„Tatort“-Vorschau Berlin
Achtung, jetzt ermittelt Corinna Harfouch!
Im Berliner „Tatort“ löst Corinna Harfouch an der Seite Mark Waschkes ihren ersten Fall. Das Erste spendiert ihr zum Einstand mit „Nichts als die Wahrheit“ am Ostersonntag und Ostermontag sogar eine Doppelfolge.
Von Gunther Reinhardt
Die Frau, die mit dem Buch „Polizeiarbeit im Rechtssystem – Herausforderung und Chancen“ das Standardwerk schlechthin geschrieben hat, lässt ihre Dienstwaffe fallen. Zwölf Jahre lang hat sie an der Polizeiakademie jungen Menschen klargemacht, welche Verantwortung sie in ihrem Job tragen. Jetzt versteckt sie sich im Dunkeln, beobachtet Männer, die Waffen aus einem Laster laden, hat Angst, erwischt zu werden.
Mit 62 arbeitet Susanne Bonard, die erst eine große LKA-Nummer war und dann zur Koryphäe der Polizeiausbildung wurde, wieder als Ermittlerin. Zumindest für diesen einen Fall. Sie lernt schnell, dass es zwischen Theorie und Praxis einen Unterschied gibt – und dass bei heimlichen Einsätzen Schuhe mit hohen Absätzen und das Fallenlassen der Waffe zum Problem werden können.
Corinna Harfouch als Meret Beckers Nachfolgerin
Corinna Harfouch hat als Susanne Bonard ihren ersten Einsatz als Ermittlerin im Berliner „Tatort“. Mark Waschke als Robert Karow bekommt damit nach dem Abschied von Meret Becker wieder eine neue Partnerin. Zu Harfouchs Einstieg spendiert das Erste den beiden die Doppelfolge „Nichts als die Wahrheit“: Teil eins läuft am Ostersonntag, Teil zwei am Ostermontag.
Es ist keine leichte Kost, die einem der Regisseur Robert Thalheim („Am Ende kommen die Touristen“) und das Drehbuchteam Katja Wenzel und Stefan Kolditz in Form dieses Drei-Stunden-Thrillers vorsetzen. Es geht um rechtsradikale Tendenzen in der Polizei, um syrische Flüchtlinge, die zwischen die Fronten geraten, um Söldnertruppen, die auf der ganzen Welt ihr Unwesen treiben, um eine an die „Reichsbürger“ erinnernde Gruppierung, die einen Nibelungen-Fetisch hat und plant, gewaltsam die demokratische Ordnung in Deutschland zu stürzen, und um den Verfassungsschutz, der die Drahtzieher dieser Verschwörung als verdeckte Ermittler beschäftigt und schützt.
Die Handlung von „Nichts als die Wahrheit“
Mit dem vermeintlichen Selbstmord einer jungen Schutzpolizistin beginnt der Fall: Die verzweifelte Rebecca Kästner (Kaya Marie Möller) trinkt weinend Rotwein, bringt ihren vierjährigen Sohn Matti ins Bett und ist wenig später tot. Als Karow am nächsten Tag zum Tatort kommt, hat er gleich Zweifel an der Selbstmordtheorie. Die Tote hat zwar ihre Tatwaffe in der Hand, aber würde sie sich wirklich vor den Augen ihres kleinen Kindes erschießen?
Außerdem macht ihn misstrauisch, dass der letzte Mensch, mit dem die Polizistin vor ihrem Tod telefoniert hat, Susanne Bonard war. Und wenig später steht genau diese Frau, die von Polizeibeamten gerne als „die heilige Susanne“ bezeichnet wird, in seinem Büro und teilt ihm mit, dass sie ab sofort seine neue Partnerin ist („Ich kenne die Polizeipräsidentin gut“).
Ziemlich schnell wird klar, dass es sich weder um einen Selbstmord noch um eine Beziehungstat, sondern um eine Sache handelt, die viel größer ist. Die beiden Kommissare bekommen es dann mit Kästners Kollegin Tina Gebhardt (Bea Brocks) zu tun, die ein Faible für Runen-Tattoos hat, und mit Arne Koch (Sebastian Hülk), dem Chef der Sicherheitsfirma SAC. Der sagt Sätze wie: „Krieg kostet Geld und Frieden auch.“ Und gerade als das neue Ermittlerteam glaubt, eine heiße Spur zu haben, platzt auch schon der Verfassungsschutz herein und will ihnen den Fall entziehen. „Was sollte denn das jetzt?“, fragt Bonard verdutzt. „Willkommen in der Realität“, antwortet Karow.
Packender Thriller und Diskurstheater
„Nichts als die Wahrheit“ ist ein Krimi, der von einem großen Misstrauen gegenüber der Staatsgewalt und ihren Institutionen durchdrungen ist. Auf allen Ebenen versuchen hier rechte Kräfte unterstützt von Menschen in mächtigen Positionen, die demokratische Ordnung zum Einsturz zu bringen. Manchmal erzählt Thalheim diese Geschichte als packenden Thriller, manchmal verwandelt sich diese aber auch ein bisschen in eine Art Diskurstheater, wenn in etwas plakativen Dialogen über den Staat, den Polizeiapparat, über Macht und Verantwortung diskutiert wird.
Was den neuen „Tatort“ aus Berlin zum Ereignis macht, ist nicht diese Verschwörungsstory, sondern das Aufeinandertreffen von zwei Ausnahmeschauspielern. Corinna Harfouch und Mark Waschke spielen zwei Alphatiere, die anfangs überhaupt nicht miteinander, sondern aneinander vorbei ermitteln, die sich nur zögerlich auf sich zubewegen.
Es ist ein großes Vergnügen, den beiden dabei zuzuschauen, wie sie zeigen, dass beim Schauspielen weniger fast immer mehr ist, wie sie ihre Figuren mit Lakonie und feinem Sarkasmus zum Leben erwecken. „Ich könnte mich direkt an Sie gewöhnen“, sagt irgendwann Waschke als Karow. „Ich weiß“, sagt Harfouch. Und auch als Zuschauer hat man sich sehr schnell an dieses Team gewöhnt und hofft darauf, es bald wieder zu sehen.
Der Trailer zu „Nichts als die Wahrheit“
Den Videotrailer zu „Nichts als die Wahrheit“ (1+2) finden Sie hier.
Die Schauspieler des „Tatort“ an Ostern
► Corinna Harfouch (Susanne Bonard)
► Mark Waschke (Robert Karow)
► Tan Caglar (Malik Aslan)
► Ercan Karaçayli (Susannes Ehemann)
► Ivo Kortlang (Susannes Sohn)
► Kaya Marie Möller (Rebecca Kästner)
► Bernhard Conrad (Paul Kästner)
► Bea Brocks (Tina Gebhardt)
► Christoph Jöde (Guido Konrad)
► Sebastian Hülk (Arne Koch)
► Yvon Moltzen (Matti)
► Aziz Dyab (Fawad Saad)
► Shadi Eck (Najim Saad)
Der Tatort in der Mediathek
In der ARD-Mediathek sind alle „Tatort“-Folgen sechs Monate lang als Stream verfügbar. Aus Jugendschutzgründen kann der „Tatort“ nur zwischen 20 und 6 Uhr gestreamt werden.
Gleichzeitig zur TV-Ausstrahlung zeigt das Erste den aktuellen „Tatort“ auch als Livestream: Hier geht es zur ARD-Mediathek.
► TV-Ausstrahlung Ostersonntag und Ostermontag, jeweils um 20.15 Uhr, ARD
Der „Tatort“ aus Berlin
Schauspielerin Corinna Harfouch löst in „Nichts als die Wahrheit“ als Kommissarin Susanne Bonard ihren ersten Fall. Die 68-Jährige ist eine der erfolgreichsten und renommiertesten Film- und Theaterschauspielerinnen Deutschlands. Sie wurde mehrfach mit dem Grimmepreis und dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet.
Schauspieler Mark Waschke spielt seit 2015 den Berliner Kriminalhauptkommissar Robert Karow. Der 51-Jährige ermittelte bisher in 16 Fällen. Wie Corinna Harfouch ist auch Waschke gleichermaßen vor der Kamera als auch auf der Theaterbühne erfolgreich. International fiel er als Noah in der Netflixserie „Dark“ auf.
Team In 15 Berliner „Tatort“-Fällen bildete Mark Waschke seit 2015 mit Meret Becker das Ermittlerteam. Die von Becker dargestellte Kommissarin Nina Rubin starb im Mai 2022 in der Folge „Das Mädchen, das allein nach Haus’ geht“ den Serientod. In der Episode „Das Opfer“ (Dezember 2022), ermittelte Karow solo.