Science-Fiction-Design im Vitra Design Museum

Zurück in die Zukunft

Wie stellen wir uns die Welt von morgen vor? Die meisten futuristischen Visionen werden von Science Fiction, alten Filmen und Möbeldesign geprägt – auch heute noch.

Die gängige Vorstellung von der Zukunft ist auch von der Ästhetik von „Star Trek“ (1968) beeinflusst.

© CBS via Getty Images/CBS Photo Archive

Die gängige Vorstellung von der Zukunft ist auch von der Ästhetik von „Star Trek“ (1968) beeinflusst.

Von Adrienne Braun

Selbst wer nicht an Orakel und Wahrsagerei glaubt, hat oft eine klare Vorstellung davon, wie die Zukunft ausschaut: silberfarben, geschwungen und mit abgerundeten Ecken. Viel Metall und Plastik – und Technik und digitale Tools fügen sich nicht nur geschmeidig in den Alltag ein, sondern sind selbsttätig am Werk. Die meisten dieser Zukunftsbilder werden von Filmen wie „Raumschiff Enterprise“ gespeist sein. Selbst High-Tech-Gadgets, Smartphones oder Tablets greifen häufig die Ästhetik von Filmen wie „Star Trek“ oder „2001: Odyssee im Weltraum“ auf.

Wenn es um futuristische Szenarien geht, so wurde in den vergangenen hundert Jahren munter geklaut und kopiert: Filmemacher haben sich von Möbeldesignern inspirieren lassen, die sich wiederum von der Ästhetik der Science-Fiction-Filme anregen ließen. Damit sind selbst die modern wirkenden roboterähnlichen Kreaturen und Figuren aus Comics oder Kinderzimmern kaum denkbar ohne die kühne Vorstellungsgabe einstiger Filmregisseure und -ausstatter. Der Franzose Georges Meliès hat vermutlich das Urbild des Science-Fiction-Films erfunden. Seine „Reise zum Mond“ von 1902 erzählte vom Flug einer Rakete zum Mond.

Das Vitra Design Museum in Weil am Rhein hat nun für seine Ausstellung „Science Fiction Design“ Möbel und Einrichtungsideen zusammengetragen, die das heutige Bild der Zukunft maßgeblich geprägt haben. Selbst wenn man die Filme oder Designer aus dem vergangenen Jahrhundert nicht mehr kennt, haben sich deren Kreationen ins kulturelle Gedächtnis eingebrannt.

Hochhäuser, die in den Himmel wachsen

Bei der Vorstellung der futuristischen Großstadt ist vor allem einer nicht wegzudenken: Fritz Lang und sein expressionistischer Film „Metropolis“ von 1927.Die visionäre Ausstattung des Schwarz-Weiß-Films und die Häuser, die förmlich in den Himmel wuchsen, kamen damals aber auch keineswegs aus dem Nichts, sondern reagierten auf die ersten Hochhäuser, die Ende des 19. Jahrhunderts in Chicago gebaut wurden.

So entsteht die Ästhetik des Futuristischen schon im 19. Jahrhundert, als die fortschreitende Industrialisierung und Automatisierung der Lebenswelt die Fantasie der Menschen beflügelte und Literaten begannen, in Science-Fictions Bilder von der Zukunft zu entwerfen – ob Mary Shelley oder Jules Verne. Dabei tauchen die immer gleichen Motive auf: Hier die Technik, die autonom agiert, dort die Eroberung des Himmels und der Aufbruch ins All.

Zeitgleich mit „Metropolis“ entwarf der amerikanische Architekt Richard Buckminster Fuller ein futuristisches Wohnhaus, das quasi wie ein Raumschiff schwebte. Sein „Dymaxion House“ hing an einem zentralen Pfosten, um den die Zimmer kreisförmig herum angeordnet wurden. Der Deckel der runden Wohnung konnte zum Lüften geöffnet werden. Das Haus sollte günstig und leicht zu transportieren sein. In Serie ging es freilich nie – und schrieb doch Designgeschichte und prägte eine Vorstellung, wie Menschen in Zukunft wohnen würden.

Mehr Stahl, weniger Holz

Holz scheint in künftigen Zeiten wohl keine Rolle mehr zu spielen, denn Gestalter greifen lieber zu neuen, modernen Materialien, wenn sie ihren Kreationen einen fortschrittlichen Anstrich geben wollen. Im frühen Film war das Metall, das durch die noch junge Stahlindustrie im Alltag an vielen Stellen Einzug hielt. In den 1960er und 1970er war es dann der Kunststoff, der einen völlig neuen Look der Zukunft ermöglichte und einen wahren Boom von Möbeln und Gestaltungsideen auslöste, die man als futuristisch verstand.

Das „Space Age“, wie man die Zeit gern nennt, wurde von der Mondlandung 1969 eingeläutet, die die Menschen enorm beschäftigte und Literatur, Film und Popmusik über Jahre hinweg inspirierte. Designer wie Joe Colombo oder Luigi Colani befeuerten den Trend und in den Wohnungen hielten eigenwillige organische Formen Einzug. Verner Panton (1926–1998) war es schließlich, der mit seinen Wohnlandschaften erstmals auch Farbe einsetzte. Sein legendärer „Panton Chair“ von 1960 war nicht nur der erste Kunststuhl aus einem Guss, sein Credo lautete: „Man sitzt bequemer auf einer Farbe, die man mag.“

Altes Design für die Zukunft

Diese neuen Designermöbel, die auch von Science Fictions inspiriert wurden, landeten wiederum selbst in Filmen: In Stanley Kubricks Klassiker „2001: Odyssee im Weltraum“ von 1968 ist zum Beispiel der Djinn-Sessel von Olivier Mourgues zu sehen, ein ulkig geformtes Sitzobjekt, das an eine Krake erinnert. Selbst älteres Design kam immer wieder in Science Fictions zum Einsatz. In dem 1982 erschienenen US-Film „Blade Runner“ ist etwa der „Argyle Chair“ von Charles Rennie Mackintosh Teil der futuristischen Ausstattung, dabei wurde er bereits 1897 entworfen.

Letztlich sind Science Fiction und Design kaum ohne einander zu denken, weil sich Möbeldesigner und Filmausstatter immer wieder gegenseitig wie im Pingpong die Bälle zuspielten. Während die Filme oft technologische oder gesellschaftliche Szenarien weiterdenken, ist es die Gestaltung, die diese Visionen in die reale Welt hinein holt.

Eines aber sind die meisten im Vitra Design Museum ausgestellten Sessel oder Schreibtische definitiv nicht: praktisch. So braucht man für den „Albatros“, einen ausladenden Sessel von Danielle Quarante von 1968/69, sehr viel Platz. Und auch der berühmte „Sunball“ von Fis/Selldorf, eine Art Sofa in einer verschließbaren Kugel, ist allein wegen seiner Dimensionen kaum alltagstauglich. Aber heute ist es letztlich einerlei, ob Designideen funktional oder gar realistisch sind.

In dem irrwitzigen Gebäude „Neo-Chemosphere“ von Charlotte Taylor und dem Zyva Studio scheint man direkt in den Wolken zu sitzen. Digitale Animation macht’s möglich – und ist letztlich doch nur eine neue Spielart dessen, was Möbel- und Set-Designer in den vergangenen über Jahrzehnte bereits erfanden.

Ausstellung im Vitra Design Museum, Schaudepot, Weil am Rhein, bis 11. Mai 2025

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Erstellt:
11. Januar 2025, 09:14 Uhr

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