Überraschendes Aus für Mark Warbanoff bei der TSG Backnang

Die Turnabteilung der TSG Backnang und ihr seit 2015 amtierender Männercoach gehen getrennte Wege, weil ein Teil des Drittliga-Teams mit dem ehrgeizigen 43-Jährigen nicht mehr auf einer Wellenlänge funkt. Für Dissonanzen sorgen die Kaderplanung und das Trainingsverhalten.

Mark Warbanoff muss die TSG Backnang verlassen, weil das Verhältnis des Trainers zu einigen Turnern abgekühlt ist. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Mark Warbanoff muss die TSG Backnang verlassen, weil das Verhältnis des Trainers zu einigen Turnern abgekühlt ist. Foto: Alexander Becher

Von Steffen Grün

Dem Trainer nach einem Rauswurf lobende Worte nachzurufen, gehört zum Standardrepertoire der meisten Vereinsfunktionäre. Bei Rainer Böhle sind es nach der Trennung von Mark Warbanoff allerdings mehr als die gängigen Floskeln. „Wir hatten in den vergangenen sieben Jahren eine sehr gute Zusammenarbeit“, betont der Abteilungsleiter der TSG-Turner und sieht in dem Ex-Coach „einen der Garanten“ dafür, dass die Backnanger Männer nach dem Drittliga-Aufstieg in Warbanoffs Premierensaison ein ums andere Mal den Klassenverbleib schafften. „Er ist mit Leib und Seele begeisterter Trainer und will immer das Maximum“, sagt Böhle.

Das hört sich keineswegs so an, als sei es von langer Hand geplant gewesen, die neue Saison ohne ihn in Angriff zu nehmen. Und so kam es für Warbanoff auch überraschend, als ihn die Verantwortlichen darüber informierten. „Es gab keine Anzeichen“, meint der 43-Jährige. „Die Entscheidung kam sehr abrupt.“ Angesichts der Erklärung, dass zumindest ein Teil des Teams nicht mehr auf seiner Wellenlänge ist, war ihm aber schnell klar, dass es sich nicht lohnt, um das Amt zu kämpfen. „Entweder ziehen alle mit oder es geht eben nicht weiter.“ Letzten Endes bestand also Einigkeit darin, besser den sofortigen Schlussstrich zu ziehen. „Ich bin dennoch nicht im Bösen gegangen“, versichert Mark Warbanoff und verrät, wie das letzte Treffen mit seinen Turnern abgelaufen ist: „Ich habe einen Kasten Bier in die Halle gestellt und mich ordentlich verabschiedet.“

Eine Saison wie die vergangene hätte Warbanoff nicht mehr mitmachen wollen

Dass es vor allem der enorme Ehrgeiz des in Winnenden wohnenden Trainers war, der ihn und einige Turner im Lauf der Zeit entzweite, lassen beide Seiten durchblicken. Es sei immer Warbanoffs Ziel gewesen, in der Dritten Liga vorne mitzumischen und vielleicht sogar in die Zweite Bundesliga aufzusteigen, verrät Böhle, „wenn nötig auch mit der Hilfe von Kaderturnern aus dem Kunstturnforum in Stuttgart“. Als es 2021 gelang, mit Gabriel Eichhorn und Marc Plieninger zwei Talente vom Neckar an die Murr zu locken, sprang mit Rang drei die beste Runde in der Ära des Trainers heraus. Als Eichhorn in die Erste Bundesliga gewechselt war und Plieninger aufgehört hatte, ging es prompt steil bergab. In der Vorsaison ließ Backnang nur den Aufsteiger aus München hinter sich und es stimmte Warbanoff keineswegs milder, als sich im Nachhinein herausstellte, dass auch das Schlusslicht drinbleiben darf. „Der letzte Platz wäre eine Blamage gewesen“, konstatiert der Trainer, der alles dafür tun wollte, wieder weiter oben zu landen.

Der auch von ihm ausdrücklich mitgetragene Kompromiss sah lediglich vor, keinen Sportler aus dem Ausland zu holen, wie es andere Drittligisten längst tun. Kontakte zu Kandidaten im Kunstturnforum hatte Warbanoff dagegen längst geknüpft, während es laut Böhle unter den echten Lokalmatadoren in der TSG-Riege eher den Tenor gibt, sich mit Eigengewächsen möglichst lange in der Dritten Liga zu halten. Der Abteilungsleiter scheint sich zwischen diesen beiden Polen zu bewegen. Einerseits ist für ihn anders als für den ehemaligen Trainer „derzeit und wohl auch in den kommenden Jahren der Klassenverbleib das Nonplusultra“. Anderseits ist ihm bewusst, dass selbst das ohne externe Verstärkungen eine Herkulesaufgabe wird. Deshalb schließt er keineswegs aus, auch ohne Warbanoff in Stuttgart die Fühler auszustrecken. „Wir haben weiterhin gute Kontakte zum Kunstturnforum“, sagt Böhle, der von dort aber maximal ein Talent ins Backnanger Team einbauen will: „Wenn es eine Möglichkeit gibt, kann es sein, dass wir das machen.“ Allerdings ohne Eile, denn vorerst soll abgewartet werden, wie sich die Turner der eigenen zweiten Mannschaft in der im Februar beginnenden Verbandsliga-Saison schlagen und wer im Herbst für die nächste Drittliga-Runde infrage kommt.

Die Kaderplanung war aber nicht das einzige Thema, bei dem Warbanoff und ein Teil der Turner verschiedene Auffassungen hatten. Es gab einen „Konflikt über die Art und Weise des Trainingsverhaltens“, behauptet Warbanoff und vergleicht es mit seiner eigenen Aktivenzeit. Er habe fünfmal pro Woche trainiert und es trotzdem mit dem Studium, der Ausbildung, dem Beruf und dem Privatleben in Einklang gebracht. Das sei heutzutage anders und „das hat mich teilweise extrem enttäuscht“. An dieser Stelle hält Böhle ein Stück weit dagegen, denn auch früher hätten manche Turner mit fortschreitendem Alter neue Schwerpunkte gesetzt. Nicht zuletzt deshalb musste 2009 das Regionalliga-Team abgemeldet werden und es blieb als neue Erste lediglich die Verbandsliga-Mannschaft übrig. Ein derartiger Bruch soll in den kommenden Jahren vermieden werden. Warbanoff drückt die Daumen, dass es klappt, denn trotz der Trennung ist es weiterhin ein enges Verhältnis: „Ich werde nirgendwo anders als Trainer anfangen, denn Backnang war für mich eine Herzensangelegenheit.“ Das klingt so, als wäre eine Rückkehr nicht ausgeschlossen. Für die nahe Zukunft muss die TSG-Turnabteilung aber eine andere Lösung für diese Position finden.

Erst an den Geräten und dann am Mattenrand für die TSG im Einsatz

Turner Als Mark Warbanoff im Herbst 2002 vom TV Nellingen, dessen Team sich aufgelöst hatte, zur TSG Backnang kam, brachte er Erst- und Zweitliga-Erfahrung mit. Er trug auf Anhieb zum Aufstieg in die Regionalliga bei, die damals die dritthöchste Klasse war und bis zur Reform mitsamt der Einführung der Dritten Liga auch blieb. 2006 gelang mit Mitstreitern wie Sebastian Krimmer, Benjamin Wendler, Heiko Lang oder Steffen Sanzenbacher sogar der Sprung in die Zweite Bundesliga, doch mehr als ein einjähriges Abenteuer sollte es nicht sein. Nach einer weiteren Regionalliga-Saison hörte Warbanoff Ende 2008 mit dem Turnen auf.

Trainer Nach der Auszeit stieg Warbanoff Anfang 2015 in neuer Funktion wieder bei der TSG ein. Er führte die Riege sofort zur Oberliga-Meisterschaft und über den Aufstiegswettkampf in die Dritte Liga, die seitdem die sportliche Heimat von Backnangs Männern ist. Platz drei in der Saison 2021 war der bisherige Höhepunkt.

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Erstellt:
10. Januar 2023, 06:00 Uhr

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