TSG Backnang hat keine Lust auf die nächste lange Zitterpartie

Nach der Rettung am letzten Spieltag der Vorsaison kann es für den Fußball-Oberligisten erneut kein anderes Ziel als den Klassenverbleib geben. Trotz des Verlusts mehrerer Leistungsträger ist Trainer Mario Klotz aber überzeugt, dass es klappt – möglichst nicht wieder erst auf der Zielgeraden.

TSG-Trainer Mario Klotz schwört seinen Kader, zu dem wieder viele neue Gesichter gehören, auf die neue Saison ein. Am Samstag geht es mit einem Heimspiel gegen den Aufstiegsaspiranten aus Pforzheim los. Fotos: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

TSG-Trainer Mario Klotz schwört seinen Kader, zu dem wieder viele neue Gesichter gehören, auf die neue Saison ein. Am Samstag geht es mit einem Heimspiel gegen den Aufstiegsaspiranten aus Pforzheim los. Fotos: Tobias Sellmaier

Von Steffen Grün

Der Druck, der auf Backnang lastete, hätte kaum stärker sein können. Die TSG musste die letzte Partie der vergangenen Runde gewinnen, um auf alle Fälle in der Oberliga zu bleiben. Bereits ein Remis hätte bedeutet, als Drittletzter von Großaspachs Regionalliga-Aufstieg in der Relegation abhängig zu sein. Weil der später ausblieb, war das 3:1 gegen Rielasingen-Arlen umso wichtiger, brachte sogar noch den Sprung auf Rang 13 im Feld der 18 Teams und löste einen Freudentaumel aus. Schon damals war aber klar, dass mit Sebastian Gleißner und Mert Tasdelen, die alle drei Tore erzielt hatten, und Jannik Dannhäußer drei weitere Leistungsträger gehen und sich der heftige Umbruch von 2022 damit nahtlos fortsetzt. Wie diese Verluste aufzufangen sind, wie der Ligaverbleib trotzdem wieder realisiert werden kann und wer die Rivalen im Keller sind, dazu hat sich Trainer Mario Klotz geäußert.

Der abermalige Aderlass 21 Siege, 68 Punkte und Platz drei in der Oberliga hinter Freiberg und den Kickers: Die Mammutsaison 2021/2022 mit 20 Vereinen und 38 Partien wird in der TSG-Chronik immer einen besonderen Stellenwert haben. Weil einige Leistungsträger das Interesse anderer Klubs weckten, markiert diese Runde zugleich den Schlusspunkt eines steilen Aufwärtstrends. Der Substanzverlust durch die Abgänge von Spielertrainer Mario Marinic und Loris Maier, die beinahe die Hälfte der 89 Tore beigesteuert hatten, sowie von Niklas Pollex und Leon Maier, um nur die vier schmerzhaftesten Beispiele zu nennen, war so groß, dass aus einer Spitzenmannschaft ein Abstiegskandidat wurde. Der verpatzte Start kostete den neuen Coach David Pfeiffer schnell den Job. Unter dem Interimsduo Oguzhan Biyik/ Isaak Avramadis und ab dem Neustart nach der Winterpause unter Mario Klotz holten die Roten gerade so viele Punkte, dass sie ihre vierte Oberliga-Saison in Serie und die sechste seit 2017 in Angriff nehmen dürfen.

Und nun also der zweite Teil des Aderlasses, denn mit Jannik Dannhäußer, Sebastian Gleißner und Mert Tasdelen verabschiedeten sich drei weitere Protagonisten des einstigen Topteams. Zudem sagte Marco Rienhardt, der im Sturm das Marinic-Erbe angetreten und immerhin 14 Tore erzielt hatte, nach nur zwölf Monaten wieder Servus. „Das sind qualitative Verluste, das lässt sich nicht wegdiskutieren“, sagt Trainer Mario Klotz. „Das waren Stützen des Teams, vor allem in der Rückrunde. Uns gehen viel Oberliga-Erfahrung und viele Tore verloren.“ Der 38-Jährige betrachtet die Abgänge aber auch als Chance für die verbliebenen Spieler, in der Offensive beispielsweise für Flavio Santoro oder Gianni Mollo: „Sie haben die Möglichkeit, in diese Rollen reinzuwachsen.“ Dasselbe gilt für die anderen Mannschaftsteile.

Die bisherigen Zugänge Keeper Enrico Caruso, der vom Bayernligisten Deisenhofen kam, übernimmt die Planstelle von Julian Guttenson. Der Konkurrenzkampf zwischen dem Neuen und Platzhirsch Marcel Knauß „ist voll im Gange“, verrät Klotz. „Sie sind auf Augenhöhe.“ In den WFV-Pokal-Partien durfte Caruso in Satteldorf (2:1) ran, in Fellbach (3:2 n.V.) stand Knauß im Kasten. Die Entscheidung oder zumindest die offizielle Verkündung, wer beim Oberliga-Auftakt am Samstag gegen Pforzheim die Nummer eins ist, steht aber noch aus. Der TSG-Coach und der neue Torwarttrainer Daniel Siegler lassen sich nicht in die Karten schauen.

Talha Özen von Verbandsliga-Aufsteiger Türkspor Neckarsulm könnte Jannik Dannhäußer als linker Verteidiger beerben. Der vor allem auch als Innenverteidiger einsetzbare Niklas Mahler vom Ligarivalen Bissingen ist eine zusätzliche Option. Vorrangig für das zentrale Mittelfeld, also die Sechser- und Achterpositionen, wurde bislang ein Trio verpflichtet. Loris Hoffmann, wie Mahler in Bissingen abgeworben und dort zur Oberliga-Stammkraft gereift, spielte bereits in der Jugend für die TSG. Um ein Talent handelt es sich bei Lukas Hornek aus der U 19 der SG Sonnenhof. Dagegen bringt David Müller mit 31 Jahren die geballte Erfahrung aus fünf Dritt-, 169 Regional- und 66 Oberliga-Spielen für den VfB Stuttgart II, Schalke 04 II, Rödinghausen, die Stuttgarter Kickers und Freiberg mit. Er hat das Zeug zum Leitwolf, aber es gibt eine Unbekannte: Wie lange dauert es nach der langen Verletzungspause (bislang letztes Pflichtspiel im September 2021), bis der in Esslingen geborene Akteur wieder bei 100 Prozent angelangt ist? „Wir hoffen, dass er seine Klasse aufs Feld bringen kann“, sagt Mario Klotz. Macht der Körper mit, spricht vieles dafür.

Dasselbe gilt für Tim Pöhler, der es für die Sport-Union Neckarsulm in der vergangenen Oberliga-Runde auf fünf Tore in 20 Spielen brachte, ehe er den zweiten Saisonabschnitt verletzungsbedingt komplett verpasste. Bislang sieht es gut aus: Der 24-jährige Angreifer traf in beiden Pokalduellen. Frischen Wind auf den offensiven Flügeln verspricht sich die TSG von Leon Leuze, der aus Freiberg zu seinem Jugendklub zurückgekehrt ist, und vielleicht bald von Rafael Terpsiadis, der für die U 19 der Stuttgarter Kickers in der Bundesliga aktiv war und beim Etzwiesenverein im Gespräch ist.

Die TSG Backnang hofft, dass Tim Pöhler seine Torjägerqualitäten weiterhin so wie in den beiden bisherigen WFV-Pokal-Spielen zeigt.

© Tobias Sellmaier

Die TSG Backnang hofft, dass Tim Pöhler seine Torjägerqualitäten weiterhin so wie in den beiden bisherigen WFV-Pokal-Spielen zeigt.

Die verbliebenen Wünsche Den Kader bilden derzeit 19 Feldspieler und drei Torhüter, aber drei weitere Zugänge könnten laut Mario Klotz noch dazustoßen. „Es ist klar, dass wir noch einen Stoßstürmer brauchen“, betont der Coach und verweist auf den Abgang von Marco Rienhardt, der jetzt im Libanon auf Torejagd geht. Bedarf sieht er zudem auf den offensiven Außenbahnen, dort wäre Terpsiadis eine weitere Alternative. Abgesehen davon sind die bisherigen neun Neuen mitsamt dem dritten Keeper Adis Hamidovic bereits eine stattliche Zahl, aber zwei Aspekten geschuldet. Zum einen verließen neben den erwähnten Leistungsträgern auch der vor allem als Joker oft gefragte Niklas Kalaftis und mehrere Ergänzungsspieler den Verein. Zum anderen gibt es die Fragezeichen um die Anlaufzeiten von David Müller und Tim Pöhler nach ihren längeren Zwangspausen, den Muskelfaserriss von Leon Leuze bei seinem ersten Einsatz im Testspiel gegen Waiblingen und die Verletzung von Niklas Benkeser aus den letzten Wochen der Vorsaison, die ihn noch eine Weile in die Zuschauerrolle zwingt.

Die Bilanz der Vorbereitung Im Winter hat Mario Klotz damit angefangen, sein neues Team mit seinen Vorstellungen vertraut zu machen. Dieser Prozess wurde mit dem Ende der Sommerpause nahtlos fortgesetzt, „aber jetzt kenne ich die Mannschaft schon besser und der hart erkämpfte Klassenverbleib hat uns zusammengeschweißt. Das ist für alle Spieler ein großer Schritt in der Persönlichkeitsentwicklung“, sagt der 38-Jährige. „Wir hoffen, dass wir von diesen Erfahrungen profitieren und gefestigt in die Runde starten.“ Das Fazit zur Vorbereitung fällt positiv aus, vor allem das Trainingslager in Gensingen war für die Arbeit im taktischen Bereich, für die Integration der Zugänge und für das Teambuilding ein Meilenstein. „Die dünne Personaldecke war der einzige Wermutstropfen“, klagt der TSG- Trainer, der mit seinem Team trotzdem in die dritte WFV-Pokal-Runde gekommen ist. Nun entspannt sich die Lage langsam auch.

Eine mögliche Achse „Julian Geldner geht als Kapitän voran und ist eine absolute Stütze, wenn er gesund ist“, betont Mario Klotz die Bedeutung des 26-jährigen Eigengewächses. Auch Innenverteidiger Patrick Tichy gilt in der Regel als gesetzt und „wir hoffen, dass zum Beispiel auch Flavio Santoro und Vincent Sadler in Führungsrollen reinwachsen“. Darüber hinaus setzt Backnangs Trainer auf einen „gesunden Konkurrenzkampf. Jeder muss Vollgas geben.“ In welcher taktischen Grundordnung gespielt wird, lässt Klotz noch offen. Zuletzt in Fellbach war es ein 4-1-4-1, fürs Heimspiel gegen Pforzheim bleibt es noch abzuwarten.

Das Saisonziel Drinbleiben hat oberste Priorität, alles andere wäre angesichts der Vorsaison und des erneuten Umbruchs auch vermessen. „40 Punkte+x“, strebt Mario Klotz an, um möglichst nicht so lange wie in der vergangenen Runde zittern zu müssen und den Ligaverbleib etwas früher unter Dach und Fach zu bringen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir unser Ziel erreichen.“ Als mögliche Rivalen im Keller sieht er fast alle Oberligisten außer den großen vier, die für ihn aus Großaspach, Pforzheim, Göppingen und Villingen bestehen.

Backnangs Oberliga-Bilanz

Aufstieg Als Vizemeister der Verbandsliga-Saison 2016/2017 schafft die TSG in der Relegation den Sprung nach oben. Auf die 2:3-Niederlage im Heimspiel gegen den Freiburger FC folgt im Breisgau ein 4:1-Erfolg und Trainer Markus Lang tritt nach vier Jahren auf dem Höhepunkt ab. Sein Nachfolger Beniamino Molinari führt den Oberliga-Neuling als Zwölfter zum souveränen Klassenerhalt, hört nach einer Runde aber wieder auf.

Abstieg Nach dem Fehlstart und der Trennung von Andreas Lechner legt die TSG unter Evangelos Sbonias eine furiose Aufholjagd hin, doch dem Fünften der Rückrundentabelle fehlen am Ende wenige Punkte. Nach zwei Spielzeiten geht es wieder runter.

Rückkehr Backnang führt die Verbandsliga- Tabelle an, als Corona die Saison stoppt. Die TSG um den scheidenden Sbonias wird zum Meister und Aufsteiger erklärt. Die Oberliga-Saison 2020/2021 endet wegen der Pandemie bereits Ende Oktober, der Neuling ist Zwölfter. Platz drei im Jahr darauf ist der Höhepunkt, zuletzt reicht es für Rang 13.

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Erstellt:
3. August 2023, 06:00 Uhr

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