Das Wunderkind des Schwimmens

Summer-Zeit in Paris – erstes Olympia-Gold für McIntosh

Summer McIntosh (17) wird über 400 Meter Lagen mit riesigem Vorsprung Olympiasiegerin – nun will die Kanadierin weiter auf der Erfolgswelle schwimmen.

So sieht die Zukunft des Schwimmsports aus: Summer McIntosh nach ihrem ersten Olympiasieg

© dpa/Michael Kappeler

So sieht die Zukunft des Schwimmsports aus: Summer McIntosh nach ihrem ersten Olympiasieg

Von Jochen Klingovsky

In der Arena in La Defense gibt es viele extrem knappe Entscheidungen, oft entscheidet lediglich der bessere Anschlag. Und dann gibt es noch Summer McIntosh (17). Das Wunderkind des Schwimmsports gewann am späten Montagabend über 400 Meter Lagen – und wie! Die Kanadierin lag nach 4:27,71 Minuten 5,7 und 7,2 Sekunden vor dem US-Duo Katie Grimes und Emma Weyant, im Becken bedeutet das eine halbe Ewigkeit. „Mit einer komfortablen Führung auf die letzten 100 Meter zu gehen, war ein wunderbares Gefühl“, sagte Summer McIntosh, nachdem bei der Siegerehrung die Hymne verklungen war, „ich habe den Ton gesetzt.“ Was Fans und Medien in einer etwas anderen Stimmlage und mit wesentlich mehr Euphorie kommentierten.

Die Zuschauer aus dem Eishockey-Mutterland riefen nach dem ersten Olympia-Gold ihres Lieblings auf Plakaten die „Summer-Time“ aus, die „New York Times“ machte die Sommerspiele in Paris kurzerhand zu „Summer’s Games“, und das US-Magazin „Time“ titelte: „Summer of Summer!“ Es ist ziemlich sicher nicht ihr letzter.

Es wäre schon ein kleines Wunder, würde Summer McIntosh nicht die nächste ganz Große des Schwimmens werden. Eine, die ihre Sportart in Zukunft prägt. Denn sie tut es, obwohl sie noch extrem jung ist, ja eigentlich auch schon in der Gegenwart. „Sie ist eine Inspiration für jeden und jede“, sagte Teamkollegin Kylie Masse, elf Jahre älter und selbst viermalige Olympia-Medaillengewinnerin, „sie zeigt den jungen kanadischen Schwimmern, dass sie groß träumen können.“ Überraschend kommt das nicht.

Eine Disziplin für Alleskönner

Schon mit 14 Jahren war Summer McIntosh erstmals bei Olympischen Spielen, aus Tokio kehrte sie 2021 unter anderem als Viertplatzierte über 400 Meter Freistil zurück. Danach wussten alle, über welches Potenzial sie verfügt, und ihre Entwicklung ging rasant weiter. Was der Zehnkampf in der Leichtathletik und die Vielseitigkeit im Reitsport ist, ist die Lagen-Strecke im Schwimmen – eine Disziplin für die Alleskönner.

Summer McIntosh hält mittlerweile nicht nur den Weltrekord über 400 Meter Freistil, sondern auch über 400 Meter Lagen, dazu ist sie viermalige Weltmeisterin. In Paris hatte sie vor ihrem Goldrennen bereits Silber über 400 Meter Freistil geholt und dabei US-Legende Katie Ledecky, eines ihrer Vorbilder, hinter sich gelassen. Beste Medaillenchancen hat sie nun auch noch über 200 Meter Schmetterling und 200 Meter Lagen.

Folglich könnte sie eine der erfolgreichsten Teilnehmerinnen der Spiele werden. Eine Kollegin würde das nicht wundern. Penny Oleksiak wurde als 16-Jährige 2016 in Rio de Janeiro Olympiasiegerin über 100 Meter Freistil, auf die Spiele in Tokio bereitete sich die Kanadierin dann gemeinsam mit Summer McIntosh vor – und geriet ins Staunen. „Ich liebe sie, aber ich hasse es mit ihr zu trainieren“, sagte Penny Oleksiak hinterher, „sie ist nicht kleinzukriegen. Sie kennt nur Vollgas, keine Bremse. Ich bewundere ihre Arbeitseinstellung. Sie ist mental unglaublich stark – im und außerhalb des Pools.“ Ein bisschen wurde ihr dies in die Wiege gelegt.

Katze nach Michael Phelps benannt

Auch ihre Mutter Jill war Olympia-Teilnehmerin im Schwimmen (1984 in Los Angeles), im Kinderzimmer von Summer McIntosh hing ein Poster von Katie Ledecky, und Michael Phelps hat sie derart bewundert, dass die Katze der Familie nach dem Rekord-Olympioniken „Mikey“ getauft wurde. Dabei wäre eine vierbeinige Motivationshilfe eigentlich gar nicht nötig gewesen, denn McIntosh weiß schon lange, was sie will: die Weltelite im Wasser aufmischen. „Ich mache das, seit ich 14 bin“, sagte die Kanadierin nun in Paris, und sie hörte sich dabei nicht an, als sei sie erst 17 Jahre alt, „bei jedem Rennen auf der Weltbühne habe ich mehr gelernt, mental, physisch und emotional mit den Herausforderungen umzugehen.“

Solche Sätze belegen, dass McIntosh sich noch lange nicht am Ende ihrer Entwicklung befindet. Aber auch, dass sie bereit ist, in Paris weiter auf der Erfolgswelle zu schwimmen. Der Sommer von Summer ist längst noch nicht vorbei.

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Erstellt:
30. Juli 2024, 13:58 Uhr

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