TSG Backnang Basketball: Ein klangvoller Name gibt nun den Takt vor
Mit Janina Kuczmann-Orth trainiert die Landesliga-Männer der TSG eine Ex-Zweitliga-Basketballerin, deren Eltern fürs deutsche Nationalteam auf Korbjagd gingen. Die 33-Jährige löst Lukas Oesterle und ihren Mann Stefan Orth ab, die als Spieler in Backnang aber am Ball bleiben.
Von Uwe Flegel
„Meine Eltern haben alles versucht, damit mein Bruder und ich ihnen nie vorwerfen können, dass wir unbedingt Basketball spielen mussten“, sagt Janina Kuczmann-Orth und schmunzelt. Vermutlich hat die 33-Jährige die Frage einfach schon sehr oft beantworten müssen, wie es sich für jemanden lebt, dessen beide Eltern im deutschen Basketballsport so klangvolle Namen wie Maria und Achim Kuczmann haben. Beide trugen das Trikot der deutschen Nationalmannschaft und genießen in ihrer Heimat rund um Leverkusen eine Art Legendenstatus. Tochter Janina wiederum macht nun hier im Schwabenland dem Backnanger Männerteam Beine. Das will in seiner zweiten Landesliga-Runde den siebten Rang aus der Premierensaison noch verbessern.
Auch deshalb hat sich die TSG auf der Trainerposition verändert. Die bisherigen Spielertrainer Lukas Oesterle und Stefan Orth wollen sich auf ihre Rolle als Spieler konzentrieren. Den Job als Coach hat nun eine Frau inne, die als Basketballerin Erfahrung aus der Zweiten Bundesliga mitbringt. Eine Frau, bei der der orangefarbene Ball vielleicht nicht gerade in der Wiege lag, vermutlich aber nicht arg weit weg. Der Name Kuczmann steht bei Kennern nicht nur in Leverkusen, sondern auch bundesweit für Basketball. Vater Achim und Onkel Bodo zum Beispiel wurden mit TuS 04 in den 70ern sowohl in der Jugend wie bei den Männern deutscher Meister. Mutter Maria gelang das mit Leverkusen sowie Agon Düsseldorf insgesamt achtmal. Bruder Michael brachte es für die mittlerweile unter dem Namen Bayer Giants auf Korbjagd gehenden Riesen vom Rhein auf mehr als 200 Spiele in der Pro A und der Pro B, der zweiten und dritten Liga in Deutschland.
Mit 13 Jahren fiel die Entscheidung, sich auf Basketball zu konzentrieren
Warum also sollte ausgerechnet Janina Kuczmann-Orth aus der familiären Reihe schlagen? „Ich habe es zumindest versucht“, sagt sie und lacht. Außer Basketball standen bei ihr Schwimmen und Tennis auf dem regelmäßigen Sportprogramm. Irgendwann einmal war dann aber Schluss mit dem Sprung vom Startblock ins kühle Nass und mit 13 war auch die Lust auf den großen Ball deutlich größer als auf die kleine Tenniskugel. Gene lügen eben nicht.
Als Spielerin stand Kuczmann-Orth in Opladen und später in Ludwigsburg in der Zweiten Bundesliga auf dem Parkett. Als Schiedsrichterin pfiff sie zudem hoch bis in die erste Regionalliga. Dazwischen gab es allerdings immer mal wieder Pausen. Weil sie zum Beispiel im Rahmen ihres Studiums in Lippstadt lebte. „Dort gab es aber kein Frauenbasketball“, erzählt die 33-Jährige. Also trainierte sie bei dem dortigen Männer-Landesligisten mit, durfte bei Punktspielen allerdings nicht mitmachen, da der Verband das nicht erlaubt. Vor gut sieben Jahren kam die gebürtige Leverkusenerin dann im Rahmen ihres dualen Studiums ins Murrtal – und ist dort bis heute geblieben. „Es hat mir hier sehr gut gefallen und im Job bei d&b Audiotechnik hat es auch gepasst“, berichtet die Projektmanagerin.
Für die TSG war es ein Glücksfall. Denn mit ihr kam auch Ehemann Stefan Orth, der als Jugendlicher mit dem Nachwuchs von Bonn/Rhöndorf in der Bundesliga gespielt hatte und anschließend ebenfalls höherklassig am Ball war. Nach dessen Einstieg bei den sogenannten Cool Blues war auch seine Frau regelmäßig in der Halle. Erst recht, nachdem Janina Kuczmann-Orth im Frühjahr 2022 in Ludwigsburg aufhörte. „Eigentlich war ich bei jedem Backnanger Spiel dabei“, erzählt Kuczmann-Orth und sagt: „Irgendwann kam dann Lukas Oesterle auf mich zu und fragte, ob ich nicht Trainerin des Männerteams werden will.“
Die Antwort fiel positiv aus, war aber kein Schnellschuss: „Ich habe mir das schon lange überlegt und mein Mann musste einverstanden sein.“ Nicht jeder Ehe tut es gut, wenn ein Partner dem anderen den Marsch bläst – selbst wenn es nur in sportlichen Dingen ist. Vier Wochen nach dem ersten Training lautet die Zwischenbilanz der Übungsleiterin: „Es macht mir wirklich richtig Spaß. Die Jungs ziehen mit und sind motiviert. Es hat sicher auch geholfen, dass sie mich schon kannten.“ Als Mensch, nicht wegen des prominenten Nachnamens.
Auf jeden Fall hat Janina Kuczmann-Orth ausreichend Erfahrung, um das zu beurteilen, was sich bei der Basketballabteilung der TSG in den vergangenen fünf, sechs Jahren entwickelt hat. „Man spürt, hier rollt was an“, lautet die klare Aussage. Auch ihre Eltern seien schon in der Halle gewesen, um sich anzuschauen, was in der neuen Heimat der Tochter sportlich läuft. Es scheint zu passen. Denn die 33-Jährige hat es nicht davon abgehalten, als Trainerin den Takt vorzugeben, wenn Backnangs Landesliga-Männer auf Korbjagd gehen.
Die Tochter Janina Kuczmann-Orth wurde am 29. August 1989 in Leverkusen geboren. Sie spielte fürs BBZ Opladen Hawks zwischen 2006 und 2010 in der zweiten Liga, pausierte dann länger und war von 2019 bis 2022 in Ludwigsburg erneut in der zweiten Liga am Ball.
Der Vater Achim Kuczmann war zum Zeitpunkt der Geburt seiner Tochter bereits Coach der Bundesliga-Frauen von Bayer 04 Leverkusen und Bundestrainer der Frauennationalmannschaft. Zwischen 1974 und 1978 bestritt der Point Guard selbst vier Länderspiele für Deutschland. Von 1971 bis 1984 absolvierte er für Leverkusen 302 Bundesliga-Spiele, in denen er 1926 Punkte erzielte. Ab 1988 war er bis 2019 für Bayer, die kurzfristig Giants Düsseldorf hießen und seither Bayer Giants Leverkusen heißen, als Chef- und Co-Trainer sowie Geschäftsführer tätig. Als Spieler war er viermal deutscher Meister. Als Coach wurde er in der Saison 2007/2008 Trainer des Jahres in der Bundesliga.
Die Mutter Maria Kuczmann wurde vom Basketballmagazin BIG vor einigen Jahren bei einer Wahl der 25 besten deutschen Basketballerinnen aller Zeiten auf Rang 18 gewählt. Die gebürtige Leverkusenerin bestritt 150 Länderspiele für Deutschland zwischen 1976 und 1988. Sie nahm unter anderen an der Weltmeisterschaft 1980 sowie den Europameisterschaften 1981 und 1983 teil. Auf Vereinsebene wurde die Aufbau- und Flügelspielerin mit dem TuS 04 Leverkusen 1978 und 1979 deutsche Meisterin. Mit DJK Agon 08 Düsseldorf holte sie sechs weitere Meistertitel. Mit Düsseldorf stand sie zudem 1983 und 1985 im Europapokal-Endspiel. Darüber hinaus wurde Kuczmann fünfmal DBB-Pokal-Siegerin.