„Unsere Infrastruktur stimmt einfach nicht“

Interview Das Sportgelände in den Etzwiesen in mehrerlei Hinsicht auf Vordermann zu bringen, ist ein großes Ziel, das sich Karl-Heinz Graf als Aufsichtsratschef der TSG-Fußballer gesteckt hat. Zudem will der 66-Jährige den Backnanger Traditionsverein in der Oberliga etablieren.

Karl-Heinz Graf, der Aufsichtsratsvorsitzende der TSG-Fußballer, will aus den Etzwiesen ein modernes Sportgelände machen. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Karl-Heinz Graf, der Aufsichtsratsvorsitzende der TSG-Fußballer, will aus den Etzwiesen ein modernes Sportgelände machen. Foto: A. Becher

Als Tabellenvierter tritt Fußball-Oberligist TSG Backnang am morgigen Samstag um 14 Uhr bei den Stuttgarter Kickers an. Auf dieses Duell im Stadion auf der Waldau freut sich Karl-Heinz Graf bereits, doch im Vorfeld nahm sich der Aufsichtsratsvorsitzende noch Zeit für ein Gespräch über die wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen, die auf den Etzwiesenklub warten.

Haben Sie die Ankündigung von TSG-Spielertrainer Mario Marinic, nach dieser Saison zu gehen, schon verdaut?

Noch nicht wirklich, die Mitteilung hat mich hart getroffen. Mario ist ein feiner Kerl. Ich bin aber auch etwas enttäuscht, weil wir einen Dreijahresvertrag abgeschlossen hatten, sehr erfolgreich sind und er nun nach einer Saison geht. Ich kenne die genauen Hintergründe nicht, aber es ist halt nun mal so. Es ist sehr schade, aber ich wünsche ihm für die Zukunft natürlich trotzdem alles Gute.

Auch viele Spieler dürften das Interesse anderer Vereine geweckt haben. Bricht das Erfolgsteam vielleicht auseinander?

Der Gedanke kam mir auch sofort, aber ich sehe die Gefahr eigentlich nicht und die anderen Verantwortlichen auch nicht. Wir haben einige Spieler mit hohem Potenzial und wenn es einer zu den Profis schafft, freuen wir uns darüber, auch wenn unser Team geschwächt wird. Aber einen Zusammenhang mit dem Marinic-Abschied sehen wir nicht.

Als Sie 1997 TSG-Vorsitzender wurden, wollten Sie aus einem kriselnden Verbandsligisten bis 2002 einen Regionalligisten machen. Es blieb eine Vision. Nun sind Sie der Aufsichtsratschef des Oberliga-Vierten. Klappt es dieses Mal?

Die Regionalliga war damals sogar noch die Dritte Liga. Wenn ich etwas anfange, setze ich mir immer ein Ziel, die damalige Aussage war eine Vision. Ich bin aber sehr schnell auf dem Boden der Tatsachen gelandet und musste erkennen, dass das gesamte Umfeld mit allem, was dazugehört, nicht auf einen Aufstieg in die Regionalliga ausgerichtet ist. Das gilt übrigens bis zum heutigen Tage.

Wenn die Regionalliga nicht das erklärte Ziel ist, wo soll die Reise der Roten in den nächsten Jahren dann hingehen?

Wir kommunizieren gegenüber Sponsoren, Partnern und Freunden stets, dass es unser oberstes Ziel ist, in der Oberliga einen festen Platz zu haben. Das ist für die TSG die beste Liga von allen. Wir haben Derbys, sind Werbeträger in Baden-Württemberg – eigentlich gibt’s nichts Schöneres als Oberliga. Da wollen wir uns etablieren, auch mal vorne mitspielen, aber das Ziel ist nicht der Aufstieg.

Als Vorsitzender haben Sie die mit über 600000 Mark verschuldete TSG gerettet, auch durch den Verkauf von Teilen des Vereinsgeländes an die Stadt. Wo sehen Sie heutzutage als Aufsichtsratsvorsitzender die größten Baustellen?

Das Sportgelände gehört der Stadt, das Vereinsheim und die Tribüne gehören uns. Daher ist unser größtes Thema im Aufsichtsrat der Bau eines neuen Vereinsheims, aber das stockt derzeit etwas. Zum einen wegen des Baus des zweiten Murrtalviadukts, von dem man nicht genau weiß, wann es überhaupt so weit ist. Zum anderen wegen der ständig steigenden Baukosten. Wir sind mit unseren Plänen derzeit in einer Preiskategorie, die wir einfach nicht stemmen können. Deshalb ruht dieses Projekt etwas, bleibt aber unser ganz großes Ziel. Wir wollen das schaffen.

Haben Sie auch Wünsche an die Stadt?

Unsere Infrastruktur stimmt einfach nicht. Ich schäme mich bei Spielen manchmal regelrecht, wenn die Gäste über den mit Pfützen übersäten Parkplatz fahren, sich in der alten Bruchbude umziehen und manchmal sogar kalt duschen müssen, weil kein warmes Wasser kommt. Wir haben nicht genug Trainingsplätze und deshalb die Angst, Kinder wieder nach Hause schicken zu müssen und nicht mehr aufnehmen zu können, weil wir aus allen Nähten platzen. Die Stadt hilft uns auch, so gut sie kann, aber es gibt nicht so viel mehr Plätze, die wir in Backnang benutzen könnten. Wir lagern ja schon aus.

Auch Mario Marinic soll mit den Trainingsbedingungen gehadert haben. Wie kann Abhilfe geschaffen werden?

Unser Hauptthema, an dem wir gerade mit der Stadt dran sind, ist, dass wir endlich auf Platz eins eine Flutlichtanlage bekommen. Ein Oberligist, der in seinem Stadion kein Flutlicht hat – ich weiß nicht, ob es das irgendwo anders überhaupt noch gibt, glaube es aber nicht. Wir sind in guten Gesprächen mit der Stadtverwaltung, aber es dauert und dauert. Ich kann daher nur an den Gemeinderat appellieren, es am Ende auch durchzuwinken. Das ist ein Riesenmanko und ich kann mir vorstellen, dass Mario Marinic als Trainer tatsächlich so ein bisschen an dieser schlechten Infrastruktur verzweifelt ist.

Im Aufsichtsrat sitzen Vertreter namhafter Firmen. Wollen Sie vor allem deren Geld oder geht es noch um mehr?

Ich weiß noch, wie ich in der ersten Sitzung zu all den Mitgliedern gesagt habe, dass wir nicht direkt ihr Geld wollen, sondern vor allem ihr Netzwerk und ihre Erfahrung. So ist es im Grunde genommen auch, aber unser Aufsichtsrat ist wirklich etwas Einmaliges. Es sind gestandene Unternehmer und Manager dabei, mit denen man sich toll unterhalten kann. Unsere Sitzungen sind überaus konstruktiv, machen unheimlich viel Spaß – und weil das so ist, haben fast alle Aufsichtsräte doch schon die Geldbörse aufgemacht. Sie haben Projekte, die wir angeleiert haben, mit Sponsoren finanziert, von denen wiederum viele im Gremium vertreten sind. Wie etwa den Bus für die Jugend, um die Spieler mal am Bahnhof abholen oder zu den Auswärtsspielen fahren zu können.

Die Nachwuchsarbeit genügte einst hohen Ansprüchen, derzeit ist das nicht so. Wie soll sich das wieder ändern?

Ein Riesenthema, das sich der Aufsichtsrat auch zum Teil auf seine Fahne geschrieben hat. Wir wollen, dass jeder Jugendtrainer eine Lizenz hat und es nicht einfach ein Vater macht, der früher mal irgendwo gekickt hat. Das müssen qualifizierte Trainerinnen und Trainer sein. Auf diesem Weg sind wir und es wird richtig gute Arbeit geleistet, die eine oder andere Mannschaft wird diese Saison bereits aufsteigen. Die U 17 ist derzeit unsere Vorzeigemannschaft, aber von den Zeiten, als ich Vorsitzender war, sind wir noch weit weg. Da wurde auch einiges versäumt.

Was versprechen Sie sich von der zweiten Mannschaft, die nächste Saison in der Kreisliga B wieder einsteigen soll?

Das ist ein rein sportlicher Aspekt, zu dem ich wenig sagen kann. Es ist natürlich gut, eine zweite Mannschaft zu haben, aber bezogen auf unsere mangelnde Infrastruktur ist es auch noch einmal eine weitere Belastung für die Platzkapazitäten. Trotzdem ist klar, dass ich sehr gerne eine Zweite habe.

Sie sind ein Roter mit Leib und Seele, in doppelter Hinsicht – als VfB-Fan und als TSG-Aufsichtsratsvorsitzender. Am Samstag geht es gegen die Blauen. Welchen Stellenwert hat das Gastspiel bei den Stuttgarter Kickers für Sie?

Ich finde es einfach nur klasse, dass wir dort oben im Stadion spielen dürfen. Auch wenn die Kickers zu uns kommen, lacht mein Herz als Fußballfan. Es klingt fast lächerlich, aber als ich beim Heimspiel gegen die Kickers in den Etzwiesen war, dachte ich mir, dass ich das noch erleben darf. Ich hoffe, dass unsere Spieler die Partie richtig genießen. Auf dem Kickers-Plakat steht: Spitzenspiel – Kickers gegen TSG Backnang, das haben wir fotografiert. Das kommt in die Annalen der TSG, dass die Partie in Stuttgart als Topspiel beworben wird. Eine ganz, ganz tolle Sache.

Das Gespräch führte Steffen Grün.

Karl-Heinz Graf

Privates Karl-Heinz „Charley“ Graf kam am 2. Mai 1955 in Stuttgart zur Welt. Er wuchs in Schnait auf und wohnt bereits seit 1987 in Auenwald. Der Geschäftsführer einer Werbeagentur hat mit Ehefrau Petra zwei erwachsene Kinder – eine Tochter und einen Sohn.

Sportliches Im Alter von 42 Jahren wurde Graf im September 1997 zum Vorsitzenden der TSG Backnang Fußball gewählt. „Ich bin ein Fußballverrückter und liebe die Herausforderungen“, sagte er damals. Das war nötig, um die Finanzkrise zu bewältigen, die den Verein in seinen Grundfesten erschütterte. Graf blieb bis 2008 im Amt und stellte bei seinem Abschied fest: „Wir sind kerngesund.“ Zudem bewies er zu damaligen Landesliga-Zeiten prophetische Gaben: „Die TSG Fußball und die Stadt Backnang haben die Oberliga verdient.“ Als Vorsitzender des Förderkreises stieg Graf schnell wieder ein, seit September 2020 ist er der Chef des damals neu installierten Aufsichtsrats.

Kulturelles 1991 gründete Graf mit einigen Freunden den Förderverein Kleinkunstbühne in Auenwald. Es war der Beginn der Erfolgsgeschichte Gruschtelkammer, die bis heute eine Institution ist. Fast alle Größen der deutschen Kabarettszene traten schon in der Sängerhalle in Oberbrüden auf, auch Comedy und Musik haben ihren Platz. Als besondere Highlights sind Graf die Auftritte von Richard Rogler und Konstantin Wecker sowie die Lesung mit Tatort-Kommissar Udo Wachtveitl in Erinnerung geblieben.

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Erstellt:
4. März 2022, 06:00 Uhr

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