40 Jahre „Last Christmas“ von Wham!
Als ein kleines Schweizer Bergdorf groß rauskam
Bereits seit 40 Jahren läuft „Last Christmas“ von Wham! in der Weihnachtszeit rauf und runter und wurde zum erfolgreichsten Weihnachtslied aller Zeiten. Das Musikvideo wurde im schweizerischen Saas-Fee gedreht. Wie sieht es dort heute aus?
Von Frederik Jötten
An diesem kalten Morgen in Saas-Fee ist zumindest eines wie 1984, als hier das Video zu „Last Christmas“ gedreht wurde. Frischer Schnee liegt an diesem Tag wie Puderzucker auf den Felswänden und zerklüfteten Gletscherabbrüchen , die das Gelände im Schweizer Saas-Tal abschließen. Der Schnee ist der einzige Grund, warum sich das Duo Wham! und eine Filmcrew vor 40 Jahren dort einfanden, um jenes Lied mit bewegten Bildern zu untermalen, das heute einer der erfolgreichsten Weihnachtspopsong aller Zeiten ist: „Last Christmas“.
Wham sind in Saas-Fee omnipräsent
In Saas-Fee ist das heute mehr Thema denn je – zum Jubiläum besinnt man sich in dem Ort der goldenen Achtzigerjahre, es gibt einen Wham! Walk (um Verkleidung im Achtzigerjahre-Stil wird gebeten), eine Art Wham!-Weihnachtsmarkt mit DJ – und eine Ausstellung im Saas-Tal-Museum, im ehemaligen Pfarrhaus, erbaut 1732. In dem Holzhaus auf der Hauptstraße wird schnell klar, welch gegensätzliche Welten mit der Ankunft der Popstars im November 1984 aufeinandertrafen. Auf der einen Seite die Bewohner des Bergorts, die noch 30 Jahre zuvor einen harten bäuerlichen Alltag hatten. Schwarz-Weiß-Fotos zeigen wie an steilen Berghängen mit Sensen Gras gemäht wurde. Und auf der anderen Seite die fesch gekleideten Großstädter mit Föhnfrisur aus London. Es war ein Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen, das viele kuriose Anekdoten hervorbrachte. Das Video läuft auf einem Bildschirm im Erdgeschoss des Museums.
Und so wundert es nicht, dass die Popper damals bei ihrer Ankunft erst mal geschockt waren: George Michael, Sänger und musikalischer Kopf von Wham! musste aus der Stretchlimousine aussteigen und in einem beengten Kastenwagen Platz nehmen: SaasFee war und ist autofrei, erlaubt sind nur kleine Elektromobile, sogenannte Elektros. Leise surrt eines am Museum vorbei. Die Hauptstraße ist derart schmal, dass für mehr als eines dieser Gefährte kaum Platz ist. Perle der Alpen wird Saas-Fee genannt, nicht nur der friedlichen Stille wegen, sondern weil der Ort wie eine Perle in der Muschel von einer Bergkette umschlossen wird.
Das Warten auf den Schnee
In das Walliser Bergdorf gekommen war die Filmcrew, weil im mondänen Gstaad, wo eigentlich gedreht werden sollte, kein Schnee lag. Saas-Fee liegt 1 800 Meter über dem Meer, dort sind die Winter immer weiß. Doch als Wham! mit Entourage Mitte November anreiste, war auch hier das Tal noch grün. Kurz bevor die Crew abreisen wollte, fiel Schnee – und dann musste schnell gedreht werden, denn der Song sollte zwei Wochen später herauskommen.
Kalt war es – und die Großstädter waren mit ihren Klamotten nicht darauf vorbereitet. Im Video sieht man die Darstellerinnen mit Mänteln, die mehr durch ihren Schnitt und die Farbmuster auffallen, als durch Wintertauglichkeit. Und das lag offenbar nicht daran, dass sie sich für den Dreh so anziehen mussten – wie ein Mann weiß, der ein paar Schritte abseits der Hauptstraße im Lokal „Essstube“ im Hinterzimmer sitzt und sich an eine kuriose Begegnung mit der Crew erinnert.
Martin Beutler betrieb auch damals schon ein Restaurant, seine Einzimmerwohnung sperrte er nie ab, wenn er bei der Arbeit war. Als er an jenem Nachmittag im November 1984 nach Hause kam, saßen in seiner Wohnung: George Michael & Co. „Die wollten sich aufwärmen - und haben sich sogar Tee gekocht“, erinnert er sich. In die Wohnung gekommen waren sie, weil in der Vorsaison damals in der Umgebung des Drehorts keine Gaststätte geöffnet hatte. Zufällig hatten sie Beutlers Koch nach einem Platz zum Aufwärmen gefragt – und der hat die Gäste an Beutlers Wohnung verwiesen. „Ich wollte schlafen und habe sie dann rausgeschmissen“, erzählt er. Viel Originalgetreues kann man nicht mehr sehen vom Videodreh vor 40 Jahren. Außer am Ortsrand. Dort steht das Haus, vor dem die meisten Außenszenen für „Last Christmas“ gedreht wurden.
Songtext und Video haben den gleichen Inhalt: Bei einer Weihnachtsfeier trifft ein Mann, gespielt von George Michael, in Begleitung seiner neuen Partnerin auf seine Ex-Freundin die er beim letzten Weihnachtsfest dabei hatte, die inzwischen neu liiert ist – und zwar mit der zweiten Hälfte von Wham!: Andrew Ridgeley. Wenig später tollt die komplette Festtagsgesellschaft im Schnee. Genau vor eben jenem Chalet in Saas-Fee.
Haus und Zaun aus dem Video stehen noch
Auch wenn man etwas Fantasie benötigt, um das zu erkennen, denn die Bäume sind mittlerweile so hoch gewachsen, dass die Fassade kaum noch zu erkennen ist. Zudem erscheint die Holzverkleidung des Hauses nach der Renovierung viel heller als im Video. Aber es ist dasselbe Haus – und der Zaun um das Anwesen, ausgeblichenes rissiges Holz, mit Flechten bewachsen, zeugt von den Wetterbedingungen in den Alpen. Es ist eindeutig noch das Original von einst – das eine große Rolle im Video spielt. Unzählige Male springen die Darsteller über den Zaun und einmal steht George Michael da, zusammengesunken, die Hände im Schritt, als ob er sich dabei ernsthaft eine empfindliche Partie geprellt hat.
Sibylle Meyer arbeitete damals an der Rezeption des Hotel Walliser Hof, wo Wham! logierte. Sie war damals eine der wenigen im Ort, die Wham! kannte – obwohl die Band 1984 schon Welthits wie „Wake me up before you go-go“ hatte. Sybille Meyer führt heute die Elite Alpin Lodge in Saas-Fee. Damals mit gerade mal 20 Jahren fand sie George Michael toll. „Ich hatte eine Platte und war sehr aufgeregt“, erzählt sie. „George Michael galt als schöner Mann.“ Doch dann wäre sie auf dem Flur beinahe mit ihm zusammengestoßen – und er war nicht geschminkt. „Ich bin richtig erschrocken, wie fertig der aussah. Da war es schlagartig vorbei mit meiner Schwärmerei.“ Den Song möge sie jedoch noch immer. „Die Melodie ist schön und er zaubert eine Weihnachtsstimmung - ich lege ihn oft auf.“ Die Stimmung ist das eine – doch das Video transportiert auch eine Botschaft, die heute noch wichtiger für den Tourismus ist als damals. Das hat mit einer cleveren Aktion der damaligen Tourismusverantwortlichen zu tun. Wham! kannten sie 1984 zwar nur vom Hörensagen, aber vor Beginn des Drehs klebten sie noch schnell einen großen Aufkleber mit dem Schriftzug „Saas-Fee“ auf die Gondel, die am Anfang des Clips zu sehen ist. „Das Video läuft und läuft – und jedes Mal schickt es die Botschaft, dass es bei uns schneesicher ist“, sagt Simon Bumann, Chef der Saastal Bergbahnen AG.
Das Skigebiet in Saas-Fee reicht bis auf 3 600 Meter und ist damit das zweithöchste Europas, oben kommt man noch komplett ohne künstliche Beschneiung aus. In Zeiten der Klimaerwärmung findet man das kaum noch in den Alpen. Trotzdem schrieb das Skigebiet jahrelang rote Zahlen. Erst nahm die Zahl der Skifans ab, dann riss ein Dumpingangebot für die Saisonkarte große Löcher in die Bilanzen. Das änderte sich, als der gelernte Banker Simon Bumann vor sechs Jahren übernahm – mit dem österreichischen Investor Schröcksnadel Gruppe im Rücken. Seitdem macht die Bergbahn wieder Gewinn.
Versöhnliches Ende für alle Beteiligten
Nach vielen Auseinandersetzungen im Ort um die Zukunft der Bergbahn herrscht nun Aufbruchsstimmung: Hotels investieren wieder, überall im Ort wird renoviert und gebaut. Da kommt das Jubiläum von „Last Christmas“ gut gelegen. Auch die Handlung des Videos endet schließlich versöhnlich für alle Beteiligten – als die beiden Paare nach dem Weihnachtsfest aus der Gondel steigen, lächeln alle zufrieden mit den jeweiligen aktuellen Partnerinnen im Arm. Kein Eklat, keine bösen Blicke, perfekte Weihnachtsstimmung.