Olympische Schwimm-Wettkämpfe

Spektakel, Rekord und Fragezeichen

Katie Ledecky, Leon Marchand und Pan Zhanle sorgen für ein Schwimm-Event, das in die Geschichte eingeht – und bei dem Isabel Gose ihre erste Olympia-Medaille gewinnt.

Schwimmt bei den Olympischen Spielen in Paris den ersten Weltrekord: Pan Zhanle (China).

© Imago//David G. McIntyre

Schwimmt bei den Olympischen Spielen in Paris den ersten Weltrekord: Pan Zhanle (China).

Von Jochen Klingovsky

Sport auf allerhöchstem Niveau, wie er bei Olympischen Spielen geboten wird, ist ein sensationelles Spektakel. Und zugleich ein Schauspiel, bei dem man nicht alles, was man zu sehen bekommt, einfach so glauben sollte. Fragen stellten sich etwa nach jenem Abend, der in die Geschichte des Schwimmens eingegangen ist. Und dem ein kleines Kapitel vorangestellt werden muss.

Nach dem ersten Wochenende der Schwimmwettkämpfe in Paris hatte Bernd Berkhahn das Wasserbassin in der Arena La Defense kritisiert, in der normalerweise Rugby-Spiele und Konzerte stattfinden. Um auch die vorderen Sitzreihen der Tribüne nutzen zu können und 17 000 Zuschauer unterzubringen, wurde das Becken nicht so gebaut wie sonst üblich. „Es müsste tiefer sein“, sagte der Bundestrainer, „es ist sehr flach, gerade mal zwei Meter tief. Wir haben viele Kameras und viele Bildschirme drin, es gibt sehr viel Verwirbelung. Das macht es für die Schwimmer nicht einfacher, deshalb sieht man auch noch keine Spitzenzeiten und keine Weltrekorde.“ Inzwischen wurde Berkhahn eines Besseren belehrt.

Weltrekord um vier Zehntel Sekunden verbessert

Die chinesischen Schwimmer stehen in Paris vor allem deshalb im Fokus, weil vor dreieinhalb Jahren 23 von ihnen positiv auf ein Herzmittel getestet und anschließend freigesprochen wurden – mit der Begründung, es habe sich um eine Kontaminierung in der Hotelküche gehandelt. Die Welt-Anti-Doping-Agentur hat diese Erklärung seltsamerweise geschluckt, zehn der Freigesprochenen sind nun in Paris am Start. Pan Zhanle gehört nicht zu dieser Gruppe. Und trotzdem ist er der Erste, der die Begeisterungswelle in der Arena La Defense gebrochen hat.

Als der Chinese, der bei der WM in Doha im Februar wie aus dem Nichts an der Spitze seines Sports aufgetaucht war und vier Titel gewonnen hatte, seinen Sieg über 100 Meter Freistil feierte, wurde es ruhig in der riesigen Halle. Denn er hatte seinen bei der WM aufgestellten Weltrekord um sagenhafte vier Zehntel auf 46,60 Sekunden verbessert. „Ich habe mein Bestes gegeben“, sagte er danach, „ich denke, es war ein magischer Moment.“

Historische Dimensionen von Katie Ledecky

Sagenhafte Rennen haben an diesem Abend noch zwei weitere Superstars ins Wasser gezaubert. Die US-Amerikanerin Katie Ledecky holte sich über 1500 Meter Freistil mit einem Vorsprung von mehr als zehn Sekunden ihr achtes Olympia-Gold, zwei weitere Siege in der Freistil-Staffel und über 800 Meter sind möglich – dann wäre sie die erfolgreichste Olympionikin der Geschichte. „Über die historische Dimension versuche ich nicht zu viel nachzudenken“, sagte Ledecky, „es ist eine große Ehre, Teil all dieser großen Namen zu sein.“ Zu denen irgendwann auch Leon Marchand gehören dürfte.

Als erster Schwimmer überhaupt feierte der Liebling der Franzosen an einem Abend Olympiasiege in zwei grundverschiedenen Einzeldisziplinen. Erst über 200 Meter Schmetterling, dann über 200 Meter Brust, in beiden Rennen mit olympischem Rekord. „Ich habe ein bisschen daran gezweifelt, dass ich es schaffen könnte, weil mir alle gesagt haben, dass es unmöglich ist“, sagte Marchand. Erst als sein Coach Bob Bowman nach dem überlegenen Sieg über 400 Meter Lagen am Sonntag grünes Licht gab, war der 22-Jährige bereit: „Das hat mich glücklich gemacht und mir das Selbstvertrauen gegeben, das mir gefehlt hat.“

Bronze für Isabel Gose

Auch zwei deutsche Schwimmer erlebten einen besonderen Abend: Isabel Gose holte die zweite Medaille im Becken fürs Team D, wurde mit deutschem Rekord (15:41,16 Minuten) Dritte über 1500 Meter Freistil. Und Josha Salchow, der als erster Deutscher seit 1992 in einem olympischen 100-Meter-Freistilfinale stand, belegte mit neuer deutscher Bestmarke (47,80 Sekunden) Rang sechs. Gose wusste danach vor lauter Freude gar nicht, wohin mit ihren Emotionen. „Bei den internationalen Medaillen, die ich bisher gesammelt habe, haben immer wirklich starke Mädels gefehlt“, sagte die 22-Jährige, „vor Olympia hatte ich sehr großen Respekt. Ich bin super happy, dass alles aufgegangen ist.“

Schließlich war diesmal die komplette Weltelite am Start – die einen unglaublichen Abend zelebriert hatte.

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Erstellt:
1. August 2024, 15:36 Uhr
Aktualisiert:
1. August 2024, 20:03 Uhr

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