Zeidler, Neugebauer und Co.

Wer holt die deutschen Olympia-Medaillen?

Das deutsche Team hinkt den Medaillen-Erwartungen bei den Olympischen Spielen bisher noch hinterher. Neben Ruderer Oliver Zeidler hat das Team D noch einige weitere Asse im Ärmel.

Oliver Zeidler  ist eine der großen deutschen Gold-Hoffnungen.

© dpa/Sebastian Kahnert

Oliver Zeidler ist eine der großen deutschen Gold-Hoffnungen.

Von Jochen Klingovsky

Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass die Granden des deutschen Sports am Dienstagmorgen mit leichter Besorgnis auf die Ruderstrecke im Pariser Vorort Vaires-sur-Marne geblickt haben. Dort stand das Viertelfinale im Einer-Wettbewerb an – mit Oliver Zeidler, der zwar einer der besten Ruderer der Welt ist, aber auch immer mal wieder gut für einen Aussetzer. Diesmal zog er nach einer souveränen Leistung ungefährdet ins Halbfinale am Donnerstag ein, den Verantwortlichen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) aber nahm dieser kleine Erfolg nur eine ihrer Sorgenfalten. Schließlich ist bei den Spielen an der Seine längst nicht alles im Fluss.

Gut, nach vier Wettkampftagen ist es zu früh, um eine Zwischenbilanz zu ziehen – einerseits. Andererseits zeichnet sich jetzt schon ab, dass es sehr schwierig wird, erneut wie 2021 in Tokio 37 Medaillen zu holen, und damals war es schon ein Minusrekord.

Weniger positive Überraschungen

Dass es in Paris nicht rund läuft, hat wenig zu tun mit den Missgeschicken von Mountainbiker Luca Schwarzbauer, den im Rennen ein rätselhafter Ausschlag befiel, oder Tischtennisspielerin Nina Mittelham, die in ihrer Zweitrundenpartie eine Rückenverletzung erlitt. Aber schon damit, dass es bisher erneut nur wenigen deutschen Athletinnen und Athleten gelingt, über sich hinauszuwachsen, eine Überraschung zu schaffen, mehr zu leisten als erwartet. Schwimm-Weltmeisterin Angelina Köhler und Wildwasser-Kanute Sideris Tasiadis, ansonsten ein Garant für Medaillen, haben jedenfalls schon mal dafür plädiert, vierte Plätze mehr zu würdigen. „Es steckt genauso viel Leid und Schweiß dahinter“, sagte Köhler, „nur weil kein Bronze um meinen Hals hängt, heißt es nicht, dass es eine schlechte Leistung ist.“

Dem ist schwer zu widersprechen. Allerdings bemisst sich der Wert eines Sport- und Fördersystems eben auch an der Zahl der Medaillen bei Großereignissen. Und da fällt auf, wer in Paris bislang leer ausgegangen ist: die Schützen, Fechter, Judoka und Wildwasserkanuten (mit Tokio-Olympiasiegerin Ricarda Funk), die in der Vergangenheit stets ihren Teil zum Erfolg des Team D beigetragen haben. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass zwei Gold-Favoriten den hohen Erwartungen gerecht wurden. Schwimmer Lukas Märtens und Vielseitigkeitsreiter Michael Jung sind die bisherigen deutschen Olympiasieger. Weitere Medaillen? Gibt es nicht. Zum Vergleich: Neben den USA liegen auch Frankreich, Japan, China und Großbritannien bei der Zahl der Podestplätze bereits im zweistelligen Bereich.

„Nichts zu verlieren“

Ob es endgültig zum Trend wird, dass im deutschen Team vor allem die hohen Trümpfe stechen? Wird sich in den nächsten Tagen zeigen, wenn weitere große Gold-Hoffnungen dran sind: Zehnkämpfer Leo Neugebauer, Weitspringerin Malaika Mihambo, Bahnradsportlerin Emma Hinze, Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl sowie Freiwasserschwimmer Florian Wellbrock. Und natürlich Oliver Zeidler.

Der Ruderer hat eine olympische Vorgeschichte, die allerdings nur Außenstehende zweifeln lässt. Er selbst hat die Ruhe weg. „Ich habe hier gar nichts zu verlieren“, sagt der dreimalige Welt- und Europameister, „ich bin nicht der Olympiasieger.“ Noch nicht?

Zunächst einmal muss Zeidler an diesem Donnerstag (11 Uhr) das Halbfinale überstehen, wobei es ihm helfen könnte, nicht zu oft an Tokio zu denken. Auch bei den Sommerspielen 2021 war der frühere Schwimmer, der erst seit acht Jahren im Boot sitzt, der Favorit gewesen, dann aber in der Vorschlussrunde bei starkem Wind und hohen Wellen gescheitert. Dass er anschließend das B-Finale gewonnen hat, zeigte umso mehr den Ausmaß dieses nicht vorgesehenen Missgeschicks. Am Selbstbewusstsein von Oliver Zeidler hat diese negative Erfahrung aber nicht genagt. „Ich habe die ganzen Jungs schon mehrfach geschlagen in meiner Karriere“, sagt er mit Blick auf die Konkurrenten, „deshalb gehe ich das hier wie jede andere Regatta an – mit breiter Brust, weil ich weiß, was ich kann.“ Dazu hat auch eine ausgeklügelte Vorbereitung beigetragen.

Vor-Ort-Training

Mit Blick auf Paris 2024 überließ der 28 Jahre alte Münchner nichts dem Zufall. Gleich zweimal trainierte er für jeweils zwei Wochen auf dem See rund 30 Kilometer östlich der französischen Hauptstadt, um sich auf die Bedingungen auf der für unberechenbare Windverhältnisse bekannten Strecke einzustimmen. Mit widrigen Verhältnissen wie in Tokio ist im Halbfinale allerdings nicht zu rechnen. Zudem trifft Zeidler dort auch noch nicht auf seine stärksten Gegner Simon van Dorp (Niederlande) und Thomas Mackintosh (Neuseeland). Seine Aufgabe gegen Olympiasieger Stefanos Ntouskos (Griechenland) und den Olympia-Dritten Damir Martin (Kroatien) scheint einfacher zu sein – die ersten drei der jeweils sechs Ruderer ziehen ins Finale am Samstag ein.

Dass Zeidler ausgerechnet bei der Olympia-Generalprobe vor wenigen Wochen auf dem Luzerner Rotsee erstmals in dieser Saison ein Rennen verloren hat und sich van Dorp geschlagen geben musste, trübt seine Zuversicht nicht: „Er hat einmal gegen mich gewonnen. Ich weiß gar nicht, wie viele Rennen ich gegen ihn gewonnen habe.“

Hört sich so an, als müssten sich die Granden des deutschen Sports um Oliver Zeidler keine allzu großen Sorgen machen.

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Erstellt:
30. Juli 2024, 16:16 Uhr

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