Viel zu tun rund um das Risikospiel

Beim Heimduell der TSG Backnang in der Fußball-Oberliga am Sonntag um 14 Uhr gegen den SSV Reutlingen wird die Polizei präsent sein, weil mit Problemfans der Gäste und mit ihnen befreundeten VfB-Anhängern gerechnet wird. Der Etzwiesenverein trifft ebenfalls seine Vorkehrungen.

Reutlingens Szene E war beim Skandalspiel im August 2018 in den Etzwiesen vor Ort und kündigt sich für Sonntag erneut an. Foto: A. Becher

© Sportfotografie Alexander Becher

Reutlingens Szene E war beim Skandalspiel im August 2018 in den Etzwiesen vor Ort und kündigt sich für Sonntag erneut an. Foto: A. Becher

Von Steffen Grün

Mit dem SSV Reutlingen hat die TSG Backnang bereits ihre Erfahrungen gemacht. Vor allem mit dem 20. Mai 1991 verbinden sich tolle Erinnerungen. Damals gewannen die Roten das WFV-Pokal-Finale an der Kreuzeiche mit 2:1, die Treffer erzielten Armin Scheiffele und Markus Sailer. In den vergangenen fünf Jahren gab es fünf Oberliga-Partien sowie ein Pokalduell zwischen beiden Vereinen. Zweimal siegte die TSG, dreimal der SSV, ein Spiel endete remis – hängen geblieben ist aber allen voran das unsägliche Verhalten einiger Reutlinger „Fans“.

Es fing nach Backnangs 2:1-Auswärtserfolg im September 2017 an, als der Bus der Gäste nur mit Polizeigeleit und ohne Licht aus dem Stadion fahren konnte. Das 2:2 im Rückspiel im März 2018 wurde von einem großen Polizeiaufgebot begleitet. Dazu kam die strikte Fantrennung, die mit Bauzäunen gewährleistet und von einem eigens engagierten Sicherheitsdienst überwacht wurde. Eine kostspielige Sache für den Etzwiesenverein, die sich fünf Monate später wiederholte und in dem Fall trotzdem nicht verhinderte, dass die Lage eskalierte. Ein SSV-Anhänger verpasste TSG-Ersatztorwart Michael Quattlender einen Schlag, ein anderer erwischte Backnangs Assistenzcoach mit einem Bierbecher – und das waren nur die übelsten Szenen. Der Einspruch der Hausherren gegen ihre 0:1-Niederlage wurde als „unbegründet“ verworfen, der anfängliche Dreipunkteabzug für Reutlingen vom Oberliga-Berufungsgericht wieder kassiert. Was übrig blieb, waren Geldstrafen: Der ehemalige Zweitligist musste 1000 Euro berappen, die TSG wegen unzureichender Sicherheitsvorkehrungen immerhin noch 200 Euro.

Reutlingens erstes Gastspiel in Backnang seit mittlerweile gut dreieinhalb Jahren

Seit diesen Vorgängen im August 2018 ist es am Sonntag um 14 Uhr das erste Mal, dass Reutlingen wieder unter dem Murrtalviadukt gastiert. Insofern ist es keine Überraschung, dass die Polizei, die Stadt Backnang und die TSG-Vertreter im Sicherheitsgespräch zu dem Ergebnis kamen, die Partie als „Risk-Spiel“ einzustufen, auch wenn es vonseiten des Württembergischen Fußballverbands heißt, dass die Oberliga-Spielzeit „bislang verhältnismäßig ruhig verlaufen ist“, auch mit Blick auf den SSV Reutlingen. Dies sei „aufgrund der Erfahrungen aus den Vorjahren und der aktuellen Lagebeurteilung, insbesondere was die Fanzusammensetzung anbelangt“ geschehen, teilt Holger Bienert vom Polizeipräsidium Aalen mit. Es ist noch eine Stufe unter dem „High-Risk-Spiel“ und bedeutet nach den Richtlinien und Konzeptionen zur Bewältigung von Fußballeinsätzen in Baden-Württemberg, „dass mit dem Eintreten polizeilicher Gefahrenlagen wahrscheinlich zu rechnen ist“.

Nicht zuletzt wohl deshalb, weil zahlreiche SSV-Fans erwartet werden und damit auch die Gefahr wächst, dass einige Problemfälle dabei sind. „Alle nach Backnang! Zusammen kämpfen, gemeinsam siegen“, heißt es in einem Aufruf der Ultra-Gruppierung Szene E, die als Treffpunkt um 10.15 Uhr den Hauptbahnhof in Reutlingen nennt. Man wolle dem Team im Abstiegskampf den Rücken stärken und es „mit allem unterstützen, was wir haben“. Da die Szene E mit dem Commando Cannstatt befreundet ist und der VfB an diesem Wochenende in der Länderspielpause ist, könnten zudem Stuttgarter Anhänger angelockt werden.

Zu ihren Hauptaufgaben zählt es die Polizei, die Gästefans vom Bahnhof zum Stadion und zurück zu begleiten, um Verkehrsbeeinträchtigungen weitgehend zu verhindern. Zudem gelte es, die Fantrennung zu sichern, Flucht- und Rettungswege freizuhalten, Ordnungswidrigkeiten und Straftaten zu verfolgen. Bienert hält sich bedeckt, was die Zahl der vorgesehenen Beamten betrifft. Der Einsatz liege in den Händen des örtlichen Reviers, das durch Kräfte des Polizeipräsidiums unterstützt wird, „mitunter durch die dortige Reiterstaffel“.

Neben der Polizei bereitet sich aber auch die TSG Backnang auf das Spiel am Sonntag vor. Cedric Gall, verantwortlich für das Verwaltungsressort Organisation, berichtet von einem „deutlich größeren Bedarf an ehrenamtlichen Helfern und erheblichen Zusatzkosten“. Ersteres hat zum Beispiel mit zusätzlichen Ordnern sowie mit den getrennten Eingängen und der jeweiligen 3-G-Kontrolle zu tun. Letzteres erklärt sich etwa mit dem privaten Sicherheitsdienst, den die Roten engagieren mussten, oder mit der Miete für mobile Toiletten. Die Zäune, um den Gästebereich von den TSG-Fans abzutrennen, baute die Oberliga-Elf unter Leitung des Teamkoordinators Michael Quattlender und Vorstandsmitglied Uli Schäufele auf. Wenn man so will eine zusätzliche Trainingseinheit, die zum Heimsieg führen soll.

Die sportlichen Aspekte

Heimstärke Alle drei Partien, die Oberligist TSG Backnang zu Hause im neuen Jahr bestritten hat, endeten mit Siegen – 4:0 gegen Lörrach-Brombach, 4:0 gegen Oberachern, 4:1 gegen Walldorf II. „Wir wollen die Serie ausbauen, aber das wird kein Selbstläufer“, warnt Spielertrainer Mario Marinic. Etwa deshalb nicht, weil es in den Etzwiesen nun erstmals 2022 auf den Rasen geht, obwohl bis zuletzt auf Kunstrasen trainiert wurde.

Gäste Während die TSG als Vierter zuletzt sogar Spitzenreiter Freiberg einen Punkt abknöpfte, holte Reutlingen aus sechs Spielen seit der Winterpause nur einen Zähler. Die Folge: Als 13. schwebt der SSV wieder in Abstiegsgefahr. Trainer Maik Schütt legte sein Amt anfangs dieser Woche nieder. Ihn ersetzen Albert Lennerth (U 17) und Maik Stingel (U 19), die eigentlich erst zur neuen Saison übernehmen sollten. Mit dem Wechsel seien seine Pläne „Makulatur“, meint Marinic. Er erwartet nun „eine gewisse Wundertüte“.

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Erstellt:
25. März 2022, 06:00 Uhr

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