Ruderer gewinnt in Paris 2024

Was den Olympiasieg von Oliver Zeidler so emotional macht

Es flossen Tränen ohne Ende. Oliver Zeidler hat in Paris den lange ersehnten Olympiasieg geschafft. Warum das Gold des Ruderers so unglaublich emotional war.

Emotionaler Olympiasieg: Ruderer Oliver Zeidler jubelt mit seiner Goldmedaille – und ganz innig mit seiner Freundin Sofia Meakin.

© imago//Sarah Phipps

Emotionaler Olympiasieg: Ruderer Oliver Zeidler jubelt mit seiner Goldmedaille – und ganz innig mit seiner Freundin Sofia Meakin.

Von Dirk Preiß

Er war erleichtert und glücklich. Beseelt und dankbar. Ergriffen und stolz. Und die Tränen kamen wieder und wieder. „Das ist das, was ich mir über die letzten drei Jahre mit viel Schweiß und Tränen erarbeiten musste“, sagte Oliver Zeidler, „es fühlt sich wahnsinnig gut an.“ Und es bestand keine Frage: Der Triumph des Ruderers aus München war der emotionalste deutsche Olympiasieg bisher in Paris – trotz der unfassbaren Dominanz und Stärke, die der Hüne auf dem Wasser des Stade Nautique etwas außerhalb von Paris gezeigt hatte. Aber: warum eigentlich?

Wegen des Traumas von Tokio. Vor drei Jahren schon galt Zeidler als einer der absoluten Favoriten für die Goldmedaille in der prestigeträchtigen Einer-Disziplin. Doch in Japan erlebte er sein persönliches Debakel. Im Halbfinale scheiterte der noch eher unerfahrene Ruderer an den schwierigen Bedingungen – und vermutlich auch ein bisschen an sich selbst. Wie stark er eigentlich schon damals war bewies er nach dem Aus im Halbfinale vor drei Jahren mit seinem Sieg im B-Finale. Aufgrund dieser Vorgeschichte war in Paris das Halbfinale die mental wohl größere Herausforderung als der Endlauf um die Medaillen. „Da ging es mir am schlechtesten“, gab er nach seiner Goldfahrt zu.

Wegen seiner Vorgeschichte. Oliver Zeidler, mittlerweile 28 Jahre alt, ist kein Ruderer von klein auf – obwohl er aus einer Familie stammt, die den Sport auf dem Wasser verkörpert, wie kaum eine andere. Schon sein Großvater Hans-Johann Färber ist Olympiasieger geworden (1972), ebenso seine Tante Judith Zeidler (1988 für die DDR). Sein Onkel Matthias Ungemach wurde Weltmeister (1990), auch der Vater Heino, seit Jahren sein Trainer, ruderte bei Weltmeisterschaften. Doch Oliver Zeidler hatte ein anderes Ziel: Olympische Spiele als Schwimmer. Das verpasste er 2016 – und wechselte ins Ruderboot. Als „Zufall und Glück“ bezeichnete er das am Samstag, denn: „Nicht jeder Schwimmer, der ins Ruderboot steigt, kommt gleich so gut klar.“

Wegen der Liebe. Gleich, nachdem er sein Boot nach dem Siegerrennen am Samstag verlassen hatte, legte Oliver Zeidler noch einen kurzen Lauf hin – dann sprang ihm seine Freundin Sofia in die Arme. Er hielt sie hoch, die beiden küssten sich, sie standen eine gefühlte Ewigkeit eng umschlungen am Rande der Ruderstrecke und schienen alles drumherum in diesem Moment zu vergessen. „Sie macht mich einfach glücklich“, sagte Zeidler später über die Schweizerin, die ebenfalls Ruderin und in Paris Ersatzfrau ist. Aufgrund dieser Sportlerkarrieren führen die beiden eine Fernbeziehung, berichtete der Olympiasieger – und sagte mit bebenden Lippen: „Das ist nicht immer leicht.“ Zuletzt sei die eine „große Unterstützung“ gewesen, auch in den Nächten vor dem Halbfinale und Finale waren sie zusammen, in Sofias Hotelzimmer und nach Absprache mit Vater und Trainer Heino Zeidler. „Dafür bin ich dankbar“, sagte Zeidler – und ergänzte: „Sie hat mir auch die Leichtigkeit gegeben, die mir manchmal gefehlt hat.“ So brachte ihn auch die Verschiebung seines Rennens am Samstag um eine Stunde nicht mehr aus der Ruhe.

Wegen der Niederlage in Luzern. Kurz vor den Spielen hatte der bereits dreifache Weltmeister einen Dämpfer hinnehmen müssen – der Niederländer Simon van Dorp (in Paris Dritter) bezwang ihn auf dem Rotsee. Aber: Zeidler begann nicht zu zweifeln, sondern zog daraus Kraft. „Ich hatte zwar verloren, aber es war knapp – und ich wusste: wenn ich nicht zu viel will, dann klappt es“, erklärte er. Vor dem olympischen Finale habe er dann nach links und rechts geschaut – und gewusst: „Von denen hat mich nur eine einzige Person einmal geschlagen in den vergangenen drei Jahren.“ Daraus zog er noch einmal Selbstvertrauen vor dem Start. Und dann? „Bin ich losgeflogen.“ Und keiner konnte folgen.

Wegen der Ziele. Zwischen seinen Schulterblättern trägt Oliver Zeidler seit rund drei Jahren ein Tattoo. Es ist nach den Spielen von Tokio entstanden, zeigt die Olympischen Ringe. Das heißt zweierlei: Einerseits ist er stolz, es schon damals zu den Spielen geschafft zu haben. Es ist aber auch Ausdruck des Bekenntnisses, es nach dem Drama von Tokio weiter zu versuchen. Kommt nun ein weiteres dazu? „Nein“, sagte Zeidler lachend, „mit Tattoos bin ich durch.“ Nicht aber mit Olympia. Das überwältigende Gefühl vom Samstagvormittag will er am liebsten noch einmal erleben – 2028 in Los Angeles. „Es waren in Paris zwei Rennen für die Ewigkeit, ich habe den Zuschauern eine gute Show geboten“, sagte Zeidler, „aber ich habe Lust auf mehr.“ Mit einer zweiten Goldmedaille wolle er sich „endgültig in die Geschichtsbücher eintragen.“ 

Möglich scheint das, so stark und dominant, wie Oliver Zeidler den ersten deutschen Triumph im Einer seit 1992 (Thomas Lange) angefahren hat. Den magischen Moment vom ersten Olympiasieg wird der 2,03 Meter große Kraftprotz zwar nicht mehr erleben. Eines ist aber sicher: Emotional wird es auch beim zweiten Mal.

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Erstellt:
4. August 2024, 14:22 Uhr

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