Architektur mit Holz
Angehende Architekten bauen in Stuttgart spektakuläre Holzschirme
Eindrucksvolle Gestelle aus Holz, entworfen von Studierenden der Uni Stuttgart, beschirmen jetzt eine Boulebahn auf dem Circuleum-Gelände des Jugendhauses Stuttgart. Wie dies ungewöhnliche Projekt zustande kam und was daraus zu lernen ist.
Von Nicole Golombek
Der geniale Entwurf auf dem berühmten Blatt weißes Papier, der einem Renommee bringt. Das ist das eine. Auf der Baustelle seine innovativen Ideen gegen skeptische Handwerker durchsetzen, die „So haben wir das noch nie gemacht!“ oder „So geht das nicht!“ sagen, das ist das andere. Dazu wäre es sicher hilfreich, etwas vom Handwerk zu verstehen, von der anspruchsvollen Arbeit des Betonbauers, des Schreiners, des Fensterbauers, um zu wissen, wovon man spricht, wenn man von der Arbeit spricht.
Mitreden können da all jene Stuttgarter Studierende im zweiten Semester, die beim Architekten und Architekturprofessor Jens Ludloff der Universität Stuttgart Kurse belegen. Sie haben schon einmal mit einem Hammer, einer Säge gearbeitet, tatsächlich selbst etwas gebaut sogar.
Etwas entwerfen, ohne Abfall zu erzeugen
Imposant mal, oft auch filigran, wie Windmühlen manche, bogenförmig, mal wie ein Stern oder an einen Pilz erinnernd. Verspielt oder streng sind sie geworden, ihre Werke: zwölf bis zu vier Meter hohe Schirme, gefertigt aus Holzleisten. Stolz stehen sie in der Sommersonne, mit einem blauen Netz überworfen bieten sie den schönen Rahmen für eine Bar und eine Boulebahn. Sie stehen auf dem Gelände des Circuleum – einem temporären, gemeinnützigen soziokulturellen Zentrum am Vaihinger Bahnhof.
So entworfen sollten die Schirme zudem werden, dass sie ohne Abfall produziert und so gebaut werden, dass sie wieder zerlegbar und ihre Teile wiederverwendbar sind. Schließlich leitet der Architekt einen Lehrstuhl für Nachhaltigkeit, Baukonstruktion und Entwerfen an der Fakultät für Architektur und Stadtplanung der Stuttgarter Universität.
Lernziel war auch, sparsam mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen, selbst mit nachwachsenden wie Holz – so lautet das Gebot und ist die Zukunft des Bauens. Gestiftet wurde das Material von der Holzbau-Offensive Baden-Württemberg. Auch übrigens das Holz für die Hocker, die auf dem Platz verteilt Sitzgelegenheiten bieten, die als erste Übung hergestellt werden sollten.
Jeder Studierende erhielt am ersten Tag des Semesters eine Säge und baute einen Hocker aus einer vorgegebenen Holzlatte, ohne Verschnitt zu erzeugen. „Da die Holzlatten unterschiedlich lang waren“, sagt Ludloff, „entstanden Hocker verschiedener Höhe und mit unterschiedlichen Proportionen, die zum Vergleich und Diskurs eingeladen haben.“
Exemplare entstanden, von denen sich manche Studierenden, so berichtet Ludloff und lächelt, nicht so gern getrennt hätten. Das erste eigene Werk, das ist schon was. Und sei es ein Schemel. „Manche Studierende haben auch tatsächlich zum ersten Mal in ihrem Leben eine Säge in der Hand gehalten“, sagt der Professor.
Dass die Schirme Debütarbeiten sind, sieht man ihnen nicht an. Wohl aber, wie individuell kreativ die jungen Studierenden entwerfen und bauen konnten, das dazu noch in Teamarbeit – die zwölf Gruppen bestanden aus je 15 Teilnehmern. Auch später in der Berufspraxis sei es schließlich üblich, so Jens Ludloff, mit anderen zusammen Projekte zu entwickeln.
An kleinen Tafeln sind Hintergründe zu den jeweiligen Schirmen zu lesen, inspirieren ließen sich die Studierenden etwa von traditioneller japanischer Holzbauweise. So formuliert sind die Texte, dass ein Besuch auf dem Platz und unter den Schirmen aus Holz lehrreich nicht nur für Architekturkenner ist. Verstehbar seine Entwurfsarbeit vermitteln, gut sprechen und schreiben, damit die Bauherrschaft und die Handwerkerinnen und Handwerker wissen, was der Herr Architekt und die Frau Architektin entworfen haben, auch das ist eine Übung fürs Leben.
Info
CirculeumDas Circuleum in der Ruppmannstraße 2 in Stuttgart-Vaihingen ist ein temporäres, gemeinnütziges soziokulturelles Zentrum am Vaihinger Bahnhof. Es besteht aus drei Hauptbereichen: Die „Akademie“ bietet Bewegungs- und Artistikkurse, das „Atelier“ präsentiert Kunst- und Kulturveranstaltungen, und das „Projektbüro“ ist Anlaufstelle für neue Initiativen und Projekte. Ziel ist, durch Begegnungen und Aktivitäten einen Raum für Gemeinschaft und Austausch zu schaffen. Bis 8. September ist das Circuleum in der Sommerpause.