3x3-Basketball

Spielverderberinnen auf dem Basketballcourt

Erstmals ist das deutsche Team beim olympischen 3x3-Basketball vertreten. Als Außenseiterinnen wollen sie die Favoriten ärgern – und setzen ihren Plan gleich im ersten Spiel um.

Svenja Brunckhorst (rechts) beim sensationellen deutschen Auftaktsieg im Spiel gegen die USA.

© /imago/Yukihito Taguchi

Svenja Brunckhorst (rechts) beim sensationellen deutschen Auftaktsieg im Spiel gegen die USA.

Von Jochen Klingovsky

Lange Zeit waren Olympische Spiele ein Hort der Traditionalisten. Mittlerweile ist das anders. Ganz anders. Das IOC hat seine Großveranstaltung geöffnet, um neue Zielgruppen anzusprechen und zu zeigen, dass es mit der Zeit geht. Aber natürlich vor allem, um neue Märkte zu erschließen. In Paris gibt es Breaking, BMX, Sportklettern, Skateboarding, 7er-Rugby – und nach der Premiere 2021 in Tokio auch wieder 3x3 Basketball. „Was hier abgeht“, sagt Samir Suliman, Mastermind des deutschen Frauenteams, „feiere ich ganz hart, so sagt man das doch heutzutage.“

Samir Suliman ist 50 Jahre alt und ein Berg von einem Mann. Er hat den Überblick, und während er über den Place de la Concorde schaut, ist ihm die Zufriedenheit anzusehen. Mitten in Paris finden die Wettbewerbe im 3x3 Basketball, Breaking, BMX Freestyle und Skateboarding statt. Er liebt die urbanen Sportarten, er schaut aber auch gerne traditionelle Wettbewerbe. Nur eines missfällt ihm – wenn auseinanderdividiert wird. „Lasst uns Sport gemeinsam feiern“, sagt Samir Suliman mit einem ernsten Gesichtsausdruck, „und lasst uns Sport als Welt gemeinsam zelebrieren.“

Es ist eine Vision, die auch Olympische Spiele nicht realisieren können. Doch vielleicht sind sie ja vielleicht der richtige Ort, um aufzuzeigen, was möglich wäre. Das zumindest gehört zum Antrieb von Samir Suliman. Er wollte es immer zu Olympischen Spielen schaffen, irgendwie. Nun ist er hier. „Er ist die Seele unserer Gruppe“, sagt Elisa Mevius, „er hat alles im Kopf.“ Auch, was nun in Paris passieren könnte.

Das deutsche Quartett mit Mevius (20), Svenja Brunckhorst (32), Marie Reichert (23) und Sonja Greinacher (32) hat sich im Mai erst durch einen Korb von Brunckhorst in letzter Sekunde für die Olympischen Spiele qualifiziert und dort einen Start nach Maß erwischt – obwohl es zunächst gar nicht danach ausgesehen hatte. Die Deutschen trafen im allerersten Spiel des Achterturniers auf die USA, den Olympiasieger von Tokio 2021. Schnell lag der Außenseiter 0:5 zurück, weil er Wurf um Wurf daneben gesetzt hatte. Doch dann fing sich das Team, zeigte eine herausragende Leistung und gewann sensationell 17:13.

Seither ist klar, dass kein Gegner die deutschen Basketballerinnen unterschätzen sollte. „Dieser Aufakt war der Wahnsinn“, sagte Svenja Brunckhorst, „wo USA im Basketball draufsteht, kommt immer eine große Show raus. Wir sind hier, um den anderen die Show so oft wie möglich zu vermiesen.“ Ähnlich äußerte sich Elisa Mevius: „Wir haben gesagt, dass wir nerven wollen – am besten jedes Team.“ Gegen die USA ist das gelungen, dennoch bleiben die Ziele bescheiden. Zumal es am Mittwochabend gegen Australien im hoch spannenden zweiten Spiel eine 19:21-Niederlage gab.

In Paris treffen alle Teams einmal aufeinander, die beiden Besten der Tabelle ziehen danach direkt ins Halbfinale ein, die vier Nationen dahinter spielen zwei weitere Halbfinalteilnehmer aus. Nicht auf Rang sieben oder acht zu landen und somit direkt wieder auszuscheiden, ist das Ziel des deutschen Vierers. „Wir sind die Kleinen und bleiben die Kleinen“, sagte Samir Suliman, „wir knabbern hier am Tisch, der erste Keks ist gerade runtergefallen. Nun wollen wir den nächsten Keks haben.“

„Wir wollen junge Mädchen für Basketball begeistern“

Die Spielerin, die für die größeren Brocken zuständig ist, heißt Svenja Brunckhorst. Sie war zehn Jahre lang die Kapitänin der deutschen Hallennationalmannschaft, die – auch dank ihr – ebenfalls das Olympia-Ticket gelöst hat. Was zu einer schwierigen Frage führte: Für welchen Wettbewerb wird Brunckhorst sich entscheiden? Für das Fünf-gegen-fünf-Spiel auf zwei Körbe? Oder für die aus dem Streetball hervorgegangene 3x3-Variante mit nur einem Korb, das auf einem halb so großen Feld gespielt wird? Die erste Antwort von Brunckhorst: Sie wollte beides. Was zu gewissen Verstimmungen führte. Denn der Deutsche Basketball-Bund (DBB) ließ den ambitionierten Plan nicht zu.

Das hat Svenja Brunckhorst verstanden, wie die Gespräche abliefen, eher nicht. „Mit den Trainern war schon alles abgestimmt, doch manchmal sind Leute an Positionen, die für einen entscheiden“, sagte sie, „die Kommunikation ist suboptimal gewesen, wenn ich es nett ausdrücken will.“

Ihre Entscheidung war dann umso klarer: Svenja Brunckhorst wird ihre Basketball-Karriere auf dem Place de la Concorde beenden. „Wir haben in dieses 3x3-Projekt so viel Zeit, Schweiß und Energie gesteckt“, sagte die Basketballerin, die nach den Sommerspielen Vollzeit-Managerin für Mädchen- und Frauenbasketball bei Alba Berlin wird, „wir sind nach Paris gekommen und wussten, dass nicht viele auf uns setzen. Aber wir wissen um unsere Stärken, vertrauen uns extrem. Nun möchten wir zeigen, was wir können.“ Ein gutes Turnier spielen. Und den 3x3-Basketball in Deutschland voranbringen. „Wir wollen junge Mädchen für Basketball begeistern“, sagt Samir Suliman. Allerdings ganz ohne Zwang oder die Strukturen einer Liga: „3x3 ist ein freier Sport.“

Und damit mittlerweile selbst bei Olympischen Spielen gut aufgehoben.

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Erstellt:
31. Juli 2024, 18:34 Uhr

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