Sinologiestudent und Schiedsrichtertalent
Gregor Wiederrecht ist Württembergs jüngster Referee in der Fußball-Landesliga und hat einen besonderen Bezug zu China
„Ich hatte schon als Kind eine Trillerpfeife und schaute später bei Spielen auf den Schiedsrichter“, erzählt Gregor Wiederrecht. Spätestens als er einen Vortrag von Bundesliga-Referee Marco Fritz hörte, wollte er diesen Weg auch einschlagen. Der Burgstaller tat es mit aller Konsequenz, mit 18 Jahren ist er aktuell jüngster Landesliga-Schiedsrichter Württembergs und zählt zum Coaching-Kader des Württembergischen Fußball-Verbands, in dem Talente speziell betreut werden.

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Bereitet sich professionell auf die Spiele vor, um für alle Fälle gewappnet zu sein: Nachwuchsschiedsrichter Gregor Wiederrecht. Foto: A. Becher
Von Steffen Grün
Er sei kein besonders guter Kicker gewesen, räumt Gregor Wiederrecht ein, widerspricht aber der Vermutung, er habe deshalb lieber zur Pfeife gegriffen: „Ich wäre auch Schiedsrichter geworden, wäre ich ein sehr guter Kicker gewesen.“ Zum Beispiel, weil er als Spieler zwar von einigen Referees beeindruckt war, sich bei so manchem aber auch dachte: „Das hätte ich anders gehandhabt.“ Den endgültigen Ausschlag, den Neulingskurs der Schiedsrichtergruppe Backnang zu besuchen, gab der Abend mit Marco Fritz im Vereinsheim der SKG Erbstetten. „Das hat mich inspiriert“, erinnert sich der gebürtige Karlsruher an den Vortrag des Korbers: „Er hat erzählt, wie ihm der Schiedsrichter-Job im Alltag geholfen hat.“ Dass man selbstbewusster, selbstsicherer und durchsetzungsfähiger wird – „auch gegenüber Älteren“ – kann Wiederrecht mittlerweile selbst bestätigen.
Mit 13 Jahren lernte er das Einmaleins des Unparteiischen, danach startete er mit D- und C-Jugendspielen und erhielt Tipps von einem Betreuer. Mit 15 leitete er sein erstes Duell bei den Aktiven, ein Freundschaftsspiel zwischen Rietenau und Viktoria Backnang: „Ich war arg nervös, aber es war eine tolle Erfahrung. Das erste Aktivenspiel vergisst man nicht.“ Eine gewisse Nervosität verspürt Wiederrecht bis heute, hat aber kein Problem damit: „Denn das ist ein Zeichen, dass ich konzentriert bin.“ In der vergangenen Saison stand der Referee in Diensten der SKG Erbstetten in der Bezirksliga unter Beobachtung und packte auf Anhieb den Sprung in die Landesliga. In der Hinserie dieser Runde pfiff er vier Partien und tat dies so gut, dass er für die zweite Saisonhälfte ein Plätzchen im Coaching-Kader bekam. Zwei von vier Rückrundeneinsätzen hat der Murrtaler schon hinter sich, zwei weitere kommen an den nächsten beiden Wochenenden dazu.
Mit dem Spiel zwischen Weilimdorf und Oberensingen (7. April) verabschiedet sich Wiederrecht nicht nur aus dieser Landesliga-Saison, sondern für rund sechs Monate auch aus Deutschland. Der Sinologiestudent im ersten Semester fliegt nach Peking und lebt ein halbes Jahr in Yanqing, „für chinesische Verhältnisse eine Kleinstadt.“ Seine Aufgabe: Führungen auf der Messe in Deutsch, Englisch und Chinesisch. Der enge Bezug zum Reich der Mitte kommt nicht von ungefähr: „Ich habe mit meinen Eltern von 2004 bis 2012 in Peking gelebt, sie waren Lehrer an der deutschen Botschaftsschule.“ Die für die meisten Europäer so fremden Schriftzeichen sind für Wiederrecht also nichts Neues: „Ich spreche fließend Chinesisch, möchte aber auch die Geschichte Chinas kennenlernen.“
Er habe gegenüber dem WFV stets mit offenen Karten gespielt und gesagt, dass seine Priorität auf dem Studium liegt. Insofern hofft und glaubt der Nachwuchsschiedsrichter, dass ihm der Auslandsaufenthalt nicht zum Nachteil gereicht. Wenn er zurück in Deutschland ist, wird er weiterhin mit vollem Ehrgeiz an seiner Karriere als Unparteiischer arbeiten. Dazu gehört für ihn vor allem eine gute Spielvorbereitung. „Das ist das Fundament. Ich lerne zum Beispiel die Namen auswendig, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe.“ Die Platzgröße, die Trainer, das Wetter und seine Assistenten sind weitere Variablen, um die sich Wiederrecht kümmert.
Er bezeichnet sich selbst als eher strengen Spielleiter. „Vor allem am Anfang der Partie. Man erhält für eine klare Linie eine größere Akzeptanz, gerade als junger Referee.“ Wenn es läuft und dem Spielfluss dient, werde die Leine länger. „Zögern bedeutet Unsicherheit“, verrät er ein weiteres Credo: „Ich habe gelernt, meinem Instinkt zu vertrauen.“ Besonders bei der Vorteilsauslegung sei es entscheidend, „zu antizipieren. Da hilft es schon, selbst gespielt zu haben.“ Und sei es nur in der Jugend.
Wohin sein Weg führt, lässt Wiederrecht locker auf sich zukommen: „Es wäre gelogen, würde ich sagen, es sei nicht mein Traum, in der Bundesliga zu pfeifen, aber mein Ziel ist es nicht.“ Zunächst wartet ohnehin die Herausforderung in China, für die sich doch noch ein sprachliches Defizit aufgetan hat. Was „Gut Pfiff“ – sozusagen das Weidmannsheil der Referees – heißt, kann er nicht sagen: „Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, aber das interessiert mich jetzt. Ich mache mich schlau.“
Für den WFV-Coaching-Kader wurde Gregor Wiederrecht vom Verbandsschiedsrichterausschuss des Württembergischen Fußball-Verbands um Obmann Giuseppe Palilla nominiert. Er befindet sich in bester Gesellschaft von fünf weiteren Schiedsrichtern und zwei Schiedsrichterinnen. Zum Vergleich: Insgesamt gibt es 88 Landesliga-Referees in Württemberg.
Die Kadermitglieder werden intensiver gecoacht, ihre Spiele detaillierter analysiert. Sie können nicht absteigen, ein Aufstieg liegt im Ermessen des WFV. An den Durchmarsch in die Verbandsliga glaubt Gregor Wiederrecht eher nicht: „Ich denke, durch meinen Chinaaufenthalt ist es eher unwahrscheinlich.“ Erfreulich wäre schon, wenn er in der neuen Landesliga-Saison unter Beobachtung stünde.