafelder führen, mergeln die Sportler langsam aus. Hawaii ist nicht nur ein Wettlauf gegen sich selbst und die Zeit. Hier geht es auch darum, den hohen Energie- und Flüssigkeitsverlust stets auszugleichen, bevor der große Hammer kommt. Oft ist das eine Gratwanderung. Selbst der norwegische Sieger Gustav Iden hatte im Ziel wenig von einem strahlenden Gewinner, als er erschöpft im Stuhl saß und erklärte: „Die Insel hat versucht, mich fertig zu machen, ich weiß nicht, ob ich noch mal zurückkomme.“ Glück sieht jedenfalls anders aus. Erst recht bei einem, der gerade mit 7:40:24 Stunden den bisherigen Streckenrekord des deutschen Dreifach-Siegers Jan Frodeno (2015, 2018, 2019) von 7:51:13 Stunden um mehr als zehn Minuten unterboten hat.

Das nächste große Ziel ist die 70.3-WM kommendes Jahr im finnischen Lahti

Auch Simon Schlichenmaier kann und will derzeit nicht sagen, ob er einen Start in Kailua-Kona ein weiteres Mal in Angriff nimmt: „Derzeit strebe ich nicht danach.“ Ein sportliches Ziel hat er für nächstes Jahr trotzdem: „Ich will mich im späten Frühjahr in Luxemburg für die 70.3-Weltmeisterschaft in Lahti qualifizieren.“ Das hätte für ihn gegenüber Hawaii zwei Vorteile: In Finnland ist es deutlich kühler und beim 70.3 ist die Streckenlänge in jeder Disziplin nur halb so lang wie beim Ironman. Wobei die Sporthauptstadt Finnlands für ihn auch aus nicht sportlichen Gründen eine große Bedeutung hat. „In Lahti hatte ich vor sechs Jahren meinen ersten Geschäftstermin für Murrelektronik“, erzählt der 37-Jährige noch kurz, ehe er zum Flughafen eilen muss. Der Flieger nach Boston wartet nicht. Auch nicht auf einen schnellen Mann, der beim Ironman unter zehn Stunden bleibt.

Im ersten Viertel der Gesamtwertung

Ergebnis Mit seiner Zeit von 9:55:28 Stunden belegte Simon Schlichenmaier in der Gesamtwertung den 541. Rang unter 2 376 Männern. In der Altersklasse M 35 bis 39 kam der Ausdauersportler aus dem Murrtal auf den 155. Platz unter 419 Teilnehmern.

Bestzeit Von Triathlon-Club Backnang hält Karl-Heinz Geckeler seit 1992 den Klubrekord auf Hawaii. Der damals 28-Jährige bewältigte den Kurs in 9:28:30 Stunden. Unter 10 Stunden blieb bei dem 1978 ins Leben gerufenen Wettkampf außerdem noch Thomas Pumm, der 1999 als 26-Jähriger den Wettkampf nach 9:50:00 Stunden beendete.

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Erstellt:
12. Oktober 2022, 06:00 Uhr

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